2.51.1 (str1p): [I. Fragen des Reichskanzlers.]

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[I. Fragen des Reichskanzlers.]

Vor Eintritt in die Tagesordnung brachte der Reichskanzler folgende Fragen zur informatorischen Erörterung:

a.) Der Französische Ministerpräsident habe am Vortage eine bedeutsame außenpolitische Rede gehalten1, auf welche er, der Reichskanzler, bei einem am 12. d. Mts. stattfindenden Empfang des Reichspressechefs zu antworten beabsichtige. Mit Beziehung auf die hierbei zu behandelnde Frage der Anbahnung deutsch-französischer Verhandlungen über die eventuelle Räumung des Ruhrgebiets2, richte er an die Herren Ressortchefs die dringende Bitte, in allen Fragen der Außenpolitik, insbesondere aber in der vorliegenden sich politischer Äußerungen in der Öffentlichkeit nach Möglichkeit zu enthalten, zum mindesten aber in jedem Falle im Einvernehmen mit der außenpolitischen Leitung zu handeln. Eine erfolgreiche Durchführung der jetzigen außenpolitischen Aktion3 sei nur möglich, wenn alle Fäden durch eine Hand liefen und vollste Einheitlichkeit in der Haltung der Reichsregierung gewährleistet sei.

1

S. Vermächtnis I, S. 115; Schultheß 1923, S. 316 f.

2

Vgl. Dok. Nr. 47, P. 1.

3

S. Vermächtnis I, S. 118 ff.; Schultheß 1923, S. 168 ff.; vgl. auch Dok. Nr. 55, P. 7.

b.) Auf Befragen des Reichskanzlers teilte der Reichspostminister mit, daß die Stücke zur neuen Reichsgoldanleihe bereits zum großen Teil ausgegeben seien, und daß der Bedarf voraussichtlich voll befriedigt werden könne4.

4

S. zur Goldanleihe Dok. Nr. 45, P. 5. Wie das Spezialbüro des RPM dem RK am 11.9.23 mitteilte, waren an Stücken der Goldanleihe bis zum 10. 9. geliefert worden: 570 000 Stücke zu 1 Dollar, 178 000 Stücke zu 2 Dollar, 225 000 Stücke zu 5 Dollar, 24 000 Stücke zu 10 Dollar. Der Bedarf der Reichsschuldenverwaltung sei damit bisher gedeckt gewesen. Nach Erledigung der noch laufenden Aufträge werde die Auslieferung am 22.9.23 beendet sein (R 43 I /2439 , Bl. 182). Zur weiteren Behandlung der Goldanleihe s. insbesondere das Schreiben des RFM an den RK vom 13.11.23 (Dok. Nr. 252).

c.) Der Reichskanzler wies auf die von der Korrespondenz Hoffmann in München am gleichen Tage veröffentlichte Kundgebung der Bayerischen Staatsregierung und Parteiführer über die Handhabung der neuen Steuern hin5 und[223] regte an, von Seiten des Reichsfinanzministeriums eine selbständige Kundgebung über die Handhabung des Härteparagraphen zu veröffentlichen.

5

Vgl. hierzu Dok. Nr. 48. Die Forderungen der Koalitionsparteien und der bayer. Reg. waren am 10. 9. von der Presse in Berlin behandelt worden, worauf auch der Vertreter der RReg. in München, StS von Haniel, am 11. 9. hinwies und dazu weiter ausführte: „Nicht unerwähnt darf hierbei bleiben, daß entsprechend der hiesigen innerpolitischen Einstellung man neben der Heranziehung des Besitzes die Forderung einer Steigerung der Arbeitsleistung von der Reichsregierung in ausführlicher Weise programmatisch hervorgehoben sehen möchte. Man hält diese Forderung als Gegengewicht gegen die notwendigen Eingriffe in den Sachbesitz für unbedingt notwendig und die Behandlung dieser Frage für einen Prüfstein bei der Beurteilung der inneren Reichskabinetts-Politik“ (R 43 I /2233 , Bl. 191).

