1.21.1 (wir2p): 1. [Behandlung der Pläne Rathenaus vor der Finanzkommission.]

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1. [Behandlung der Pläne Rathenaus vor der Finanzkommission.]

Reichsminister Hermes berichtet über die Besprechung im Finanzausschuß, gegen die Pläne von Rathenau seien starke Bedenken geltend gemacht worden1.[737] Es sei vorgeschlagen worden, eine neue Sitzung unter Hinzuziehung der industriellen Sachverständigen abzuhalten. Diese Sitzung soll morgen stattfinden. Er, Minister Hermes, könne sich den Bedenken, die im Finanzausschuß geäußert worden seien, nur anschließen. Seine Bedenken seien insbesondere dagegen, daß die Rathenau’schen Pläne in festen Anträgen in der Finanz-Kommission vorgelegt würden, aber er nehme an, daß dies nicht die Absicht von Rathenau wäre.

1

Zu den Plänen Rathenaus in R 43 I nichts ermittelt; die Chronik der Konferenz von Genua verzeichnet für den 25.4.22 eine Sitzung des Unterausschusses der Finanzkommission für Kreditfragen, in der eine Resolution bezüglich der Artikel 37 und 38 des Londoner Memorandums (RT-Drucks. Nr. 4378 , S. 49, Bd. 373) gefaßt worden sei, die folgendes besage: „Kreditgewährung der kapitalstarken Länder an kreditbedürftige Länder in der Regel nur in Form von privaten Anleihen und nur in besonderen Ausnahmefällen von Regierung zu Regierung. Um das private Kapital kreditbereit zu machen, sind Garantien erforderlich.“ (R 43 I /470 , Bl. 70, 71 f.; dort auch mögliche Garantien). Ausführliches Fernschreiben Oscar Müllers an RPräs., Rkei, StS von Haniel und WTB vom 25.4.22 über eine Sitzung des genannten Unterausschusses am 24. 4. und ein Telegramm Ritters vom 26.4.22 für RPräs., Rkei und Pressestelle zur mündlichen Information über die Sitzung des genannten Unterausschusses am 25.4.22 in R 2 /2757 , Bl. 19-21, 6-8. Alle dort ermittelten dt. Vorschläge sind solche der dt. Reg. und lassen einen Urheber nicht erkennen.

Reichsminister Rathenau bestätigt dies, er habe vorgehabt, dem Präsidenten der Finanzkommission anheimzustellen, ein Sachverständigen-Gremium zu befragen oder die Sache einer Unterkommission zu überweisen.

Reichsminister Hermes entwickelt die politischen Gründe, aus denen er glaube die Zurückstellung der Rathenau’schen Pläne vorschlagen zu sollen. Frankreich werde sagen, die Deutschen suchten sich durch das Projekt einer internationalen Besteuerung vor der Bewilligung der verlangten 60 Milliarden neuer Steuern zu drücken2. Es sei aber Aufgabe der Regierung, alles zu vermeiden, was das Verhältnis zu Frankreich noch mehr kompliziere. Er befürchte aber von einem offiziellen Vorbringen der Rathenau’schen Pläne in der Kommission derartige unangenehme Wirkungen und stelle daher der Erwägung anheim, die Pläne in der Konferenz überhaupt nicht vorzubringen, sondern sie allenfalls zunächst einmal inoffiziell mit Vertretern der Alliierten zu besprechen, vielleicht mit Sir Basil Blakett.

2

Forderungen aus den Noten der Repko vom 21.3.1922 (siehe Dok. Nr. 229 Anm. 3).

Reichsminister Schmidt führt aus, er sei ursprünglich grundsätzlich mit den Absichten Rathenaus einverstanden gewesen, er habe jedoch die Auffassung gehabt, daß die Rathenau’schen Pläne den Reparationszwecken dienstbar sein sollten. Jetzt, wo die Lage sich anders gestaltet habe, glaube er vorschlagen zu sollen, die Rathenau’schen Pläne jetzt nicht vorzubringen, da er in Übereinstimmung mit Herrn Minister Hermes besorge, daß die Lage gegenüber Frankreich eine Verschärfung erfahren könne.

Reichsminister Rathenau bemerkt, daß er gegenteiliger Auffassung sei. Die Leitsätze von Genua seien, wie einsichtige Franzosen und Italiener in Genua zugegeben hätten, harmlose Betrachtungen, in denen kein produktiver Gedanke für den Weltaufbau vorhanden sei. In Genua könne zwar der Weltaufbau auch nicht erfolgen, aber die ganze Welt erwarte, daß von Genua ein Gedanke ausginge, nämlich der, daß für den Weltaufbau gemeinsame Arbeit notwendig sei. Er habe sich die Sache, wie er schon bemerkt habe, so gedacht, daß er den Präsidenten der Finanzkommission gebeten hätte, seine Pläne einer Kommission oder einem Sachverständigen-Gremium zu unterbreiten. Politisch sei die Lage nicht so tragisch zu nehmen, wie sie von den Kollegen und Hermes und Schmidt dargestellt werde. Er habe mit Schanzer gesprochen, und diese Besprechung habe zur Folge gehabt, daß Schanzer den italienischen Vertreter der Reparationskommission, Salvago Raggi, nach Genua habe kommen lassen. Mit diesem habe er sich längere Zeit unterhalten, und er habe den Eindruck, daß Salvago Raggi von Schanzer die Instruktion erhalten habe, sich der Auffassung von Bradbury anzuschließen. Damit sei eine weitere, für Deutschland nicht ungünstige[738] Stimme in der Reparationskommission gewonnen. Auch was Frankreich angehe, glaube er nicht, daß lediglich das Vorbringen seiner Pläne in der Finanzkommission einen neuen politischen Sturm hervorrufen werde. Aber er wolle nicht insistieren. Er schließe sich dem Wunsche des Kollegen Hermes an und sei damit einverstanden, die industriellen Sachverständigen erneut zu befragen. Seien diese auch gegen das Vorbringen seiner Pläne, so werde man sehen müssen, wie man ohne diese Pläne auskommen werde. Man solle daher heute keinen Beschluß fassen.

Reichsminister Hermes ist mit diesem modus procedendi einverstanden, legt aber Wert darauf, die Erklärung abzugeben, daß er auch dann auf seinem ablehnenden Standpunkt bestehen bleiben werde, wenn die industriellen Sachverständigen sich dahin äußerten, daß sie mit einem Vorbringen der Rathenau’schen Pläne einverstanden wären.

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