1.152.1 (wir2p): [Festsetzung der Wahl des Reichspräsidenten.]

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Die Kabinette Wirth I und II (1921/22). Band 2Bild 146III-105Bild 183-L40010Plak 002-009-026Plak 002-006-067

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RTF

[Festsetzung der Wahl des Reichspräsidenten2.]

2

Zur Vorgeschichte siehe Dok. Nr. 297, P. 3 und Dok. Nr. 381, P. 7.

Stresemann entwickelt seine Argumente: Große Majorität im Reichstag für Imamtbleiben des RP[Reichspräsidenten]. Verantwortung trüge der Reichstag, nicht der RP, von dem man wisse, daß er die Neuwahl angestrebt habe. Wahlkampf: hie Republik, hie Monarchie. In Bayern mon[archische] Bewegung, föderal[istische] Bewegung, mon. Majorität wäre Plebiszit zur Monarchie. Außenpolit. Revision des F[riedens-]V[ertrags] im Winter. Schicksalswende braucht geschlossene Front. Also für Terminfestsetzung, aber jetzt keine Neuwahl.

RK[Reichskanzler]: Reg. hat Weg der Neuwahl beschritten3.

3

Siehe Dok. Nr. 381 Anm. 8.

Müller Verschiebg. der Wahl würde im Ausland Angst vor Kandidatur Hindenburg stimmen. Trotzdem das Risiko ist zu laufen. Außerdem ist RP stets beschimpft worden: Friedrich der Vorläufige. Ein Beschluß des RT[Reichstages] würde nicht genügen, sondern erforderlich ist verfassungsänderndes Gesetz, bis 1924 würde Verlängerung nicht genügen. Seine Fraktion würde für bisherige Haltung […]4 stimmen. Marx möchte an sich die Wahl verschieben. Es kann darauf hinaus, mit dem Herrn RP über eine Verschiebg. der Wahl zu verhandeln. Dieser Standpunkt wäre bisher auch vom Zentrum betont worden. Betont schwere wirtsch. u. finanz. Bedenken. Teilt darin Auffassung Stresemann. Hält bei Wahl RP eine große Majorität für Eb[ert] für gefährdet. Deutschn[ationale] wollen großen Schlag gegen E[bert] u. Rep[ublik] führen. Hindenburg würde schwere Belastg. der Wahl. Im Zentrum würde ein kath[olischer] Deutschn[ationaler] Kandidat zum Auseinanderfallen führen. Landbevölkerung! Parteiausschuß des Zentrum will Verschiebung (einstimmig). 19. Nov. Wahlen in Oberschlesien würden durch RPVolkswahl beeinträchtigt werden. Muß Weg gefunden werden für Autorität Eberts: 1. große Maj[orität] im RT, 2. Verantwortg fällt auf Parteien.

4

Ein Wort unleserlich, möglicherweise ‚schwerl[ich]‘.

Späterer Termin dürfte nicht auf die Reichstagsneuwahl fallen. Abordnung müsse z. RP gehen und mit ihm verhandeln. Falls Einigung Verläng. der Wahl nicht zustande käme, könne für ein geschlossenes Vorgehen Zentrums Verantwortg. nicht übernommen werden.

Petersen hält durch Festsetzung des Termins Lage für erschwert. Schwerer Kampf käme. Schließt sich Stresemann an. Hält im übrigen Volkswahl der Verfassung für falsch. Jetzt die Volkswahl wäre ein Unglück. Gerade, weil er Ebert[1129] erhalten möchte, möchte er jetzt keine Wahl. Sache soll jetzt nicht parteipolitisch aufgezogen werden. Nach seiner (Petersens) Rede in Düsseldorf habe er Briefe bekommen, die nicht zustimmend waren. Keine Partei habe Geld (mit Ausn. Kom. u. DeutschNat.). Nur gemeins. Vorgehen der Parteien kann bei jetziger Sachlage vor sich gehen. Jahr 1923, da Wahl nicht mit RTagswahlen zusammenfallen soll.

Leicht:

1.

Feststellung: RP hat wiederholt Wahl gefordert.

2.

Feststellung: Wahl nach Oberschlesien gemacht werden.