Der Reichsfinanzminister stellte eine solche Kundgebung in Aussicht6.

6

S. Anm. 6 zu Dok. Nr. 48.

d.) Auf Befragen des Reichskanzlers, ob die in der letzten Sitzung des Reichsministeriums erörterte Frage des Verhältnisses der Besatzungskosten zu den Besatzungstruppen beschlagnahmten Markbeträgen7 geklärt sei, ergab sich nach den Mitteilungen des Reichsfinanzministers und des Generalkommissars Schmid, daß die erforderlichen Unterlagen noch nicht vorliegen.

7

S. Dok. Nr. 47, P. 1.

Der Reichskanzler bat um möglichst beschleunigte Beschaffung zwecks weiterer Erörterung bei nächster Gelegenheit8.

8

S. Dok. Nr. 55, P. 7.

e.) Der Reichskanzler bat, nach Rückkehr des Reichsarbeitsministers die Frage der Erwerbslosenfürsorge mit möglichster Beschleunigung in Angriff zu nehmen.

f.) Der Reichskanzler teilte mit, daß am 11. d. Mts. eine Aussprache in der Reichskanzlei zwischen dem Sächsischen Ministerpräsidenten Zeigner, dem Reichswehrminister und dem Reichsminister des Innern, sowie mit Vertretern der Sozialdemokratischen Fraktionen Sachsens und Preußens stattfinden solle. Er wolle bei dieser Gelegenheit dem Herrn Sächsischen Ministerpräsidenten als Auffassung der Reichsregierung zum Ausdruck bringen, daß die Wiedergabe von vertraulichen Mitteilungen aus dem Reichsrate in einer öffentlichen Rede, wie vom Sächsischen Ministerpräsidenten geschehen9, im höchsten Maße zu mißbilligen sei und die verantwortliche Leitung der Reichspolitik unmöglich mache. Er nehme an, daß er hierin im Einverständnis der anwesenden Ressortchefs handle10.

9

S. Anm. 7 zu Dok. Nr. 53. – Zur RR-Ausschußsitzung vom 7.9.23, die von Zeigner beantragt worden war, ist eine hs. Aufzeichnung aus dem AA überliefert: „SachsenSächs. Regierung ist in jeder Richtung mit RK einverst. – Hindernisse stellen sich der Ausführung des Programms auf weite Sicht entgegen. – Mit jedem denkbaren Druck muß gegen nationalistische Widersacher des Kabinetts entgegengetreten werden. – Beziehungen äußerster Rechte u. Reichswehr. ZeignerGeßler. – Kampagne der sächs. Staatszeitung. – 1. Mai RR – 22. Mai 11. Juni Cuno. – Reichswehrminister hat nicht die Linie gefunden, die republ. Reichswehr von der rechtsrad. trennen muß. Beziehungen Reichswehr zur Justiz. – ehrliebender Soldaten etc. – Sachsen kann hierauf nicht schweigen. – Das, was RK als außenp. Progr. entwickelt hat, deckt sich in jeder Beziehung mit Sachsen. Reichskanzler möge daher Konflikt Geßler-Zeigner lösen. – RK: Bedauert öff. Auseinandersetzung [Wort nicht entziffert] Konflikt, der außenpolitisch schadet und innerhalb der Reichswehr Zweifel hineingetragen hat. – Ich habe mit Geßler Frage besprochen. – Erachte es für ausgeschl., daß ein RWKdo den dienstl. Verkehr mit der Reg. eines Landes abbreche. – Material Zeigners ist von Sollmann u. Radbruch geprüft und im RWM besprochen worden. Wären die Bedenken richtig [Wort nicht entziffert], so müßte und würde Remedur geschaffen werden“ (Pol.Arch.: Referat D, Dtl. Po 1 Nr. 1 – Reichstagsausschuß und Reichsratsausschuß für ausw. Angelegenheiten –, Bd. 4).

10

S. Dok. Nr. 53; vgl. auch Anhang Nr. 1 (7.9.23).

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