2.99.1 (cun1p): 1) Beschlußfassung über den Antrag des Herrn Preußischen Landwirtschaftsministers betr. den Austausch von Stickstoffdünger gegen Getreide im Wirtschaftsjahr 1923/24 (zu vergl. Rundschreiben des Herrn preußischen Landwirtschaftsministers vom 16. Januar 1923 – St. K. III 255 –) und Getreidebewirtschaftung des nächsten Jahres.

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Das Kabinett Cuno Wilhelm Cuno Bild 183-1982-0092-007Französischer Posten Bild 183-R43432Posten an der Grenze des besetzten Gebietes Bild 102-09903Käuferschlange vor Lebensmittelgeschäft Bild 146-1971-109-42

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1) Beschlußfassung über den Antrag des Herrn Preußischen Landwirtschaftsministers betr. den Austausch von Stickstoffdünger gegen Getreide im Wirtschaftsjahr 1923/24 (zu vergl. Rundschreiben des Herrn preußischen Landwirtschaftsministers vom 16. Januar 1923 – St. K. III 255 –) und Getreidebewirtschaftung des nächsten Jahres.

Nach längerem Vortrag des Reichsernährungsministers über den preußischen Antrag und über die Getreidelage1 beschließt das Kabinett:

1

Zum preußischen Antrag s. Anm. 4 zu Dok. Nr. 73. In seiner Kabinettsvorlage vom 15. 3. erklärte Luther u. a.: „Gegenüber den früheren Erörterungen ist die sachliche Notwendigkeit, zur freien Getreidewirtschaft beim Brotgetreide für 1923 überzugehen, dadurch noch gesteigert, daß inzwischen eine tatsächliche Stabilisierung eingetreten ist und in ihrem Gefolge eine auch für den Landwirt sehr schwierige Wirtschaftslage, besonders dadurch, daß die Düngemittelpreise zur Zeit auch relativ erheblich höher liegen als im Frieden. Ein besonderes Symptom ist, daß der freie Getreidepreis zeitweilig unter dem Preis für Umlagegetreide gelegen hat. Da nun dieser für die Landwirtschaft sehr belastende Zustand gerade im Zeitpunkt der Frühjahrsbestellung eintritt, so erscheint es dringend geboten, sofort die Erklärung über die freie Wirtschaft herauszugeben. Dabei sei daran erinnert, daß die RReg. in ihrer programmatischen Erklärung den Abbau der Getreidezwangswirtschaft gerade für den Fall einer Stabilisierung der Mark in Aussicht gestellt hat.“ (R 43 I /1262 , Bl. 17 f.). Am 17. 3. übersandte das REMin. außerdem eine „Abschrift der den heutigen Verhältnissen angepaßten Referentenbemerkungen zu dem preußischen Gesetzentwurf“, der auf 20 Seiten ausführlich Stellung nimmt. Als wesentlichste Bedenken ergeben sich danach: 1. Das Verfahren ist zu umständlich. Es würde sowohl das Getreide als auch der Stickstoff in Zwangsbewirtschaftung genommen werden. 2. Eine Produktionssteigerung und eine vermehrte Verwendung von Stickstoff können nicht garantiert werden. 3. Die Vergrößerung der Umlage von 2,5 auf 4,5 Mio t bringt größte Schwierigkeiten. 4. Bereitstellung der Devisen für Stickstoffeinfuhr ist fraglich, zumal das Reich vorläufig noch auf Getreideeinfuhr angewiesen bleibt. 5. Für die Verteilung des Stickstoffs ist eine besondere Organisation zu schaffen. 6. In landwirtschaftlichen Kreisen stößt der preußische Vorschlag auf schärfsten Widerstand. Lt. Vermerk Kempners vom 20. 3. hat Luther den Inhalt in der Kabinettssitzung vorgetragen (R 43 I /1262 , Bl. 31-52).

1.

[315]dem preußischen Antrag kann nicht stattgegeben werden2,

2.

der Reichskanzler wird durch persönliche Fühlungnahme mit dem Preußischen Ministerpräsidenten versuchen, noch in dieser Woche eine gemeinschaftliche Besprechung des Reichskabinetts und des Preußischen Kabinetts über den preußischen Antrag herbeizuführen3,

3.

der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft wird ermächtigt, mit den Parteien des Reichstags auf der Grundlage zu verhandeln, daß die Reichsregierung bereit ist, die Brotversorgung im kommenden Wirtschaftsjahr nach den wesentlichen Gesichtspunkten der im Haushaltsausschuß gefaßten Entschließungen zu regeln, vorausgesetzt, daß sich eine Mehrheit dafür findet, durch eine Belastung des Besitzes zur Deckung der Kosten der Zuschüsse in erheblichem Maße beizutragen4.

