1.16.1 (ma12p): [Beantwortung der Note der Botschafterkonferenz vom 28.5.24 betr. Militärkontrolle.]

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[Beantwortung der Note der Botschafterkonferenz vom 28.5.24 betr. Militärkontrolle.]

Reichswehrminister Die übersandte schriftliche Äußerung des Auswärtigen Amts3 betrachte die Frage nur vom außenpolitischen Gesichtspunkt aus. Er bitte, daß General v. Seeckt sich über die Gesamtfrage äußere.

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Promemoria des AA zur Militärkontroll-Note der Botschafterkonferenz vom 28. 5. (Dok. Nr. 226).

General v. Seeckt: Die letzten Verhandlungen über die Militärkontrollfrage4 haben allseitig unter dem Motto gestanden: Wir geben die Kontrollhandlung noch einmal zu, dann aber sei Schluß. Diese Annahme, daß dies wirklich die letzte Forderung auf Vornahme von Kontrollhandlungen sein werde, habe uns getrogen. Auch diesmal fehle eine formelle unbedingte Zusage, daß dies die letzte Kontrollhandlung sein solle. Das von uns verlangte Opfer gehe über die Bestimmungen des Vertrages von Versailles hinaus und es werde uns keinerlei Gegenleistung geboten. Seines Erachtens stehe der Dawes-Plan in keinem Zusammenhang mit der Militärfrage und werde auch bei Ablehnung der Note des Botschafterrats zustande kommen.

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Vgl. die Ministerbesprechung vom 8.1.24 über die Beantwortung der Note der IMKK vom 30.12.23 (Dok. Nr. 50).

Er, General v. Seeckt, stehe auch heute noch zu dem letztmals von der Reichsregierung ausgesprochenen Nein. Erneute Kontrollhandlungen könnten der Armee nicht mehr zugemutet werden. Die Folgen seien ihm klar. Er glaube aber nicht, daß auch durch die jetzige Zustimmung die Kontrollkommission aus dem Lande herauszubringen sei. Dies sei seines Erachtens vielmehr nur dadurch möglich, daß wir den Kontrollforderungen Widerstand entgegensetzten.

Die Frage sei, ob man um ein klares Ja oder Nein im jetzigen Zeitpunkt herumkomme. Er sei zum Nein entschlossen. Gleichgültig sei ihm, ob dieses Nein im Juni oder August gesprochen werde. Sei das Nein zur Zeit politisch unerwünscht, so habe er gegen eine zunächst dilatorische Behandlung nichts einzuwenden, wozu die Möglichkeit beispielsweise durch Rückfrage über die Bedeutung der Generalinspektion gegeben sei. Wenn das Auswärtige Amt also eine Zwischenlösung wünsche, so halte er dafür einen Weg für möglich. Lehne[727] das Auswärtige Amt eine Zwischenlösung ab, so sei von ihm nur ein Nein zu erwarten.

Reichskanzler Er könne der Auffassung nicht zustimmen, daß das Gutachten auch dann sicher zum Erfolg führe, wenn wir in der Kontrollfrage uns ablehnend verhielten. Auch die Hereinbringung von Krediten würde dann äußerst erschwert sein. Eine Hinauszögerung der Kontrollfrage erscheine ihm erwünscht, wenn sie politisch möglich sei.

Reichsminister des Auswärtigen Eine dilatorische Antwort erscheine ihm jetzt nicht möglich. Antworteten wir dagegen grundsätzlich mit Ja, so sei ein Aufschub der Kontrollhandlungen vielleicht erreichbar.

Wenn auch der General v. Seeckt mit seiner Ansicht, daß das Sachverständigengutachten an einer Ablehnung der Militärkontrolle nicht scheitern würde, recht behielte, so würde im Falle unseres Nein die französische Regierung bestimmt die Sicherheitsfrage aufwerfen, die dann ungeheuer erschwert würde. Er frage den General v. Seeckt, ob es für das Reichswehrministerium eine Erleichterung bedeuten würde, wenn eine Erklärung der Gegenseite erzielt würde, daß die Generalinspektion zeitlich fest beschränkt würde. Die Belgier seien der Ansicht, daß im Falle unserer Annahme in spätestens 3 Monaten die Kontrolle vollständig beendet sein würde. Lord D’Abernon habe in dieser Beziehung von nur 8 Wochen gesprochen. Diese Haltung der Ausländer sei auch zu verstehen; denn nach Inkrafttreten des Gutachtens müßte das Ausland die Kosten der Kontrolle tragen5.

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S. Dok. Nr. 226, Anm. 10.

General v. Seeckt: Gewiß würde eine klare Endbefristung der Kontrolle eine Erleichterung bedeuten. Dazu müsse aber ferner treten, daß die gegnerische Kontrolle nicht mehr in Verbindung mit unserer Truppe trete.

Was die Sicherheitsfrage anbelange, so würde diese trotz aller Entwaffnung bestehen bleiben; denn sie sei ein Grundstück der Jahrhunderte alten und konstanten französischen Politik. Aus diesem Grunde vermöge er auch nicht an eine Räumung der Ruhr zu glauben.

