1.67.1 (ma12p): Londoner Konferenz.

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Text

RTF

Londoner Konferenz.

Der Reichskanzler berichtete über die Konferenz im allgemeinen.

Die Berichterstattung im einzelnen und die Besprechung der Ergebnisse soll erst stattfinden, wenn eine im Auswärtigen Amt in Bearbeitung befindliche Zusammenstellung der Ergebnisse1 vorliegt.

1

S. die als Dok. Nr. 283 abgedruckte Aufzeichnung „Kurzer Überblick über die Ergebnisse der Londoner Konferenz“.

Der Vizekanzler wiederholte – zugleich im Namen der Kabinettsmitglieder – den bereits bei der Ankunft auf dem Bahnhof zum Ausdruck gebrachten Glückwunsch und Willkommensgruß. Er betonte, daß das gegenseitige Vertrauensverhältnis[973] während der Konferenz bestehen geblieben sei, und er hoffe, daß auch die Delegation die Überzeugung gehabt habe, daß das zurückgebliebene Rumpfkabinett dieses Vertrauen uneingeschränkt der Delegation entgegengebracht habe. Die Entschließung am Freitag morgen [15. 8.] sei dem Kabinett sehr schwer geworden2; es sei eine Entscheidung gewesen, die auf Vertrauen beruhte. Sie sei aber gleichzeitig ein sachlicher Entschluß gewesen, hinter dem jetzt noch das Kabinett stehe, und er sei der Auffassung, daß damit für das Vaterland das Richtige getan worden sei.

2

S. Dok. Nr. 276.

Der Reichskanzler dankte im Namen der Delegation für die Worte des Vizekanzlers und ging im Anschluß daran näher auf die kritischen Stunden der Konferenz ein. Unter den obwaltenden Umständen sei es nicht möglich gewesen, mehr herauszuholen. Es bestand nur noch die Möglichkeit, anzunehmen oder die Konferenz zu sprengen. Im lezteren Fall wäre Deutschland das am meisten geschädigte Land gewesen. Die ganze Welt hätte sich wieder gegen uns verbunden.

Der Reichswehrminister schlug geschäftsordnungsmäßig vor, zunächst über den Modus procedendi in den nächsten Tagen zu verhandeln.

Dem Vorschlag wurde zugestimmt.

Der Reichsaußenminister gab der Meinung Ausdruck, daß so schnell als möglich mit der Behandlung der Gesetze3 im Reichsrat und Reichstag verfahren werden sollte. Der Auswärtige Ausschuß solle vorher die Fragen stellen, deren Behandlung im Plenum nicht wünschenswert erscheine. Es möchte vermieden werden, daß die Gesetze an Kommissionen verwiesen würden. Die Behandlung im Reichstag müsse sich auf eine große Debatte beschränken, die mit Abstimmung ende. Dazu müsse das Plenum am Donnerstag [21. 8.] oder spätestens Freitag zusammentreten. Das Hinhalten sei besonders mit Rücksicht auf die Stellung Herriots, der dadurch zum Sturz kommen könne, bedenklich.

3

Gesetze zur Durchführung des Sachverständigen-Gutachtens.

Der Reichskanzler erklärte sich mit den Ausführungen des Reichsaußenministers einverstanden.

Der Vizekanzler wies darauf hin, daß vor Erledigung der Gesetze im Reichsrat die Abfindungsfrage der Länder4 erledigt werden müsse. Vorher würden wir kein Votum im Reichsrat zustande bringen. Donnerstag abend könnten dann die Gesetze dem Reichstag vorgelegt werden. Um eine Ausschußüberweisung werde man nicht herumkommen. Spätestens am Mittwoch nächster Woche [27. 8.] müsse mit der zweiten und dritten Lesung begonnen werden.

4

Abfindung für die Übertragung der Länderbahnen auf das Reich.

Der Reichsernährungsminister sprach sich dagegen aus, daß die Regierung eine Erklärung im Plenum abgebe, bevor die Gesetze dem Reichstag vorgelegt seien. Es genüge, wenn die erste Lesung der Gesetze am Sonnabend stattfinde.

