2.45 (ma11p): Nr. 45 Der Reichskanzler an den Präsidenten des Reichstags. 2. Januar 1924

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[186] Nr. 45
Der Reichskanzler an den Präsidenten des Reichstags. 2. Januar 19241

1

Die Absendung des Schreibens wurde in der Kabinettssitzung vom 31.12.23 beschlossen (Dok. Nr. 43, P. 1). Veröffentlicht durch WTB und als RT-Drucks. Nr. 6412, Bd. 380 .

R 43 I /2333 , Bl. 13 Abschrift

Betreff: Gewährleistung von Wahlfreiheit.

Die Entschließung des 22. (Rechts-) Ausschusses wegen Gewährleistung der Wahlfreiheit2 beehre ich mich namens der Reichsregierung wie folgt zu beantworten:

2

S. Dok. Nr. 42, Anm. 6.

Das nach einer Entscheidung des Staatsgerichtshofs zum Schutze der Republik grundsätzlich zulässige Verbot politischer Parteien3 hat nach Auffassung der Reichsregierung immer nur als Verbot von Vereinen oder Vereinigungen Inhalt und Bedeutung. Es untersagt lediglich die äußere Betätigung des organisierten Zusammenschlusses derjenigen, die der verbotenen Partei angehören, hindert dagegen nicht, der politischen Gesinnung durch Wahl bestimmter Bewerber für parlamentarische Körperschaften Ausdruck zu geben.

3

S. das Urteil des Staatsgerichtshofs zum Schutz der Republik vom 15.2.23 zum Verbot der NSDAP, in Deuerlein, Der Hitlerputsch, Dok. Nr. 283; Auszug in Huber, Dokumente zur dt. Verfassungsgeschichte, Bd. 3, Dok. Nr. 249.

Der Artikel 125 der Reichsverfassung gewährleistet Wahlfreiheit und Wahlgeheimnis nach den näheren Bestimmungen der einzelnen Wahlgesetze. Dieses Grundrecht der Reichsverfassung kann auch durch eine Maßnahme auf Grund des Artikel 48 der Reichsverfassung nicht außer Kraft gesetzt werden. Aus dem Grundsatz der Wahlfreiheit ergibt sich, daß das Verbot einer Organisation nicht die Wirkung haben kann, wahlberechtigte Personen, welche die von der Organisation vertretene politische Anschauung teilen, in der Ausübung ihres Wahlrechts oder an der Vorbereitung der Wahl zu hindern. Personenmehrheiten, die vorübergehend zusammentreten, um im Auftrage von Wahlberechtigten Vorbereitungen für bestimmte Wahlen zu den auf Gesetz oder Anordnung von Behörden beruhenden öffentlichen Körperschaften zu treffen, werden daher vom Tage der amtlichen Bekanntmachung des Wahltages bis zur Beendigung der Wahlhandlung durch das Verbot einer politischen Partei nicht betroffen, soweit sie sich auf diese Aufgabe beschränken. Entsprechendes gilt für Versammlungen der Wahlberechtigten zur Betreibung der Wahlen, sofern es sich um reine Wählerversammlungen handelt. Dabei bleibt aber die Befugnis des Inhabers der vollziehenden Gewalt unberührt, Versammlungen aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu verbieten.

Die nach der Verfassung im Falle des Ausnahmezustandes zulässigen Beschränkungen der Pressefreiheit können auch in einer Genehmigungspflicht für Flugblätter bestehen. Dabei soll während der Wahlzeit die Genehmigung nur dann versagt werden, wenn nach dem Inhalt des Flugblattes auf einen gewaltsamen Umsturz der Verfassung hingewirkt wird.

gez. Marx

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