1.255 (bru3p): Nr. 769 MdR Simpfendörfer an den Reichskanzler, 27. Mai 1932

Zum Text. Zur Fußnote (erste von 7). Zu den Funktionen. Zum Navigationsmenü. Zum Navigationsbaum

 

Bandbilder:

Die Kabinette Brüning I und II Band 3Das Kabinett Brüning I Bild 183-H29788NS-Wahlversammlung im Sportpalast Bild 102-10391Arbeitslose Hafenarbeiter Bild 102-11008Bankenkrise 1931 Bild 102-12023

Extras:

 

Text

RTF

[2580] Nr. 769
MdR Simpfendörfer an den Reichskanzler, 27. Mai 1932

R 43 I /2376 , S. 603–605

[Betrifft: Sparmaßnahmen]

Sehr geehrter Herr Reichskanzler!

Im Auftrag der Volksdienstfraktion habe ich Ihnen vorgestern die Bedenken und Forderungen unserer Fraktion in Bezug auf die zu erwartenden neuen Notverordnungen vorgetragen1.

1

Die RT-Abgeordneten Simpfendörfer, Rippel, Bausch und Lambach waren am 25.5.32 vom RK zu einer halbstündigen Unterredung empfangen worden (Nachl. Pünder , Nr. 4, Bl. 9).

Unter Bezugnahme auf diese Besprechung darf ich noch einmal feststellen, daß die Volksdienstfraktion der Auffassung ist, daß ein Ausgleich des Etats im Interesse des außenpolitischen Kampfes unter allen Umständen mit Entschlossenheit hergestellt werden muß, daß aber neue Belastungen breiter Volksschichten nur durchgeführt werden können, wenn dem Volke deutlich sichtbar gezeigt wird, daß diese Lasten entsprechend der Tragfähigkeit der Schultern verteilt sind2. Wir halten es z.B. für völlig untragbar, daß anscheinend bis in die jüngste Zeit herein die Direktoren der vom Reich aus Steuermitteln sanierten Großbanken ungeheuer hohe Gehälter beziehen und in den meisten Großunternehmungen an die leitenden Direktoren bis heute noch Gehälter bezahlt werden, die in keinem Verhältnis zu dem Ertrag der Unternehmungen stehen, während man gleichzeitig den Invalidenrentnern 5 bis 6 Mark ihrer durchschnittlich 30 bis 35 Mark betragenden Rente wegnimmt3. Ich weise in diesem Zusammenhang auch auf den beiliegenden Artikel des „Deutschen Volksblatt“, des württembergischen Zentrumsorgans vom 20. d.Mts. hin4. Die neuen Notverordnungen sind nach unserer Auffassung nur dann tragbar, wenn vorher durch rücksichtslos harte Maßnahmen volkspsychologische Voraussetzungen in dem Sinne geschaffen werden, daß das Volk viel mehr als jetzt den Eindruck bekommt, daß die Regierung willens ist, rücksichtslos alle aufreizend hohen Bezüge zu beschneiden.

2

Vgl. hierzu Dok. Nr. 609.

3

Vgl. Dok. Nr. 761, Anlage.

4

Der beigefügte Artikel unter der Schlagzeile „Dafür besteht kein Verständnis mehr“ nannte Jahresgehälter der Bankdirektoren von 98 000 RM bis 141 371 RM und stellte sie im Vergleich zu den ausgeschütteten Dividenden (R 43 I /2376 , S. 608).

Im einzelnen muß gefordert werden:

1.)

Weder in der Privatwirtschaft noch in der öffentlichen Wirtschaft dürfen Bar-Bezüge gewährt werden, die höher sind als die Bezüge eines Reichsministers. Die Bezüge der Reichsminister sollten nochmals herabgesetzt werden.

2.)

Die Kürzungen der Invaliden-, Witwen- und Waisenrenten, insbesondere der letzteren (Witwen- und Waisenrenten) sollten möglichst vermieden werden5.[2581] Die der Invalidenversicherung fehlenden Mittel müssen durch einen Zuschuß des Reichs an die Invalidenversicherung aufgebracht werden. Das Reich sollte sich die Mittel hierfür beschaffen entweder durch einen ½%igen Zuschlag zu der vorgesehenen Beschäftigungssteuer oder noch besser durch Sonderbelastungen der Einkommen von mehr als 5000 Mark, die durchgeführt werden könnte in Form von Einkommensteuerzuschlägen oder in Form von Sonderbeiträgen, die als Zwangsanleihe im Reichsschuldbuch bei 2% Verzinsung, rückzahlbar binnen 25 Jahren, gutgeschrieben werden.

3.)

Die vorgesehene Beschäftigungssteuer sollte nach unten in dem Sinne abgegrenzt werden, daß die kleinsten und niedrigsten Einkommen (etwa unter 150 Mark monatlich) freibleiben6.

5

Vgl. Dok. Nr. 760, Anm. 6.

6

Vgl. dazu Dok. Nr. 762, Anm. 9.

Ich möchte nicht versäumen, hochverehrter Herr Reichskanzler, wie schon bei der ersten Besprechung Sie nochmals auf den Ernst der Lage hinzuweisen. Die neue Belastung ist nach unserer Auffassung nur zu verantworten, wenn sie möglichst gerecht verteilt wird.

Dem Herrn Reichsfinanzminister und dem Herrn Reichsarbeitsminister habe ich eine Abschrift vorstehenden Schreibens zugehen lassen7.

7

Das Schreiben wurde nicht beantwortet und am 14.6.32 zu den Akten geschrieben.

Mit vorzüglicher Hochachtung

Ihr sehr erg[ebener]

Simpfendörfer

1 Beilage

Extras (Fußzeile):