Trotzdem zu bedauern, daß Köster Termin festgesetzt hat. Einzig mögl. ist Verschiebg. Hindenburg wäre im Ausland Zeichen: Revanche ist im Anmarsch. Wahlkampf würde Volk in zwei Lager spalten. Weltansch. u. polit. Momente wären trennend. Krisenstimmung zwischen Reich u. Bayern würde wieder wachwerden. Mit einer starken Majorität würde RP vollständig gedeckt sein.

RK [Reichskanzler] stellt veränderte Sachlage fest.

Bauer stellt fest: getrennte Einladg. s. Zt. erfolgt, weil Annahme vorlag, daß keine Partei gegen baldige Volkswahl sei. Eine Opposition sei damals nicht vorhanden gewesen. Wir stehen vor völlig veränderter Sachlage. Befürchtet aber, daß das uns wohlgesinnte Ausland einem Ausweichen der klaren Entscheidg. nicht verstehen wird [sic]. Ein Termin bis 1923 wäre unmöglich. Rein sachlich würde durch Verschieben der Wahl unsere Position geschwächt werden.

Müller: Veränderte Situation, daher auch das Wort des Vorwärts vom Umfallen richtig. Wahlkampf wird nach seiner Auffassung nicht katastrophal werden in so kurzer Zeit. Hindenburg sei nicht gefährlich. 1923 oder 1924 kommen nicht in Frage. Höchstens von seinem Amtsantritt 7 Jahre (1926) durch verfassungsänderndes Gesetz. Deutschnationale müßten aber mitgehen. Dann könnte man darüber reden.

Marx betont, er habe damals schon gesagt, Verschiebg. wäre besser. Aber Entscheidg. des RP sei gefallen. Aber Gespräch RP mit Raumer5. Mit RP müsse jetzt gesprochen werden.

