2.30 (cun1p): Nr. 30 Besprechung mit Vertretern der Gewerkschaften. 28. Dezember 1922, 15.30 Uhr

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Das Kabinett Cuno Wilhelm Cuno Bild 183-1982-0092-007Französischer Posten Bild 183-R43432Posten an der Grenze des besetzten Gebietes Bild 102-09903Käuferschlange vor Lebensmittelgeschäft Bild 146-1971-109-42

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Nr. 30
Besprechung mit Vertretern der Gewerkschaften. 28. Dezember 1922, 15.30 Uhr

R 43 I /1493 , Bl. 108-112

Anwesend1: Cuno, Luther, Hamm; Kempner, Offermann (als Protokollführer); vom ADGB: Leipart, Graßmann, Knoll, Umbreit; vom DGB: Baltrusch, Brost, Roth; vom AfA: Aufhäuser, Heinig; vom Gewerkschaftsring: Scaruppe, Schneider, Neustedt, [unleserlich]; vom Deutschen Beamtenbund: Flügel, Remmers, [unleserlich]; vom Allgemeinen Deutschen Beamtenbund: Völter, Falkenberg; vom Reichsbund der höheren Beamten: Scholz, Rathke.

1

Lt. handschriftlicher Anwesenheitsliste.

Der Herr Reichskanzler begrüßte die Erschienenen und betonte, daß die Regierung es als ihre Pflicht betrachte, mit allen Parteien und Klassen an der Lösung der schwebenden Fragen zusammenzuarbeiten und daß nur Mangel an Zeit es bisher nicht zu einer Besprechung mit den Gewerkschaften habe kommen lassen2. Die Regierung stände über den Parteien und sei eine Regierung der Arbeit. Die erste Frage sei die Reparationsfrage. In London mußte etwas geschehen, um nicht vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden3. Jetzt müßte die Suche nach einer endgültigen Lösung der Reparationsfrage fortgesetzt werden. Zur Zeit sei in dieser Beziehung noch kein Abschluß erreicht, noch kein fertiges Programm vorhanden. Das Bild wechsle von Stunde zu Stunde. Man müsse zwei große Eventualitäten unterscheiden, entweder es komme in Paris eine Lösung zustande, die das Deutsche Reich mit Rücksicht auf das Rheinland nicht annehmen könne, oder es würde der Weg geöffnet zu[96] Verhandlungen mit der Gegenseite. Letzteres sei die Hoffnung der jetzigen Regierung. In beiden Fällen jedoch sei es notwendig, daß alle Kräfte des deutschen Volkes sich gemeinsam in den Dienst des Vaterlandes stellten. Opfer müsse jeder bringen nach Maßgabe seines Könnens4.

2

In der Linkspresse war die RReg. angegriffen worden, weil sie wohl mit anderen wirtschaftlichen Interessenvertretern, nicht aber mit den Gewerkschaften über das geplante Reparationsangebot beraten hatte. Die Besprechung am 28. 12. ging auf eine Anfrage der Gewerkschaften vom 19. 12. zurück, die am 21. 12. in der Rkei übergeben wurde. Am gleichen Tag erging die Einladung an die Gewerkschaften (Vermerk vom 21. 12. in R 43 I /2023 , Bl. 227). Zur Vorgeschichte der Gewerkschaftsanfrage s. auch Anm. 2 zu Dok. Nr. 27.

3

Zur deutschen Reparationsnote, die am 10.12.22 der Londoner Konferenz übergeben wurde, vgl. Dok. Nr. 16.

