2.45.1 (lut1p): [Frage der Ernennung eines besonderen Reichsministers für die besetzten Gebiete]

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Die Kabinette Luther I und II (1925/26), Band 1.Das Kabinett Luther I Bild 102-02064Reichspräsident Friedrich Ebert verstorben Bild 102-01129Hindenburgkopf Bild 146-1986-107-32AStresemann, Chamberlain, Briand Bild 183-R03618

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[Frage der Ernennung eines besonderen Reichsministers für die besetzten Gebiete]

Abg. Bayersdörfer begründete die Forderung sämtlicher in der Regierung zusammengeschlossener Parteien auf Ernennung eines besonderen Rheinministers. Anläßlich der Sitzung des Ausschusses der besetzten Gebiete in Köln1 sei dieser Beschluß gefaßt worden.

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Es handelt sich um den 16. Ausschuß des RT (Besetzte Gebiete), der am 26. 2. in besonderer Sitzung in Köln über die Notlage der Gemeinden im besetzten Gebiet beraten hatte. S. Dok. Nr. 21, P. 12 und Nr. 24, P. 3.

Der Reichskanzler betonte, daß der Schaffung dieser Stelle Gegengründe allgemein-politischer Art entgegenstünden. Außenpolitisch: unsere Feinde könnten aus dieser Maßnahme den Schluß ziehen, daß selbst Deutschland mit der Verewigung der Besetzung des Rheinlandes rechne. Innenpolitisch: gegenwärtiges Kabinett sei nach schwierigen Verhandlungen mit den in der Regierung zusammengeschlossenen Parteien zustande gekommen und das Zahlenverhältnis habe bei der Bildung des Kabinetts eine große Rolle gespielt. Es wäre vielleicht möglich, den vorgetragenen sachlichen Wünschen dadurch entgegenzukommen, daß nicht ein Rheinminister, wohl aber ein Staatssekretär im Rheinministerium ernannt werde. Einen diesbezüglichen Beschluß habe das Kabinett bereits gefaßt2; die Personenfrage sei zwar noch nicht geregelt, allerdings komme eine Besetzung dieser Staatssekretärstelle durch Herrn Generalkommissar Schmid für die Reichsregierung nicht in Frage.

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S. Dok. Nr. 38, P. 6.

Abg. Wallraf schilderte den historischen Werdegang des Rheinministeriums3 und betonte, daß der erreichte Zustand noch völlig unbefriedigend sei. Die Klagen am Rhein gingen dahin, daß in Berlin keine Hilfs- sondern umgekehrt Abwehrstellen für die Wünsche des besetzten Gebiets vorhanden seien. Der jetzige Plan der Reichsregierung, das Rheinministerium nach der etatsrechtlichen[165] Seite hin den anderen Ministerien gleichzustellen, genüge unter keinen Umständen, da dies ganz selbstverständlich sei. Er persönlich bedauere auch, daß die Reichsregierung anscheinend beabsichtige, an der Person des Herrn Schmid vorbeizugehen, da nach seiner Meinung das wenige, was überhaupt für das besetzte Gebiet erreicht sei, Herrn Schmid zu verdanken sei. Außenpolitische Bedenken habe er nicht. Frankreich habe auch ein Ministerium der befreiten Gebiete. Außerdem liege in der Ernennung eines besonderen Rheinministers gerade eine starke Betonung durch Deutschland, daß die Angelegenheiten des besetzten Gebiets bisher nicht vorwärts gekommen seien, und daß der Reichsregierung die Förderung der Rheinfragen ganz besonders angelegen sei.

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Das RMinbesGeb., errichtet bei Bildung des Kabinetts Stresemann im August 1923, wird seit Ausscheiden des RMbesGeb. Fuchs im November 1923 von Mitgliedern der RReg. nebenamtlich (bisher: RPM Höfle, RK Marx, RK Luther, RJM Frenken) verwaltet. Ständiger Stellvertreter des Ministers mit der Amtsbezeichnung „Generalkommissar des Reichs für Rhein und Ruhr“ ist seit August 1923 der ehemalige Bürgermeister von Düsseldorf, Karl Christian Schmid. Nachgeordnete Behörden des Ministeriums sind: 1) das Reichskommissariat für die besetzten rheinischen Gebiete, 2) die Reichsvermögensverwaltung für die besetzten rheinischen Gebiete, 3) die Reichsentschädigungsstelle für Ausgewiesene von Rhein und Ruhr.