Der Reichswirtschaftsminister wies darauf hin, daß auch der Reichswirtschaftsrat noch eingeschaltet werden müsse. Dies werde aber keine Hemmung, sondern eher eine Förderung darstellen, da der Reichswirtschaftsrat wahrscheinlich[974] mit überwältigender Mehrheit für die Gesetze stimmen werde5. Am Freitag dieser Woche [22. 8.] trete auch die Industrie zur Beratung zusammen6. Er erhoffe davon einen günstigen Einfluß auf den Reichstag. Die Ausschußüberweisung sei vielleicht zweckmäßig mit Rücksicht auf die kleineren Gesetze (Privatnotenbankgesetz und Industriebelastungsgesetz), an denen Änderungen vom Reichstag vorgenommen werden könnten. Die Beratung der Gesetze im Reichstag könne am Sonnabend beginnen, am Freitag vorher könne die Regierung ihre Erklärung abgeben. Wenn bis dahin die Gesetze noch nicht vorlägen, so erscheine ihm das nicht bedenklich.

5

Am 23. 8. stimmen der wirtschafts- und finanzpolitische Ausschuß des RWiR den Gesetzentwürfen zur Durchführung des Sachverständigen-Gutachtens zu. Vgl. Hauschild, Der vorläufige Reichswirtschaftsrat 1920–1926, S. 133 f.

6

In einer gemeinsamen Sitzung der Vorstände des RdI, des Dt. Industrie- und Handelstages sowie des Wirtschaftsausschusses der besetzten Gebiete am 22. 8. in Berlin wird mit 100 gegen 3 Stimmen eine Entschließung angenommen, in der die Annahme des Londoner Abkommens über das Sachverständigen-Gutachten empfohlen wird. Vgl. DAZ Nr. 396 vom 23. 8.

Der Reichsminister für die besetzten Gebiete wies darauf hin, daß in der Öffentlichkeit noch sehr wenig bekannt sei von dem, was auf wirtschaftlichem Gebiet erreicht worden sei. Er halte es für notwendig, hier Aufklärung zu geben. Ferner glaube er, daß es sehr zweckmäßig wäre, die Herren der besetzten Gebiete nach Berlin kommen zu lassen.

Der Reichswehrminister sprach sich ebenfalls dafür aus. Im übrigen müsse man sich überlegen, was zu tun sei, falls die Deutschnationalen nicht zustimmten. Den Gedanken der Reichstagsauflösung müsse man wohl zurückstellen, dagegen sei der Gedanke des Volksentscheides schnell zu klären.

Der Reichsarbeitsminister wünschte dadurch die zunächst notwendige Arbeit nicht verzögert zu sehen. Man müsse sich voll und ganz darauf einstellen, die Gesetze im Reichstag durchzubringen. Am Freitag mindestens müsse die Regierung ihre Erklärung abgeben. In der Öffentlichkeit solle möglichst wenig über die erreichten Vorteile gesprochen werden, dadurch werde nur die Stellung Herriots erschüttert.

Der Reichsernährungsminister teilte mit, daß er die Spitzenorganisationen der Landwirtschaft zu sich bitten wolle, um ihnen auseinanderzusetzen, was für die Landwirtschaft im Falle der Ablehnung der Londoner Beschlüsse bevorstände. Man müsse jetzt die Verantwortung auf die Führer der Wirtschaftsverbände abtragen.

Der Reichsminister des Innern und Staatssekretär Joel äußerten sich über den Volksentscheid.

Der Reichsminister der Finanzen erklärte, die Reichsregierung dürfe sich von den Ländern die Abfindungssumme nicht abpressen lassen. Er halte es für ausgeschlossen, über seinen Vorschlag, den er den Ländern bereits gemacht habe, im Prinzip hinauszugehen.

Der Reichsminister des Auswärtigen empfahl, zunächst einmal die Parteiführer zu hören, die für Nachmittag geladen seien7, dann könne man sich[975] erneut über das Vorgehen unterhalten und die erforderlichen Beschlüsse fassen.

7

Eine Aufzeichnung über diese Parteiführerbesprechung war in den Akten der Rkei nicht zu ermitteln.

Das Kabinett stimmte dem Vorschlag zu.

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