2.201.1 (bau1p): [Angebliches Ultimatum bewaffneter Berliner Arbeiter.]

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Das Kabinett BauerKabinett Bauer Bild 183-R00549Spiegelsaal Versailles B 145 Bild-F051656-1395Gustav Noske mit General von Lüttwitz Bild 183-1989-0718-501Hermann EhrhardtBild 146-1971-037-42

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[Angebliches Ultimatum bewaffneter Berliner Arbeiter.]

Als gerade die Sitzung1 zu Ende ist, ruft Riezler mich an, für 9 Uhr sei ein Ultimatum der Spartakisten an Lüttwitz gestellt2. Berlin werde heute nacht angegriffen werden, wenn das Ultimatum nicht angenommen werde. Die Einigung zwischen der alten und neuen Regierung sei dabei gleichgültig. Hilfe sei nur möglich, wenn Lüttwitz sich heute noch und morgen als Befehlshaber am Kampfe beteilige. – Ich teilte das den noch Versammelten – Ebert, Bauer und Noske – mit. Bauer erklärte, daß das unmöglich sei, weil es Verwirrung stifte. Es könne ohne Schwierigkeiten ja dadurch Hilfe geschaffen werden, daß unser Ultimatum angenommen werde, daß Lüttwitz zurücktrete und General Seeckt oder ein anderer den Befehl übernehme. – Ich teilte das erneut Riezler mit, er erklärte aber, er fürchte, die Truppen würden einem anderen General nicht folgen. Müsse er abtreten, so würden die Truppen glauben, daß ihre Führer sie verlassen hätten und nicht mehr kämpfen. Er rate dringend, Lüttwitz noch heute und morgen das Kommando zu belassen. Lüttwitz brauche ja dadurch den Folgen seiner strafbaren Handlung nicht entzogen zu werden. Er würde sich ja ohnehin eine Kugel durch den Kopf schießen.

1

Gemeint ist die Kabinettssitzung vom 16. 3., 17 Uhr (Dok. Nr. 198).

2

Zum Gesamtzusammenhang s. Dok. Nr. 218, III. – Zur Rolle Riezlers in Verbindung mit der Übermittlung des angeblichen Ultimatums vgl. Karl Dietrich Erdmann (Hrsg.): Kurt Riezler. Tagebücher, Aufsätze, Dokumente. S. 128 f.; dort auch Teilabdruck der vorliegenden Tagebuchaufzeichnung.

Als er das sagte, trennt die militärische Überwachungsstelle Berlin die Verbindung, die trotz aller Bemühungen nicht wieder hergestellt werden konnte.

Bauer sagte mir, die Leute ließen sich offenbar irreführen. Tatsächlich handele es sich um einen Angriff der gesamten Arbeiterschaft. Man könne jetzt unmöglich alles Preis geben, sondern müsse dem von der anderen Seite[700] heraufbeschworenen Unheil seinen Lauf lassen. Sonst sei alles verloren. Es sei nach seiner Ansicht auch nicht richtig, daß Lüttwitz nicht zurücktreten könne, ohne die Truppen dadurch kampfunfähig zu machen. Auch würde der Angriff viel an seiner Heftigkeit verlieren, wenn noch rechtzeitig bekannt würde, daß die Bedingungen der Reichsregierung angenommen seien3.

3

Vgl. dazu die Notiz im Diensttagebuch des OvD im RWeMin. vom 16. 3., 22.15 Uhr: „Antwort an Stuttgart auf Noske-Bedingungen wird zunächst nicht erteilt, da letztere durch Lage (Verhandlungen mit Südekum-Schiffer) überholt“ (Nachl. Schleicher , Nr. 18, S. 38 a).

Mag dem sein, wie ihm wolle, jedenfalls ist jetzt nichts mehr zu retten, nachdem der Telephonverkehr nach Berlin gesperrt ist4.

4

An anderer Stelle notiert Koch nach diesem Gespräch über seine vorübergehend schwankende Haltung: „Also nun sucht Lüttwitz wieder eine einheitliche Front, wo die Folgen seiner Taten hervortreten. Die verbrecherischen Toren. Es ist furchtbar! […] Gut, daß ich nicht zu entscheiden hatte. Auch keine andere Entscheidung herbeizuführen versuchen konnte, weil getrennt wurde. Da hätte man die Nerven verlieren können“ (Nachl. Koch-Weser , Nr. 25, S. 71).

Major von Gilsa teilt noch mit, daß er ähnliche Nachrichten von Pabst bekommen habe, nur werde da nicht von einem Ultimatum der Spartakisten, sondern der Unabhängigen gesprochen.

<Auch Stockhausen habe dieselben Nachrichten an den Ordonanz-Offizier des Generals Maercker gegeben5. Hier ist das Ultimatum bezeichnet, es bedeutet Zurückziehung der Truppen. Ihm sei von dem Führer der Unabhängigen gesagt worden, er solle abwarten, Verhandlungen seien im Gange, darauf hat er geantwortet, es sei gleichgültig, ob eine Einigung mit Ebert und Noske erzielt werde, für sie sei jetzt der geeignete Moment, ihre Weltanschauung zu verwirklichen.

5

Maj. von Stockhausen hatte um 19 Uhr mit Gen. Maercker und Oberstlt. von Metzsch gesprochen, als diese die Antwort der RReg. auf die Forderungen Kapps nach Berlin durchgaben (vgl. Dok. Nr. 198, Anm. 10). – Metzsch war Chef des Stabes im Wehrkreiskommando IV!

Stockhausen äußerte schließlich dem Ordonnanzoffizier des Generals von [!] Maercker gegenüber, das Verlangen, daß Lüttwitz diese Nacht noch das Kommando führen dürfe. General Maercker ließ antworten, daß eine Verhandlung von der Reichsregierung abgelehnt wird. Sofortiger Kommandowechsel sei erforderlich. Das Gespräch wurde hierauf abgebrochen.>6

6

Der in <> gesetzte Teil dürfte von Reg. Assessor Lohmann verfaßt worden sein. Lohmann wohnte dem geschilderten Telefongespräch bei. Im Entw. ist dieser Text als Anlage 2 zu der als Dok. Nr. 198 abgedruckten Aufzeichnung kenntlich gemacht (Nachl. Koch-Weser , Nr. 24, S. 49).

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