Reichsminister des Auswärtigen Er trage Bedenken, vor dem 30. Juni unter der Hand die ausländischen Mächte zu fragen, wie sie sich zu den Vorschlägen Seeckts stellten. Er würde dann vielmehr vorziehen, die Antwort mit den Seecktschen Bedingungen sofort zu geben.

Gesandter Moraht: Der Engländer, Oberst Wauchope6, würde für den Seecktschen Standpunkt wahrscheinlich Verständnis aufbringen.

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Chef der brit. Sektion in der IMKK.

General v. Seeckt: Er stimme dem Außenminister bei, daß das, was er ausgeführt habe, sofort die offizielle Antwort sein müsse; eine vorherige anfrage unter der Hand würde sich keinesfalls empfehlen.

Reichsminister des Auswärtigen stimmt dieser Ansicht zu. Gleichzeitig mit der Antwort müßten unsere Missionen instruiert werden. Bevor er sich aber bindend zu dem Vorschlage des Generals v. Seeckt äußere, müsse er sich mit seinem Amt beraten.

[728] Reichswehrminister Das Ergebnis der heutigen Besprechung sei also, daß das Auswärtige Amt erwägen würde, durch eine Note die Forderungen der Gegner mit den Einschränkungen des Generals v. Seeckt anzunehmen.

Reichsminister des Auswärtigen Der Vollständigkeit halber wolle er noch sagen, daß Lord D’Abernon ihm als theoretische Möglichkeit hingestellt habe, die Note anzunehmen unter der Bedingung, daß die Kontrollmaßnahmen durch den Völkerbund vorgenommen würden. Wie stelle sich das Wehrministerium hierzu?

General v. Seeckt: Dies wäre eine gewisse Erleichterung, aber eine General- kontrolle des Völkerbundes sei im Vertrag nicht vorgesehen.

Reichswehrminister Er sehe in diesem Vorschlage eine Gefahr, denn es würde dann ein Vorgang geschaffen, der sich ständig wiederholen könnte.

Hierauf wurde die Fortsetzung der Sitzung auf Montag, den 23. Juni 1924, nachm. 5 Uhr vertagt7.

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Ein Protokoll dieser Besprechung konnte in den Akten der Rkei nicht ermittelt werden. Stresemann notiert am 23. 6.: „Verhandlungen mit Seeckt über Militärkontrolle. Situation sehr gefährdet. Sackgasse.“ (Stresemann, Vermächtnis I, S. 441). Zum Fortgang s. die Ministerbesprechung vom 25. 6. (Dok. Nr. 234).

Am 22. 6. schreibt der hess. StPräs. Ulrich aus Darmstadt an den RK: Aus Berlin habe er die Nachricht erhalten, „daß die RReg. beabsichtige, die Militärkontrollnote der all. Mächte [vom 28. 5.] in wichtigen Punkten abschlägig zu bescheiden. Als wesentlicher Grund wurde die Haltung der Reichswehr angegeben. Im Zusammenhang damit wurde mitgeteilt, daß der Chef der Heeresleitung an den bekannten Gedankengängen festhalte […].“ Er, Ulrich, müsse namens der hess. Reg. nachdrücklich darauf hinweisen, „daß die Not der besetzten Gebiete einen baldigen politischen Ausgleich, dessen Aussichten auch die Bevölkerung der besetzten Gebiete bei der augenblicklichen politischen Lage für besonders günstig ansieht, dringend fordert. Daß eine ablehnende Haltung der RReg. in der Frage der Militärkontrolle die bevorstehenden Verhandlungen über das Sachverständigen-Gutachten auf das schwerste gefährden kann, liegt auf der Hand. Da es sich bei der Frage der Militärkontrolle nicht um eine Lebensfrage des dt. Volkes handelt, dürfen durch eine ablehnende Haltung in dieser Frage die Verhandlungen in einer wirklichen und außerordentlich dringenden Lebensfrage Deutschlands nach meiner Auffassung nicht ohne zwingenden Grund von Anfang an so belastet werden, daß sich die Aussichten für eine glückliche Lösung von vornherein erheblich verschlechtern.“ (R 43 I /417 , Bl. 29f).

Am 24. 6. teilt MinR Sperr von der bayer. Gesandtschaft den Standpunkt des bayer. Außenmin. zur Militärkontrollfrage mit: „man solle trachten, die wirtschaftlichen Bestimmungen des Dawes-Gutachtens mit der Frage der Militärkontrolle zu verknüpfen und gleichzeitig zu behandeln. Falls dies jetzt nicht möglich sei und die Militärkontrolle vorher erledigt werden müsse, so erhebe Bayern keinen Widerspruch gegen die Zulassung der Generalinspektion. Es müsse aber unter allen Umständen unser Rechtsstandpunkt in dieser Frage ausdrücklich aufrecht erhalten und die Generalinspektion auf zwei Monate Frist begrenzt werden. Bezüglich der fünf Spezialpunkte sei Bayern für Verharren auf dem Standpunkt der Völkerbundskontrolle.“ (Vermerk Kempners vom 24. 6., R 43 I /417 , Bl. 28).

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