4

In einem Konzept für die Besprechung heißt es zur Reparationsfrage u. a.: „Jetzt müssen wir alles daran setzen, um in Paris zu einer verständigeren Regelung zu kommen oder, wenn das an dem Unverständnis der Gegenseite scheitern sollte, wenigstens das moralische Urteil der Welt zu unseren Gunsten zu beeinflussen. Die Regierung wird daher die äußersten Anstrengungen machen. Vorbesprechungen mit Führern der Gewerkschaften sind gepflogen worden und werden weiter gepflogen werden, selbstverständlich im engsten Kreise, wie es notwendig ist. Über das Verhältnis von Staat und Wirtschaft kann nach der Rede im RWiR [Dok. Nr. 20] kein Zweifel sein. Die Regierung ist sich ihrer Führeraufgabe bewußt. […] Die Reparationsfrage hat Aufmerksamkeit und Arbeit des Kabinetts, insbesondere der beteiligten Minister aufs äußerste ausschließlich beansprucht. RK bedauert selbst, daß nicht Zeit für andere Wirtschaftsfragen gegeben war, aber es hätte Pflichtverletzung bedeutet, andere Fragen vorzunehmen und die Reparationsfrage darunter leiden zu lassen.“ (R 43 I /1493 , Bl. 89-92).

Neben der Reparationsfrage und durch sie beeinflußt steht die Ernährungsfrage. Unter Bezugnahme auf einen am heutigen Tage im ‚Vorwärts‘ erschienenen Artikel über Steuerfragen5 sprach der Herr Reichskanzler sein Bedauern darüber aus, daß diese Ausführungen gerade in der jetzigen Zeit erschienen seien, da sie doch geeignet seien, der Regierung im Auslande zu schaden. Die Regierung habe alles Interesse an schnellster Eintreibung der Steuern und habe dem Reichsrat eine entsprechende Vorlage gemacht6.

5

Unter dem Titel „Gewerkschaften gegen Steuerunrecht“ druckt der ‚Vorwärts‘ am 28. 12. die Denkschrift zur Einkommensteuer, die am 23. 12. vom ADGB und vom AfA dem RK zugeleitet worden war und am 16.1.23 von RFM Hermes beantwortet wird (R 43 I /2404 , Bl. 148; 146; 159-167). In dieser Denkschrift fordern die Gewerkschaften eine Neufestsetzung der Lohnsteuer und eine beschleunigte Einziehung der Einkommensteuer aller sich selbst Einschätzenden. 1920 hätten die Lohnsteuerpflichtigen 20%, 1921 33⅓% und im Okt. 1922 72% der gesamten Einkommensteuer aufgebracht.

6

Es handelt sich dabei um den Gesetzentwurf über die Berücksichtigung der Geldentwertung in den Steuergesetzen, der am 22. 12. vom Kabinett verabschiedet (Dok. Nr. 29) und an den RR geleitet worden war.

Er schlage nunmehr vor, daß man an Hand der von den Gewerkschaften gestellten 5 Fragen die Materie durchspreche, und die Regierung sei bereit, die Wünsche der Gewerkschaften entgegenzunehmen und entsprechend zu verwerten.

Herr Leipart dankte dem Herrn Reichskanzler für das dargebrachte Vertrauen, das die Gewerkschaften erwiderten. Er hätte jedoch den Wunsch, daß dieses Vertrauen etwas weitergehe. Die Mitglieder der Gewerkschaften würden mit einer Erklärung, daß die Regierung zur Zeit nicht in der Lage sei, das Problem der Reparation mitzuteilen, wohl wenig zufrieden sein. Man dürfe sich nicht darüber täuschen, daß im Lande eine fürchterliche Stimmung herrsche. Aus dieser Stimmung heraus sei auch der Vorwärtsartikel zu verstehen. Die Massen verelendeten immer mehr, die Löhne fielen immer weiter zurück. Unter diesen Umständen wäre es der Wunsch der Gewerkschaften, daß ihnen Gelegenheit gegeben werde, ihr bescheidenes Wort dazuzusagen. Er frage daher den Herrn Reichskanzler, ob es nicht möglich sei, etwas mehr von den Plänen der Regierung mitzuteilen.