Abg. Kalle: Nach seiner Meinung habe man im besetzten Gebiet vielfach die Auffassung, daß man die Verhältnisse in Berlin zu günstig ansehe. Er müsse deshalb für seine Partei verlangen, daß die Wünsche des besetzten Gebiets mit allem Ernst behandelt würden, insbesondere müsse er lebhaft bedauern, daß für die Besetzung der Staatssekretärstelle Herr Generalkommissar Schmid nicht in Frage kommen solle. Vielleicht sei hierüber das letzte Wort noch nicht gesprochen.

Abg. Blum: Am Rhein herrsche eine gedrückte Stimmung, insbesondere wirtschaftlicher Art. Diese Stimmung würde nicht dadurch gehoben, daß das Rheinministerium ganz allgemein nur als Briefträgerministerium ohne jeden sachlichen Einfluß betrachtet würde. Diesem Zustand müsse abgeholfen werden, daher unterstütze er dringend die vorgetragenen Wünsche.

Der Reichskanzler Der soeben erwähnte Gedanke, das Rheinministerium sei nur ein Briefträgerministerium, sei wohl zum mindesten etwas einseitig. Denn gerade er als früherer Reichsfinanzminister wisse genau, daß alle einschlägigen Fragen nur im engen Einvernehmen mit dem Rheinministerium behandelt worden seien. Auf der anderen Seite liege es aber in der Natur der Sache, daß ein solches regionales Ministerium genötigt sei, stets zu vermitteln. Denn bei der Struktur unseres Staatswesens sei ein regionales Ministerium etwas absonderliches gegenüber der sonstigen Einteilung in Fachressorts.

Abg. Bayersdörfer betonte nochmals seinen vorgetragenen Gesichtspunkt. Mit der Ernennung eines Staatssekretärs könnte man sich nicht zufriedengeben. An einen oder zwei Staatssekretäre hätte auch er gedacht, daneben müßte er aber auch den Minister verlangen. Vielleicht käme auch eine organische Verbindung mit dem Reichskommissariat in Koblenz4 in Frage. Außen- und innenpolitische Bedenken hätte er nicht. Gegenüber den vorgetragenen rein sachlichen Gesichtspunkten dürften Fragen der Arithmetik bei Bildung des Kabinetts keine Rolle spielen.

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Das Reichskommissariat hatte bis zur Ausweisung des Reichskommissars Fürsten Hatzfeldt (17.4.23) die Belange des besetzten Gebiets gegenüber der Irko vertreten. Zur Wiedereinsetzung eines Reichskommissars im November 1925 s. Anm. 16 zu Dok. Nr. 223.

Abg. Wallraf: Auch er könne keine innenpolitischen Schwierigkeiten sehen. Er spreche allerdings nur für seine Person, müsse aber bei der großen Bedeutung der Angelegenheit betonen, daß er persönlich mit jedem tüchtigen Mann einverstanden sei, der geeignet erscheine, das Rheinministerium als Minister[166] zu verwalten. Es müsse eine energische Persönlichkeit sein, die insbesondere auch in der Lage sei, den Kampf mit dem Reichsfinanzministerium energisch zu führen.

Der Reichskanzler dankte abschließend den Herren für die Übermittlung der Wünsche des besetzten Gebiets. Eine Stellung könne er selbstverständlich noch nicht einnehmen, verspreche aber hiermit, die Angelegenheit sofort im Reichskabinett zur Sprache zu bringen und sodann mit den Fraktionen, die das Kabinett trügen, in Verbindung zu treten5.

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Zum Fortgang s. Dok. Nr. 52.

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