1.217 (mu22p): Nr. 473 Der Reichsbankpräsident an den Reichskanzler. 13. März 1930

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Nr. 473
Der Reichsbankpräsident an den Reichskanzler. 13. März 1930

R 43 I /671 , Bl. 253 f., hier: Bl. 253 f.

[Betrifft: Generalrat der Reichsbank.]

Sehr geehrter Herr Reichskanzler!

Gemäß § 14 des neuen Bankgesetzes, welches gestern im Reichstag endgültig angenommen worden ist, besteht der Generalrat der Reichsbank künftig aus 10 Mitgliedern, die die deutsche Reichsangehörigkeit besitzen1. Hiernach scheiden die ausländischen Mitglieder des Generalrates aus und es verbleiben im Generalrat nur die 7 deutschen Mitglieder, so daß eine Erhöhung auf 10 Mitglieder stattzufinden hat. Gemäß § 16 des gleichen Bankgesetzes hat vor der Wahl durch den Vorsitzenden des Generalrats oder durch seinen Stellvertreter eine Fühlungnahme mit der Reichsregierung stattzufinden2. Ein Stellvertreter des Vorsitzenden war bisher nicht vorgesehen. Die Erfahrung der letzten fünf[1567] Jahre hat ergeben, daß ein solcher dringend erwünscht ist. Aus diesem Grunde und insbesondere auch, um die Kontinuität in den Verhandlungen und in der Leitung des Generalrates sicherzustellen, beehre ich mich im Einverständnis mit meinem Herrn Nachfolger3, der am 3. April d. J. sein Amt antritt, den jeweiligen Vizepräsidenten des Reichsbankdirektoriums auch für den Generalrat vorzuschlagen. Da die Wahl in den Generalrat zunächst in der Form der Zuwahl durch die vorhandenen Mitglieder erfolgt, die dann in der nächsten Generalversammlung der Anteilseigner der Reichsbank einer Bestätigung durch die Anteilseigner unterliegt, so beehre ich mich ebenfalls im Einverständnis mit meinem Herrn Nachfolger, um dem vorerwähnten § 16 zu genügen, in der Anlage eine Liste von Namen aufzustellen, aus denen seitens des Reichsbankpräsidenten dem Generalrat vorgeschlagen werden wird, die Zuwahlen vorzunehmen. Diese Liste ist aus der Erwägung heraus aufgestellt, daß es in Zukunft nützlich sein wird, wofür das neue Bankgesetz die Möglichkeit bietet, nicht lediglich Vertreter des Bankgewerbes in den Generalrat zu wählen, sondern auch Vertreter der übrigen Wirtschaft zu berücksichtigen4.

1

Siehe RGBl. 1930 II, S. 133 .

2

Siehe RGBl. 1930 II, S. 133 /135.

3

Luther war am 11. 3. zum RbkPräs. gewählt worden.

4

Die Liste enthält die Namen der bisherigen Mitglieder des Generalrats: Hagen, v. Mendelssohn, Remshard, Urbig, Warburg, Wassermann. Daneben mit Rotstift: „Melchior?“ Weitere Kandidaten waren: Andreae, Goldschmidt, Nathan, v. Schwabach, Bosch, Bücher, Flick, Krupp v. Bohlen und Halbach, Poensgen, Reusch, Schmitz (I.G. Farben), Springorum, Thyssen, Vögler, Cuno, Ravené, Stimming, Witthoeft. Daneben unter stenogr. Notizen handschriftlich: „Bästlein, Everling“. Die letzten Namen auf der Kandidatenliste waren: Brandes, v. Flemming, v. Loé, v. Wilmowski.

Aus der gleichen Liste beabsichtigt mein Herr Nachfolger seine für den Verwaltungsrat der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich zu bestimmenden Vertrauensmänner auszuwählen. Dabei soll nach Möglichkeit der Grundsatz berücksichtigt werden, daß keine Doppelämter bei Besetzung der Stellungen an den beiden Banken stattfinden sollen. Sollte demnach die Wahl meines Herrn Nachfolgers für ein Amt bei der Internationalen Bank auf ein jetziges Mitglied des Generalrates fallen, so wäre in Aussicht zu nehmen, daß der Betreffende damit aus dem Generalrat der Reichsbank ausscheidet und seine Ersetzung durch einen anderen Herrn aus der anliegenden Vorschlagsliste erfolgen würde.

Ich beehre mich im Einverständnis mit meinem Herrn Nachfolger die Bitte auszusprechen, mir mitzuteilen, ob gegen die Namen der anliegenden Kandidatenliste dortseits Bedenken bestehen und ob die Regierung die Liste durch Benennung anderer Persönlichkeiten und gegebenenfalls welche, zu erweitern wünscht.

Mit Rücksicht darauf, daß ich bei den Besprechungen in Rom die Namhaftmachung der zu bestimmenden Kandidaten für die Internationale Bank innerhalb von drei Tagen nach der Ratifizierung des Haager Protokolls in Aussicht gestellt habe, wäre ich für eine möglichst umgehende Entscheidung dankbar5.

5

Neben der Anrede des Schreibens hatte Pünder notiert: „Zur Sitzung des Rep. Kränzchens am 14.3.11 Uhr v.“ Dazu teilte Pünder am 15. 3. Schacht mit: Nachdem der RK die Liste im Kreis der zuständigen Ressorts zur Erörterung gestellt habe, sei zwischen dem RFM und Luther eine Besprechung geführt worden. Als deren Ergebnis sei festgestellt worden, daß Luther noch einmal mit Schacht sprechen solle. Der RK sehe weiteren Nachrichten entgegen und behalte sich bis dahin eine Erwiderung auf die Vorschläge vor (R 43 I /671 , Bl. 256, hier: Bl. 256). Der von Frankreich für die BIZ als Generaldirektor vorgesehene Quesnay äußerte gegenüber einem Mitglied der dt. Botschaft die Befürchtung, für die BIZ würden nicht die richtigen Kandidaten ausgesucht, sondern nur Banktechniker, denen es an genügendem persönlichen und politischen Einfluß fehle (Telegr. v. Hoeschs Nr. 273 vom 19.3.30; R 43 I /671 , Bl. 258 f., hier: Bl. 258 f.). Als Kandidaten der RReg. für die BIZ nannte Vogels in einer Aufzeichnung über dieses Institut Melchior und Poensgen und als die Luthers Urbig und Krupp v. Bohlen (21.3.30; R 43 I /671 , Bl. 260-262, hier: Bl. 260-262). Endgültig benannt wurden Melchior und Reusch am 4. 4. Vertreter des RbkPräs. bei der BIZ wurde Vocke (Vermerk von Vogels; R 43 I /671 , Bl. 273, hier: Bl. 273). Dem Generalrat der Rbk gehörten an: Luther, Dreyse, v. Flemming, Hagen, v. Mendelssohn, Müller (Oerlinghausen), Remshard, Urbig, Warburg, Wassermann (Handbuch f. das Deutsche Reich 1931, S. 307).

Mit größter Hochachtung

Dr. Hjalmar Schacht

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