Der Herr Reichskanzler erwiderte, es hätten noch mit keinen größeren Gruppen Verhandlungen stattgefunden. Auch die Parteiführer seien noch nicht[97] gehört7. Im Reichstag seien sämtliche Fraktionsführer gegen die Einberufung des Auswärtigen Ausschusses gewesen. Er müsse daher daran festhalten, daß er nicht in der Lage sei, in diesem Kreise über Dinge zu sprechen, die noch nicht fertig seien.

7

Eine Besprechung mit den Parteiführern findet am 30.12.22, 10 h, in der Rkei statt, doch waren darüber Aufzeichnungen in den Akten der Rkei nicht zu ermitteln. Am 16. 12. war die Reparationsfrage bereits einmal mit den Parteiführern besprochen worden (s. Anm. 5 zu Dok. Nr. 28).

Herr Baltrusch erklärte, es läge hier wohl ein Mißverständnis vor. Der Wunsch der Gewerkschaften ginge dahin, konkrete Auskunft zu erteilen, um damit die Massen beruhigen zu können, was zweifellos für die Regierung eine Sicherung darstelle.

Herr Leipart erklärte, die Regierung könne doch wohl Mitglieder der Gewerkschaften als Sachverständige hören.

Der Herr Reichskanzler erwiderte, daß der zuständige Ressortminister, der Reichswirtschaftsminister Becker, Sachverständige auch aus Gewerkschaftskreisen alsbald hören werde, beziehungsweise heute bereits gehört habe, und im übrigen sei es bedauerlich, daß die Presse im Gegensatz zu der Presse anderer Länder soviel über die Reparationsfrage schreibe, was entweder den Tatsachen nicht entspreche oder doch dazu geeignet sei, im Auslande zu schaden.

Herr Aufhäuser bedauerte, daß die Gewerkschaften erst so spät gehört werden. Er könne die technischen Gründe einer so späten Maßnahme nicht im vollen Maße anerkennen. Man hätte sehr wohl schon früher, wie man es auch mit der Industrie und anderen Kreisen gemacht habe, Sachverständige aus Gewerkschaftskreisen hören können. Sie verlangten keine Einzelheiten, aber die sogenannte Garantiefrage beschäftige die Gewerkschaften sehr. Es sei dies die Frage, ob die Industrie bereit sei, die notwendige Garantie zu übernehmen.

Der Herr Reichskanzler wiederholte, daß er keine weitere Erklärung zu der Reparation abgeben könne und bat die Herren, nunmehr in die Besprechung der Gewerkschaftsfragen einzutreten8.

8

Mit Schreiben vom 19.12.22 hatten ADGB, DGB, AfA und Gewerkschaftsring dem RK fünf Punkte vorgelegt und eine Aussprache darüber erbeten (R 43 I /1493 , Bl. 68-70). Der Wortlaut dieser fünf Punkte ist im folgenden angemerkt.

Punkt 1: Inwieweit hat die Regierung Vorsorge getroffen, daß für die kommende Brotpreiserhöhung ein Ausgleich in den Löhnen und Gehältern auch der Privatindustrie geschaffen wird9?

9

Die Gewerkschaften hatten formuliert: „Die außerordentliche Verteuerung des Brotpreises können weiteste Kreise unseres Volkes aus ihrem sich fortgesetzt entwertenden Einkommen nicht tragen. Ist die RReg. bereit, bei allen in Betracht kommenden Stellen ihren ganzen Einfluß einzusetzen, um die zum Ausgleich der Brotverteuerung notwendige Erhöhung aller Bezüge herbeizuführen? Dabei ist besonders zu berücksichtigen die Notlage der Sozial-, Alters- und Kleinrentner, der Kriegs- und Arbeitsverletzten, der Arbeitslosen und Kurzarbeiter, der nur noch von öffentlicher oder privater Mildtätigkeit lebenden Schichten, insbesondere auch die Fürsorge für die heute schon unterernährten Kinder.“, R 43 I /1493 , Bl. 68-70

Zu diesem Punkt ergriff Herr Knoll das Wort und führte aus, daß im Januar der Brotpreis 600 M erreichen werde. Vor dem Kriege sei die Relation zwischen Kartoffel- und Getreidepreis 1 : 4 beziehungsweise 1 : 5 gewesen, heute sei sie 1 : 32. Man muß feststellen, daß die Landwirtschaft keine Opfer[98] bringe; sie produziere wohl billiger als früher. Die Beträge der Erwerbslosenunterstützung seien lächerlich gering.