5

In seinem fernschriftlichen Bericht vom 8.10.1922 über die in Hegne zum Thema abgehaltene Parteiführerbesprechung (siehe Dok. Nr. 381 Anm. 7) erwähnt Wirth die Besprechung von Raumers mit dem RPräs. wie folgt: „Die Besprechung mit den Parteiführern brachte auch einen Bericht des Herrn Abgeordneten Marx über eine Unterredung, die Herr Marx mit Herrn Raumer gehabt hat. Dabei wurden auch Mitteilungen über die Aussprache des Herrn Reichspräsidenten mit Herrn von Raumer gemacht. Die Mitteilungen des Herrn Marx machen mir gewisse politische Sorgen. Wir riefen gestern Nachmittag durch Herrn Oskar Müller das Bureau des Herrn Reichspräsidenten an, um über die Auffassung des Herrn Reichspräsidenten unterrrichtet zu werden. Trotz der Antwort des Herrn Ministerialdirektors Meissner ist mir der Bericht des Herrn Marx nicht ganz klar geworden. Es ist in Berlin zu prüfen, ob die Deutsche Volkspartei zu dem Komitee [für die Wahl des RPräs.] einzuladen ist. Ich bin der Auffassung, daß das geschehen sollte. Die Besprechung des Herrn von Raumer mit dem Herrn Reichspräsidenten schafft eine taktisch schwierige Lage. Herr von Raumer scheint aus der Besprechung mit dem Herrn Reichspräsidenten die Auffassung gewonnen zu haben, daß die Möglichkeit, die Wahl noch zu verschieben, gegeben ist, und daß es nur eines Eingehens auf die volksparteiliche Anregung von seiten der Regierungsparteien bedarf, um die Wahlfrage weit hinauszuschieben. – In der Besprechung mit den Parteiführern herrschte allgemein – und ich betone, auch bei mir – die Auffassung, daß die Berliner Besprechungen und Entschlüsse jedes Hinausschieben der Wahl unmöglich machen. Ich habe auch gestern meiner Auffassung dahin Ausdruck gegeben, daß, soweit die Besprechungen im Kabinett zu überblicken sind, der Wille des Herrn Reichspräsidenten ausschlaggebend ist, und daß beim Herrn Reichspräsidenten die Entscheidung gefallen ist. Ich will aber nicht verschweigen, daß der Bericht des Herrn Marx für mich eine gewisse peinliche Situation geschaffen hat. Ich ging, um es nochmals zu betonen, von der Auffassung aus, die Wahl wird gewünscht und muß danach stattfinden. Wenn nun bei der Volkspartei, d. h. bei Herrn von Raumer zunächst, die Auffassung tief begründet ist, daß noch ein Hinausschieben mit volksparteilichem Einfluß möglich ist, so entsteht der Eindruck einer doppelten Stellungnahme der Reichsregierung. Ich bitte deshalb dringend, der Herr Reichspräsident möge mit den zuständigen Herren die Angelegenheit mit Herrn von Raumer nochmals besprechen und die Lage klären, oder, wenn der Herr Reichspräsident eine zweite Besprechung mit Herrn von Raumer nicht für erwünscht hält, dann möge der Herr Vizekanzler von sich aus bei der Volkspartei die nötige Aufklärung geben. Die Volkspartei könnte sonst die Lage taktisch gegen die Reichsregierung ausnutzen, um sich einer Beteiligung zu entziehen. Ich mache nachdrücklichst auf die Lage aufmerksam und lehne für etwaige Irrtümer, die noch obwalten mögen, jede Verantwortung ab. Ich glaube, die Sache ist in den letzten Tagen etwas zu sehr forciert worden.“ Am 9.10.1922 antwortete Hemmer dem RK fernschriftlich u. a.: „Was Angelegenheit deutscher Volkspartei angeht, so legt Reichspräsident derselben eine allzu große Bedeutung nicht bei. Als Raumer bei ihm war und Bedenken namens Fraktion vortrug, erklärte ihm Reichspräsident, daß seine Person bei ganzer Angelegenheit auszuscheiden habe, daß er aber als Hüter der verfassungsmäßigen Bestimmungen es seinem Amte schuldig sei, auf eine Einhaltung derselben auch in diesem Punkte Bedacht zu sein, und daß nicht persönliche Wünsche, sondern allgemein staatspolitische Interessen ausschlaggebend seien. Schluß der Unterredung mit Raumer sei dann gewesen, daß Raumer erklärt habe, wenn dem so sei, dann könne man über eine Verlängerung der Präsidentschaft ohne Volkswahl verhandeln. An einer solchen Auffassung konnte Reichspräsident Herrn von Raumer nicht hindern. Reichspräsident steht aber nach wie vor auf dem Standpunkt, daß Neuwahl durch alsbaldige verfassungsentsprechende Volkswahl geboten ist, Standpunkt, den auch die große Mehrheit der Parteien vertritt. […] Reichspräsident rechnet mit Gegnerschaft Volkspartei, stimmte mir aber zu, als ich bemerkte, Reichskanzler würde wohl den Versuch machen, in persönlicher Aussprache mit Herren Deutscher Volkspartei diese umzustimmen. Kein Zweifel ist darüber, daß in dieser Frage für Volkspartei Koalitionserweiterung bestimmend ist.“ Im übrigen regt Hemmer die Rückkehr Wirths an und empfiehlt den Abbruch des Urlaubs, da nur der RK die Fäden der Angelegenheit in der Hand haben könne (R 43 I /583 , Bl. 140-143).

[1130] RK [Reichskanzler] weist auf Vorschlag der Soz.Dem. u. bittet die Parteien um Stellungnahme.

Dittmann da Eb[ert] Soz. sei, sei Forderung nach sofortiger Wahl durch Soz.Demok. selbstverständlich. Bei Nichtwahl werden Deutschnat. weiter Angriffe gegen Ebert richten. Wer garant[iert] für ruhige Situation im Jahre 1923 oder 1924? Aber neue Verläng. wird dann nicht möglich sein. Andere Frage mit Vorschlag Müller. Deutschnat. werden wohl nicht zu gewinnen sein.

Marx wird Fraktion betr. neuen Vorschlag fragen, ebenso Stresemann. Leicht ebenso. Löbe plädiert für Klärung dieser Frage morgen abend. Petersen glückliche Idee. Marx: Fraktion soll entscheiden6.

6

Am 24.10.1922 stimmt der RT über den Antrag Müller (Franken), Marx, Stresemann, Koch, Leicht und Fraktionen ab, den Artikel 180 Satz 2 der RV wie folgt zu ändern: „Der von der Nationalversammlung gewählte Reichspräsident führt sein Amt bis zum 30. Juni 1925“ (RT-Drucks. Nr. 5074, Bd. 375 ). Der Antrag wird mit 314 gegen 76 Stimmen bei einer Stimme Enthaltung angenommen (RT Bd. 357, S. 8937 ).

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