1.146.3 (lut2p): [Eintritt in den Völkerbund, Ratssitzfrage]

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Die Kabinette Luther I und II (1925/26), Band 2.Das Kabinett Luther I Bild 102-02064Reichspräsident Friedrich Ebert verstorben Bild 102-01129Hindenburgkopf Bild 146-1986-107-32AStresemann, Chamberlain, Briand Bild 183-R03618

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RTF

[Eintritt in den Völkerbund, Ratssitzfrage]

Der Reichswehrminister betonte, daß es ihm zweckmäßig erscheine, auf Grund der der Reichskanzlei vorliegenden neuen Telegramme aus Genf den Herren Ministern Gelegenheit zu geben, sich zur Lage zu äußern, ohne daß man heute zu einem Beschluß in irgendeiner Form komme.

Ministerialdirektor Dr. Pünder verlas dann die Telegramme Nr. 30 und 33 – s. Anlage –1.

1

Telegramme Luthers (Nr. 30) und Kempners (Nr. 33) aus Genf vom 14. bzw. 15. 3., beide gerichtet an das Büro des RPräs., an Pünder und Köpke. Luther berichtet über eine Besprechung mit der schwedischen Delegation (14. 3.), die erklärt habe, sie wolle ihrer Reg. ein sofortiges Ausscheiden Schwedens aus dem Rat empfehlen, damit ohne Vermehrung der Ratssitze ein Platz für Polen frei werde. „Als Grund für diese Tatsache ganz veränderter Stellungnahme wurde angegeben, Schweden sähe ohne einen solchen Entschluß seinerseits den Zusammenbruch des Völkerbundes mit nachteiligen Folgen auch gerade für Deutschland. Frankreich habe nun einmal Polen einen Ratssitz versprochen und Briands Haltung in allen Ratsbesprechungen lasse keinen Zweifel darüber, daß Frankreich lieber den Bruch oder die Vertagung der ganzen Angelegenheit einschließlich Abstimmung über unseren Eintritt in den Bund und Rat auf die Herbstsitzung sehen würde als die Nichteinlösung seines Versprechens an Polen.“ (R 43 I /1410 , Bl. 125-131). Der Schlußteil dieses Telegramms, in dem Luther u. a. mitteilt, daß die schwedische Delegation deutscherseits auf die Vergeblichkeit eines solchen Opfers hingewiesen worden sei, ist abgedr. in: ADAP, Serie B, Bd. I,1, Anm. 4 zu Dok. Nr. 160. – In Kempners Telegramm heißt es u. a.: Am Nachmittag des 14. 3. habe Lampson bei einer Unterredung mit v. Schubert den Gedanken geäußert, „es könnten ja gleichzeitig mehrere Ratsmitglieder jetzt freiwillig ausscheiden und durch andere Mächte ersetzt werden. Die Äußerung Lampsons konkretisierte sich dahin, Schweden und Tschechien [!] könnten ausscheiden und Polen und etwa Holland nachfolgen.“ Kempner fährt fort: „Abends erscheint nach Anmeldung Briand bei Stresemann, der in längeren Ausführungen den Tausch Schweden-Polen als unmögliche Lösung darlegt, wobei er namentlich hervorhebt, daß so anstelle des neutralen Schweden ein Bundesgenosse Frankreichs in den Rat einziehen würde. Im weiteren Verlauf der Unterhaltung brachte Stresemann das Gespräch auf den Lampson’schen Gedanken des gleichzeitigen Ausscheidens mehrerer nichtständiger Ratsmitglieder. Briand erklärte diesen Gedanken zunächst für sehr erwägenswert und äußerte gegen Schluß der Unterredung sogar, daß er ihm recht sympathisch erschiene. Auf seine Frage, wie Benesch sich dazu stellen würde, erwiderte Stresemann, das wisse er nicht, er habe mit niemandem über diese neueste Anregung gesprochen. Briand ging offensichtlich mit der Absicht fort, nun seinerseits mit Benesch zu reden.“ (R 43 I /1410 , Bl. 130 f.).

[1208] Es entspann sich hiernach eine Debatte, die folgendes Bild ergab:

Die Minister Külz, Curtius und Stingl gaben ihrer Auffassung dahin Ausdruck, daß die Delegation von den gegebenen Richtlinien2 in keiner Weise abweichen solle und daß insbesondere eine Veränderung der Mitglieder des Völkerbundsrats vor Eintritt Deutschlands nicht stattfinden dürfe. Demgegenüber ging die Ansicht der Minister Geßler und Marx dahin, daß gegen Veränderungen in der Zusammensetzung des Völkerbundsrats, die sich innerhalb der Satzungen des Völkerbundes vollzögen, Deutschland getreu den Richtlinien keinen Widerspruch erheben könne; wohl könne sich Deutschland gegen eine Erweiterung der Ratssitze wehren.

2

Vgl. Dok. Nr. 309, P. 2.

Staatssekretär Meissner gab als Auffassung des Reichspräsidenten folgendes bekannt:

Der Herr Reichspräsident stehe auf dem Standpunkt, es sei wünschenswert, daß Polen überhaupt nicht in den Rat käme. Wenn dies aber nicht zu vermeiden wäre, so scheine ihm die in dem Telegramm vorgesehene erste Lösung, daß nämlich Schweden ausscheide und durch Polen ersetzt werde, nicht möglich, wohl aber die zweite, daß mehrere Mitglieder ihre Sitze räumten und eine Neuwahl stattfände.

Staatssekretär Meissner bat, diese Auffassung des Herrn Reichspräsidenten nach Genf weiterzugeben.

Das wurde von dem Herrn Reichswehrminister zugesagt.

Die Reichskanzlei wird ein Stimmungsbild nach Genf übermitteln3.

3

Pünder teilt Grävell (Genf) unmittelbar nach dieser Ministerbesprechung telefonisch mit: Das Kabinett würde es begrüßen, „wenn die Delegation für den Fall, daß sie tatsächlich von den in Berlin beschlossenen Richtlinien abweichen zu müssen glaubt, vorher mit dem Kabinett Fühlung aufnimmt“. Der RPräs. habe erklärt, der Tausch Schweden-Polen sei „völlig unerträglich“, doch könnte „die Kombination Schweden-Polen, Tschechoslowakei-Holland ertragen und von ihm mitgemacht werden“ (Aufzeichnung Grävells vom 15. 3. in R 43 I /487 , Bl. 292).

[…]

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