Reichsminister Dr. Luther sprach eingehend über die Getreide- und Brotfrage und erklärte, daß die Regierung alles tun werde, um diese gewaltigen Lasten den Verbrauchermassen erträglich zu gestalten.

Der Reichskanzler bat Herrn Knoll um Übersendung des von ihm verlesenen Zahlenmaterials10.

10

Am 2.1.23 übersendet Knoll der Rkei Zahlenmaterial über die Getreidepreise und die Unterstützungssätze für Arbeitslose. Danach betragen die Höchstsätze der Arbeitslosenunterstützung z. Zt. „für den Mann M 140, für die Frau M 65, für 2 Kinder M 100, zusammen M 305 pro Tag, d. h. soviel wie ein Brot heute kostet. Die RReg. sieht eine Verdoppelung dieser Sätze vor, da aber auch der Brotpreis im Januar auf M 600 mindestens steigt, so bleibt es dabei, daß der Unterstützungssatz für einen Tag kaum ausreicht, um ein Brot zu kaufen.“ (R 43 I /1133 , Bl. 194-196).

Punkt 2: Inwieweit hat die Regierung dafür Sorge getragen, daß die der Entente angebotenen Maßnahmen innerwirtschaftlicher Art in den Kreisen der Wirtschaft keinen Widerstand zu erwarten haben, und inwieweit ist die Regierung bereit, bei der Vorbereitung dieser innerwirtschaftlichen Maßnahmen auch Sachverständige aus den Reihen der Gewerkschaften zu hören11?

11

Die Formulierung der Gewerkschaften lautet: „II. Der Brief des Herrn RK an Bonar Law enthielt auf der Basis der Reparationsnote vom 13. 11. u. a. auch innerwirtschaftliche Vorschläge. Welche Maßnahmen sind zu deren Durchführung getroffen? Ist die RReg. bereit, zu allen Vorbereitungen hierüber Sachverständige auch aus den Kreisen der Gewerkschaften heranzuziehen?“, R 43 I /1493 , Bl. 68-70 Zur Vorgeschichte dieser Anfrage vgl. Anm. 2 zu Dok. Nr. 27.

Punkt 5: Was gedenkt sie zur Bekämpfung des Wuchers zu tun? Will sie dafür sorgen, daß die rechtliche Grundlage der Wucherbekämpfung, im besonderen die Frage des Wiederbeschaffungspreises, bald eine Klärung erfährt12?

12

Formulierung der Gewerkschaften: „V. Die Preisgestaltung aller Waren unterliegt zum Nachteil der Verbraucher in viel zu hohem Maße spekulativen Maßnahmen der Erzeuger und Händler. Die verschiedenartige Stellungnahme der Gerichte zu den Fragen des Wuchers und des sogenannten Wiederbeschaffungspreises, dazu die ausschließlich den Interessenten dienende Preispolitik der Kartelle erschweren die dringend notwendige Bekämpfung des Wuchers auf das äußerste. Ist die RReg. gewillt, die in Frage kommenden Rechtsgrundlagen so beschleunigt auszugestalten, daß eine wirklich durchgreifende Bekämpfung des Wuchers möglich wird?“, R 43 I /1493 , Bl. 68-70

Herr Baltrusch führte aus, daß es wohl für die Regierung von Vorteil sei, wenn sie sich vor Abgabe eines Reparationsplanes der Zustimmung der Kreise vergewissere, die nachher unter der Ausführung dieses Planes am meisten zu leiden haben würden. Im einzelnen sprach er den Wunsch aus, daß die Regierung bei Entlassung von Angestellten Hand in Hand mit den Gewerkschaften arbeite, auch versuche, bei dem Arbeitszeitgesetz eine Einigung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer herbeizuführen, ferner alles daranzusetzen, um den Luxusverbrauch und den Alkoholverbrauch einzuschränken. Auch die Gewerkschaften hätten das Bestreben, die Regierung zu stützen in der Frage der wirtschaftlichen Gleichberechtigung und der Herbeiführung eines endgültigen Abschlusses der Reparationsfrage.