2

Der Referentenvorschlag der Rkei vom 17. 3. hatte gelautet: „Die Rückkehr zur freien Getreidewirtschaft liegt allgemein im Interesse der Landwirtschaft und wird fraglos am ersten produktionsfördernd wirken. Ich schlage daher vor, dem Antrag des REM stattzugeben und den preußischen Antrag abzulehnen.“ (R 43 I /1262 , Bl. 29 f.).

3

Ursprünglich sollte die gemeinsame Sitzung des RKab. mit dem PrKab. anschließend um 19 Uhr stattfinden. Die erst unter dem 17. 3. erfolgte Versendung der umfangreichen Referentenbemerkungen zum pr. Antrag durch das REMin. veranlaßte den PrMinPräs. jedoch, die gemeinsame Beratung zu verschieben. „Es muß dem PrLandwMin. erst Gelegenheit gegeben werden, sich eingehend zu den Einwendungen des Herrn REM zu äußern.“ (Schreiben Brauns an Cuno vom 19. 3.). Kempner vermerkt auf dem Schreiben am 19. 3.: „StS Göhre hat mitgeteilt, daß die Sitzung voraussichtlich am 20. 3. stattfinden könnte.“ Ob die Sitzung an diesem Tage stattgefunden hat, muß zweifelhaft erscheinen. Ein Protokoll über eine derartige Sitzung der beiden Kabinette war jedenfalls in R 43 I nicht zu ermitteln. Eine schriftliche Erwiderung des PrLandwM auf die Einwendungen des REMin. ergeht erst unter dem 10. 4. Sie weist die Kritik Punkt für Punkt als unzutreffend oder übertrieben zurück. Die pr. Landwirtschaftsverwaltung halte nach wie vor daran fest, daß eine starke landwirtschaftliche Produktionssteigerung „am sichersten, schnellsten und billigsten erreicht wird durch eine rasche Steigerung der Stickstoffverwendung in der deutschen Landwirtschaft; sie ist ferner der Meinung, daß die neueste Entwicklung der inländischen Wirtschaft geradezu zwangsläufig auf eine Kombination des Stickstoff- und Ernährungsproblems hindrängt, sie glaubt im Falle der abermaligen Ablehnung der preußischen Vorschläge durch die RReg. von der letzteren andere Vorschläge zu einer wirksamen Förderung der landwirtschaftlichen Erzeugung fordern zu müssen.“ (R 43 I /1262 , Bl. 101-103). Am 25. 4. legen Luther und Hermes dem Kabinett ihren Gesetzentwurf vor (vgl. Dok. Nr. 139).

4

Über die Entschließungen des Haushaltsausschusses hatte Luther am 15. 3. berichtet: „Bei der Prüfung des Haushaltsplanes des REMin. ist ein Antrag der SPD, der Regierung eine Vorlage eines Gesetzentwurfes zu machen, der die Beschaffung von 4½ Mio t Getreide aus dem Inland gegen Lieferung einer entsprechenden Menge Stickstoff vorsah [dem RT vorgelegt am 22. 3. als RT-Drucks. Nr. 5687, Bd. 377 ], gegen die Stimmen der SPD und der KPD abgelehnt worden. – Die übrigen Parteien haben folgenden Antrag angenommen [RT-Drucks. Nr. 5698 ]: Die Sicherung des Bedarfs an Brotgetreide durch eine gebundene Wirtschaft ist nicht mehr möglich. Von einer weiteren Getreideumlage muß daher abgesehen werden. Die rechtzeitige Sicherstellung einer für die Ernährung der Bevölkerung ausreichenden Brotgetreidemenge unter Mitwirkung der landwirtschaftlichen Organisationen, der Verbrauchervertretungen und des legitimen Handels ist erforderlich. Eine Verbilligung des Brotes für Minderbemittelte ist aus Mitteln der Allgemeinheit zu bewirken. Das Ernährungsprogramm der Regierung ist mit möglichster Beschleunigung vorzulegen.“ (R 43 I /1262 , Bl. 17 f.). Der Bericht des Haushaltsausschusses vom 10. 3. (RT-Drucks. Nr. 5631 ) wird am 23. 3. im RT besprochen (RT-Bd. 359, S. 10356  ff.), am 12. 4. wird über die verschiedenen Anträge abgestimmt (ebd. S. 10450 ff.).

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