1.84.1 (wir2p): Verhandlungen mit dem Garantiekomitee.

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Die Kabinette Wirth I und II (1921/22). Band 2Bild 146III-105Bild 183-L40010Plak 002-009-026Plak 002-006-067

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Verhandlungen mit dem Garantiekomitee.

Reichsminister Dr. Hermes: In langen, schwierigen und zäh geführten Verhandlungen sei man nunmehr zu einer vorläufigen Verständigung zwischen den deutschen Ressorts auf der einen und dem Garantiekomitee auf der anderen Seite gekommen. Das Ergebnis sei in dem an die Minister verteilten Schriftstück niedergelegt1. Das Garantiekomitee beabsichtige morgen abzufahren. Es sei für uns von größter Bedeutung, daß es uns in Paris bei der Reparationskommission unterstütze. Er empfehle daher, auf den Boden der vorliegenden Vereinbarung zu treten, wobei er sich völlig klar sei, daß innenpolitisch eine starke Belastung damit verbunden sei, insbesondere was die Bestimmungen über die Finanzkontrolle anlange. Im einzelnen werde Ministerialdirektor von Brandt berichten.

1

Das Ergebnis der Verhandlungen wird notifiziert in einem Memorandum vom 18.7.1922 „über die durch das Garantiekomitee auszuübende Nachprüfung, über die Unterdrückung der Kapitalflucht und über die von der Deutschen Regierung aufzustellenden Statistiken“. Das Memorandum geht dem RK mit Begleitschreiben des Garantiekomitees vom 18.7.22 zu, in dem das Garantiekomitee die dt. Reg. um eine Bestätigung des Einverständnisses mit den vorgesehenen Maßnahmen ersucht. Memorandum und Begleitschreiben sind abgedruckt im Weißbuch des AA, Aktenstücke zur Reparationsfrage vom 12. Juli bis 11. Dezember 1922, S. 95 ff.

MinDir. von Brandt trägt den Inhalt des Memorandums im einzelnen vor. Der Schwerpunkt der Verhandlungen habe zunächst auf dem Gebiete der Kapitalflucht gelegen, die hierüber geführten Besprechungen hätten sich schließlich zu dem vorliegenden Gesetzentwurf verdichtet2. Eine wesentliche Bestimmung darin sei die, daß derjenige, der Waren aus Deutschland ausführe, ohne den Gegenwert nach Deutschland zurückzuführen, Rechtsnachteile erleiden könne; er könne insbesondere einer Kontrolle unterstellt und ihm die Ausfuhr auch völlig untersagt werden.

2

Das in Anm. 1 gekenzeichnete Memorandum enthält einmal Richtlinien für gesetzgeberische Maßnahmen zur Ergänzung des deutschen Kapitalfluchtgesetzes und zum anderen Leitsätze zu Ausführungsbestimmungen für ergänzende gesetzgeberische Maßnahmen zum Kapitalfluchtgesetz (siehe Aktenstücke zur Reparationsfrage vom 12. Juli bis 11. Dezember 1922, S. 99 f.). Eine entsprechende Gesetzesvorlage mit ausführlicher Begründung gelangt am 16.11.1922 in den RT (RT-Drucks. Nr. 5239, Bd. 375 ).

Staatssekretär von Simson: Trotz der zu erwartenden innenpolitischen Schwierigkeiten empfehle er rasche Annahme, denn sonst würden wir in der[955] Moratoriumsfrage nicht vorwärts kommen. Materiell seien die Bestimmungen nicht unerträglich. Unbequem scheine ihm die Unbestimmtheit der Zahl der Hilfsarbeiter der beim Reichsfinanzministerium vorgesehenen beiden Delegierten des Garantiekomitees3. Hier müsse man versuchen, noch etwas zu erreichen. Vor dem Parlament müsse betont werden, daß die Entente durch die geplante Vereinbarung nur das erhalte, worauf sie nach dem Friedensvertrag sowieso Anspruch habe. Wenn das Garantiekomitee ohne definitive Regelung abreise, so würden uns vielleicht schlimmere Bestimmungen aufgezwungen werden.

3

Der ursprüngliche Entwurf hatte offenbar für die beiden vom Garantiekomitee dem RFMin. Delegierten Hilfsarbeiter vorgesehen. In der Kabinettssitzung vom 16.7.1922 teilt Hermes jedoch mit, daß der diesbezügliche Passus nach erneuten Verhandlungen mit dem Garantiekomitee gestrichen worden sei (siehe Dok. Nr. 322).

Staatssekretär Schroeder betont, daß die ganze Abmachung nichts sei, als eine Ausführung des Art. 240 des Friedensvertrages4.

4

In Art. 240 VV heißt es u. a.: „Die deutsche Regierung liefert dem Ausschuß alle Auskünfte über Finanzlage und Finanzgeschäfte, Güter, Produktionskraft, Vorräte und laufende Erzeugung von Rohstoffen und gewerblichen Erzeugnissen Deutschlands und seiner Reichsangehörigen, deren es bedarf.“

Der Reichskanzler wirft die Frage auf, wie die Abmachung in den ganzen Rahmen der Reparationsverhandlungen passe.

Reichsminister Dr. Hermes: Die Wirkung auf den Gesamtrahmen sei noch nicht zu übersehen, aber wir müßten das Abkommen schließen, um überhaupt mit Aussicht auf Erfolg in Verhandlungen treten zu können. Es sei nur erwünscht, daß die damit verknüpfte innenpolitische Belastung nach außen erkennbar werde.

Auch er sei der Ansicht, daß die Bestimmungen materiell nicht sehr gefährlich seien, insbesondere bringe die praktische Durchführung keinen Nachteil für unsere Finanzen. Ob die Vereinbarung ein volles Äquivalent für andere Forderungen sei, besonders für solche über unsere schwebende Schuld, stehe noch dahin. Aber sicherlich würde uns die geschlossene Vereinbarung eine starke Position für solche zukünftigen Verhandlungen geben.

Reichsminister Schmidt: Er halte die innenpolitische Tragweite für ungeheuer und lese aus der Abmachung mehr heraus als die Herren des Finanzministeriums. Jedenfalls müsse die Vorlage eingehend geprüft werden.

Der Reichskanzler hat die Befürchtung, daß wir mit jedem Moratoriumsersuchen immer weiter in die Ottomanisierung hineinkämen.

Reichsminister Dr. Hermes: Hiergegen könne er sagen, daß Bemelmans und Mauclère ihm erklärt hätten, hiermit sei die Frage der Finanzkontrolle endgültig geregelt.

Der Reichskanzler bezweifelt, daß diese Erklärungen bindend seien.

Reichsminister Dr. Hermes: Gewiß bestehe die Gefahr, daß weitergehende Versuche gemacht würden. Immerhin seien die 3 wesentlichen Grundsätze festgelegt, daß die Souveränität Deutschlands nicht angetastet werden dürfe, daß keine Störung der deutschen Verwaltung eintreten und daß in das Steuergeheimnis nicht eingedrungen werden dürfe.

[956] Der Reichskanzler zweifelt, ob das Kabinett die Vorlage annehmen könne, bevor die parlamentarische Situation geklärt sei5.

5

Der RT vertagt sich am 18.7.22 bis zum 17.10.1922 zur Sommerpause.

Reichsminister Dr. Hermes erklärt sich auf Wunsch des Reichsministers Schmidt bereit, mit dem Garantiekomitee nochmals zu sprechen, um die Bestimmungen über die Hilfsarbeiter der beiden Delegierten aus dem Schriftstück hinaus zu bringen.

Hierauf wurde die Besprechung abgebrochen.

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