Der Reichskanzler erwiderte, daß die Regierung selbstverständlich Rückendeckung durch das Volk brauche.

Reichsminister Dr. Luther führte noch aus, daß in Ernährungsfragen kaum noch Luxus in Betracht komme. Das Schankstättengesetz sei im Werden und es würde darin bestimmt, daß in jedem einzelnen Falle die Bedürfnisfrage zu[99] prüfen sei, dies sogar mit rückwirkender Kraft. Man hoffe, dadurch einer Menge Bars und Likörstuben die Konzession entziehen zu können13.

13

Am 12.1.23 wird der Entwurf des Schankstättengesetzes vom Kabinett angenommen (Dok. Nr. 41, P. 5).

Betreffend den Wucher könne er mitteilen, daß seitens des Reichswirtschaftsministeriums ein neuer Erlaß in Vorbereitung sei.

Herr Knoll sprach den Wunsch aus, daß bei den Wuchergerichten Laien zugezogen würden. Auch sei neuerdings eine Reichsgerichtsentscheidung herausgekommen, nach der zwar nicht der Wiederbeschaffungspreis einer Ware gefordert werden könne, jedoch ein der Geldentwertung entsprechender; das sei dasselbe wie der Wiederbeschaffungspreis14.

14

Im Bericht der ‚Vossischen Zeitung‘ über die Reichsgerichtsentscheidung vom 20. 12. wird demgegenüber betont, daß die Zubilligung eines Preisaufschlags aufgrund der Geldentwertung keineswegs die Anerkennung des Wiederbeschaffungspreises bedeute (R 43 I /1246 , Bl. 255).

Der Reichskanzler erklärte, der Wucher werde mit aller Kraft bekämpft werden. Wegen der erwähnten Reichsgerichtsentscheidung werde er sich mit dem Reichsjustizministerium in Verbindung setzen15.

15

Geschieht mit Schreiben vom 5.1.23 (R 43 I /1493 , Bl. 144).

Herr Schneider erklärte gleichfalls, daß eine solche Reichsgerichtsentscheidung tatsächlich bestehe. Im übrigen fürchte man in Gewerkschaftskreisen, daß der Plan der Regierung es der Industrie und Landwirtschaft ermöglichen werde, wie früher, auch jetzt die Reparationslasten abzuwälzen.

Herr Scaruppe hält ein scharfes Vorgehen gegen Schieber, eventuell durch Razzien, für erforderlich.

Der Reichskanzler erklärte, er werde dieserhalb mit dem Preußischen Ministerpräsidenten in Verbindung treten16.

16

Am 17. und 19.1.23 wird die Frage der Wucherbekämpfung im Beisein des PrMinPräs. im Kabinett erörtert (Dok. Nr. 47 und 49).

Punkt 3: Ist die Regierung bereit, die Ungerechtigkeiten des Reichseinkommensteuergesetzes, insbesondere für die Lohnsteuerpflichtigen, bei ihren in Arbeit befindlichen Ergänzungsentwürfen zum Einkommensteuergesetz auszugleichen17?

