2.150.2 (bau1p): 2. Wiedergutmachungsfragen.

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[539]2. Wiedergutmachungsfragen.

Der Reichsminister für Wiederaufbau trägt die anliegende Zusammenstellung der Verhandlungsgegenstände für die Besprechungen in Paris vor3. In der Aussprache wird darüber Einverständnis erzielt, daß in erster Linie die endgültige Begrenzung der deutschen Zahlungsverpflichtungen gegenüber der Entente angestrebt werden muß4. Reichsminister Erzberger bittet ferner so schnell wie möglich zu klären, daß Frankreich für Kohlenlieferungen via Rotterdam den Weltmarktpreis zahlt5.

3

In einem Schreiben an UStS Bergmann in Paris hatte RM Geßler bereits am 20.11.19 seine Bereitschaft bekundet, „persönlich nach Paris zu kommen und mit [dem frz. Minister Loucheur] wegen der weiteren Förderung der Wiederaufbaufrage in Fühlung zu treten“. Die dt. Reg. habe „ein großes und berechtigtes Interesse daran“, in verfolg der all. Erklärung in Ziff. 5 des Prot. zum VV vom 28.6.19 eine Mitteilung der frz. Reg. zu erhalten, „ob und in welchem Umfange sie mit der unmittelbaren Ausführung von Aufbauarbeiten [durch] Deutschland einverstanden“ sei (Nachl. von Le  Suire , vorl. Nr. 93). Über den Gang der erfolglosen dt. Bemühungen, eine entsprechende frz. Zusage zu erhalten, berichtete MinDir. Müller vom RMinWiederaufbau in Beantwortung einer DNVP-Anfrage am 5.12.19 vor der NatVers. (NatVers.-Bd. 331, S. 3857 ). Als sich die Kriegslastenkommission am 17. 12. im RFMin. mit Wiedergutmachungsfragen beschäftigte, empfahl UStS Bergmann erneut, „von den bisherigen überspannten Ideen in bezug auf die Beteiligung Deutschlands am Wiederaufbau Abstand zu nehmen“. Der RMWiederaufbau stimmte dieser Einschätzung der Lage zu, forderte aber – da die Franzosen die Freilassung der Kriegsgesfangenen mit einer ihren Absichten entsprechenden Lösung der Wiederaufbaufrage verquickten (vgl. Dok. Nr. 111) –, „alles zu tun, um die Franzosen in Verzug zu setzen. Die Franzosen müßten uns einen Wiederaufbaubezirk zuweisen, andernfalls sei es unmöglich, ein Programm zu entwerfen. Es komme jetzt innerpolitisch darauf an, eine klare Antwort von den Franzosen zu erhalten, auch wenn sie ‚Nein‘ laute“ (Aufzeichnung in: R 38 /74 , Bl. 8–10). Bei den in Aussicht genommenen Verhandlungen will RM Geßler folgende Einzelfragen der nach Umfang und Durchführung noch gänzlich unübersehbaren Wiedergutmachungsproblematik zu klären versuchen: „1. Welche deutschen Leistungen werden auf die zum 1. Mai 1921 zu zahlenden 20 Milliarden und auf die folgenden Annuitäten in Anrechnung gebracht? 2. Auf welcher Grundlage sind die Preise für deutsche Aufbauleistungen und Lieferungen festzusetzen? 3. Die Zulassung des deutschen Reichs zur Beteiligung an den Aufräumungs- und Aufbauarbeiten in den zerstörten Gebieten. 4. Ablösung der Restitution durch Substitution. 5. Ablieferung von Beschlagnahme-Urkunden an die Entente. 6. Feststellung der Kriegsschäden an Ort und Stelle“ (Zusammenstellung der Verhandlungsgegenstände; R 43 I /1353 , Bl. 95–100).

4

Siehe dazu weiter Dok. Nr. 179.

5

Zum Gesamtzusammenhang s. Dok. Nr. 90, P. 2.

Reichsminister Geßler wird zunächst allein mit Referenten nach Paris fahren und Sachverständige erst nach Bedarf nachkommen lassen. Die von ihm vorgelegte Liste der Sachverständigen6 wird im allgemeinen gebilligt. In der[540] Wahl zwischen Kommerzienrat Berger und Kommerzienrat Wörner wird Kommerzienrat Wörner vorgezogen. Neben Urbig und Melchior wird die Entsendung eines Vertreters anderer Großbanken nicht für nötig gehalten. Verschiedene Minister wenden sich gegen die Zuziehung von Stinnes; die Mehrheit spricht sich für seine Zuziehung aus, doch wird Reichsminister Geßler vor seiner Zuziehung darüber Fühlung nehmen, ob sie den Gegnern genehm ist7.

6

Die Liste war im RMinWiederaufbau zusammengestellt worden. Es waren benannt als Industrievertreter: Wiedfeldt, Deutsch, Stinnes, Bosch, Merton, Simons, Berger oder Wörner, Riepert oder Riese; als Bankenvertreter: Urbig, von Stauss oder Wassermann, Melchior; als Architektenvertreter: Elsässer; als Arbeitnehmervertreter: Silberschmidt, Becker, Kube, Hué; als Vertreter süddt. Wirtschaftsinteressen: von Meinel; der Vorsitzende der Reichsrücklieferungskommission, Guggenheimer; der Vorsitzende der Handelskammer Köln, Hagen (R 43 I /342 , Bl. 234).

7

Darüber nichts ermittelt. – Stinnes lehnt seinerseits das Angebot, an den Wiederaufbauverhandlungen in Paris mitzuwirken, u. a. mit dem Argument ab: „Ich kann kein Mandat von einem Kabinett annehmen, dem ich in seinen führenden Persönlichkeiten kein Vertrauen entgegenbringe, von denen ich annehme, daß sie teils aus mangelhafter Einsicht, teils aus minderwertiger Gesinnung jeden Verhandlungserfolg zu Schanden machen u[nd] den Unterhändler selbst zum Lügner machen“ (Stinnes an Geßler, 23.1.19; Nachl. Geßler , Nr. 18, Bl. 6; abgedruckt auch bei Otto Geßler: Reichswehrpolitik in der Weimarer Zeit. S. 62 f.). Die geplanten Verhandlungen kommen nicht zustande, da mit dem frz. MinPräs. Clemenceau das gesamte frz. Kabinett am 18. 1. zurücktritt und das von Loucheur geleitete Min. für industriellen Wiederaufbau aufgelöst wird. Die Wiederaufbaufrage tritt gegenüber dem Versuch, die Reparationsprobleme als Ganzes zu lösen, in den Hintergrund. – Zum Fortgang s. Dok. Nr. 179.

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