1.68 (mu22p): Nr. 324 Der Bayerische Ministerpräsident an den Reichskanzler. 19. Oktober 1929

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Nr. 324
Der Bayerische Ministerpräsident an den Reichskanzler. 19. Oktober 1929

R 43 I /298 , Bl. 146 f., hier: Bl. 146 f.

[Betrifft: Eisenbahn- und Postabfindung; Beteiligung an der Reparationskonferenz.]

Sehr verehrter Herr Reichskanzler!

Mit der Neuregelung der Reparationsverpflichtungen des Reiches durch den Young-Plan, der Umgestaltung der Verhältnisse der Deutschen Reichsbahngesellschaft und der mit diesen Fragen zusammenhängenden Neuordnung der gesamten finanziellen Verhältnisse des Reiches erscheint mir der Zeitpunkt gekommen zu sein, auch die endgültige Bereinigung der Post- und Eisenbahnabfindungsansprüche vorzunehmen. Das Bayerische Finanzministerium hat hierwegen unterm 8. Oktober ds. Js. die beiden hier in Abdruck beigefügten Schreiben an das Reichsfinanzministerium gerichtet, in denen unter Hinweis auf die beim Staatsgerichtshof anhängigen Klagen die endliche Bereinigung dringend verlangt wird. Ich möchte auch meinerseits betonen, daß die Bayerische Staatsregierung größten Wert auf eine alsbaldige Erledigung dieser Angelegenheit legen muß und wäre deshalb Euer Hochwohlgeboren zu besonderem Dank verpflichtet, wenn Sie dieser Frage Ihr besonderes Augenmerk zuwenden möchten1.

1

Siehe dazu Dok. Nr. 314 und Nr. 315. – Nachdem Baden am 24.12.29 Klage auf Zahlung der Zinsen aus der Eisenbahnabfindung für das Jahr 1925 in Höhe von 12,2 Mio RM erhoben hatte (StGH an RK 28. 12.; R 43 I /2335 , Bl. 141-145, hier: Bl. 141-145), fand im RFMin. am 28.2.30 eine Besprechung des Reichs mit den Eisenbahnländern statt. Bayern erklärte bei dieser Gelegenheit, eine Regelung der Abfindung durch ein Reichsgesetz sei aus politischen und rechtlichen Gründen nicht angängig. Da die Länder eine Summe von 500 Mio GM aus den Vorzugsaktien ablehnten, weil der Gewinnausfall des Reichs an anderer Stelle zum Nachteil der Länder ausgeglichen werde, schlug der RFM vorbehaltlich der Zustimmung durch das Kabinett vor, die Aktieneinnahmen unter den Ländern aufzuteilen. Die Postabfindungen für Bayern in Höhe von 63 Mio RM und für Württemberg von 17 Mio RM wurden von beiden Ländern zurückgewiesen (R 43 I /2335 , Bl. 171-173, hier: Bl. 171-173). Das Reich erkenne die Länderforderungen an und werde eine Regelung treffen, wenn die RB von den Reparationen nicht mehr belastet sei, teilte der RFM den Ländern am 8.3.30 mit. Das Reich werde aus den Vorzugsaktien vom 1.4.31 an einen Betrag ausschütten, von dem nach der Aufschlüsselung die Schulden der Länder beim Reich abgezogen würden (R 43 I /2335 , Bl. 168-170, hier: Bl. 168-170).

[1053] Weiter möchte ich diese Gelegenheit benützen, Ihnen folgendes auszuführen:

Zu meinem großen Bedauern ist den von hier geäußerten Wünschen auf Zuziehung von Ländervertretern zu den Verhandlungen zur Durchführung des Young-Planes nicht Rechnung getragen worden2. Ich möchte nicht verhehlen, daß dieses Vorgehen der Reichsregierung hier als ein bedauerlicher Mangel an Entgegenkommen gegenüber den Ländern empfunden worden ist und fast den Eindruck macht, als wenn diese Verhandlungen derart geführt werden sollten, daß die Länder vor vollendete Tatsachen gestellt werden sollen und ihnen vom Gang der Verhandlungen möglichst wenig bekannt werden soll. Wenn die Preußische Regierung glaubte, sich damit abfinden zu können, so mag das nach den örtlichen Verhältnissen der Preußischen Regierung und ihren Referenten zu Gebote stehenden wesentlich leichteren Verbindung mit der Reichsregierung und ihren Referenten für Preußen erträglich sein. Für die ferner abgelegenen Reichsteile hätte aber ein großes Interesse daran bestanden, von dem jeweiligen Stand der Verhandlungen und den dabei zur Sprache kommenden einzelnen Gesichtspunkten stets rechtzeitig Kenntnis zu haben, um ihre besonderen Belange entsprechend zur Geltung bringen zu können, die unter Umständen gar nicht immer bei der Reichsregierung genügend bekannt sein können. So wie die Dinge nunmehr liegen, würde ich wenigstens größten Wert darauf legen, daß den Vertretern der Bayerischen Regierung in Berlin stets ein tunlichst weitgehender Einblick in die Verhandlungen gewährt und ihnen in Zweifelsfragen die Möglichkeit einer Meinungsäußerung vom bayerischen Standpunkt aus eröffnet würde3.

2

Siehe Dok. Nr. 294, P. 4. – Der Satz ist vom RK doppelt angestrichen und mit einem Fragezeichen versehen worden.

3

Am Rand notierte Pünder: „Das geschieht doch hoffentlich auch seitens der anderen Ressorts? Wir in der Rkei haben m. W. jedenfalls noch nie einen solchen Wunsch abgelehnt.“

Mit dem Ausdruck vorzüglichster Hochachtung bin ich Euer Hochwohlgeboren ergebenster

Dr. Held

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