17

Formulierung der Gewerkschaften: „III. Das Reichseinkommensteuer-Gesetz in seiner heutigen Fassung hat zur schweren Benachteiligung aller vom Lohnabzug erfaßten Personen geführt. Ist die RReg. gewillt, die bereits angekündigte Reform so auszugestalten, daß die bisherige Bevorzugung der Selbstveranlager restlos beseitigt wird? Ist die RReg. weiter gewillt, im Hinblick auf die vervielfachend preissteigernde Wirkung der Umsatzsteuer und die dadurch aufs äußerste erschwerte Lebenshaltung der breiten Volksmassen auf die geplante weitere Erhöhung der Umsatzsteuer zu verzichten?“, R 43 I /1493 , Bl. 68-70

Zur Frage der Geldentwertung erklärte der Herr Reichskanzler daß eine entsprechende Vorlage dem Reichsrat vorgelegt worden sei18.

18

Der Gesetzentwurf über die Berücksichtigung der Geldentwertung in den Steuergesetzen war am 22. 12. vom Kabinett verabschiedet worden (Dok. Nr. 29). In einer Notiz des RFMin., die dem RK als Material für die Besprechung mit den Gewerkschaften zugestellt wurde, werden die Maßnahmen des neuen Gesetzentwurfes näher erläutert und erklärt, daß damit der Ungleichmäßigkeit in der Steuerbehandlung „soweit Rechnung getragen werden soll, als es nur irgendwie möglich ist.“ (R 43 I /1493 , Bl. 82-88, hier: Bl. 84).

Punkt 4: Welche Absichten hat die Regierung zur Bekämpfung der Wohnungsnot, insbesondere inwieweit will sie auf eine Kontrolle der Baustoffpreise hinwirken19?

19

Formulierung der Gewerkschaften: „IV. Die von Regierung und RT als notwendig erkannte Beschaffung von mindestens 150 000 Wohnungen droht trotz der vorgesehenen, wesentlichen Steigerung der Wohnungsbauabgabe an der ungeheuerlichen Preissteigerung aller Baustoffe, insbesondere für Holz, Ziegel, Kalk und Zement zu scheitern. Ist die RReg. bereit, den Wohnungsbau durch Maßnahmen zu unterstützen, die zur Verbilligung der Baustoffe durch Einflußnahme auf deren Produktion und Preisgestaltung führen, ist die RReg. insbesondere gewillt, die unerträglich gewordenen Verhältnisse auf dem Holzmarkt mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln und Maßnahmen zu ordnen?“, R 43 I /1493 , Bl. 68-70

[100] Hierzu verlas Staatssekretär Hamm eine Erklärung des zuständigen Reichsarbeitsministeriums20.

20

Am 28. 12. hatte die Abt. V des RArbMin. eine Stellungnahme zu Punkt IV vorgelegt. Danach sollen die Mittel für den Wohnungsbau in erster Linie aus der erhöhten Wohnungsbauabgabe fließen, daneben seien neue Reichszuschüsse vorgesehen. Zur Ermäßigung der Bauholzpreise hätten sich die meisten Landesregierungen bereiterklärt, Bauholz aus staatlichen Waldungen verbilligt abzugeben. Für die Kontrolle der Baustoffpreise sei im übrigen das RWiMin. zuständig (R 43 I /1493 , Bl. 79-81).

Herr Brost gab die Erklärung ab, daß die Erhöhung der Wohnungsbauabgabe auf 1500% nur gebilligt werden könne, wenn 2 Bedingungen erfüllt würden, nämlich, wenn kein freier Wohnungsmarkt eingeführt würde und eine gewisse Preiskontrolle auf dem Baustoffmarkt eintrete. Die Holzpreise seien auf das 10 – 15 000fache des Vorkriegspreises gestiegen. Das seien unerhörte Zustände. Hier könne nur ein Holzlieferungsverband helfend eingreifen.

Der Reichskanzler dankte in seinem Schlußwort den Herren für ihr Erscheinen und sprach den Wunsch aus, daß eine gemeinsame Pressenotiz herausgegeben würde.

Die Sitzung wurde darauf geschlossen.

Die Pressenotiz liegt in der Anlage bei21.

21

Die Pressemitteilung wurde am 29. 12. über WTB verbreitet. Die Reparationsfrage wird darin nicht erwähnt (R 43 I /1493 , Bl. 127).

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