2.35.3 (bau1p): 3. Regelung der Steuerverwaltung.

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[150]3. Regelung der Steuerverwaltung11.

11

Siehe dazu zuletzt Dok. Nr. 30, P. 4.

Der Reichsminister der Finanzen legte in längeren Ausführungen dar, daß die Übernahme der Steuerverwaltung in den einzelnen Freistaaten durch das Reich unbedingt erforderlich sei. Als Gründe für diese Maßnahme führte er an 1) Reichsverfassung (Übernahme der Zölle und indirekten Steuern in reichseigene Verwaltung); 2) Dezentralisation der Verwaltung der reichseigenen Güter durch das Reichsschatzministerium vom 1. Oktober 1919 ab; 3) Aufhören der Bezirkskommandos mit dem 1. Oktober 1919; 4) Inkrafttreten der Umsatzsteuer am 1. Oktober 1919; 5) Inkrafttreten des Gesetzes über das Reichsnotopfer am 1. Januar 1920; 6) Inkrafttreten der Reichseinkommensteuer am 1. April 1920.

Für alle diese Angelegenheiten müßten sofort die notwendigen Vorbereitungen getroffen werden, insbesondere sei die sofortige Einrichtung von Landesfinanzämtern erforderlich. Aber auch weitere Gründe allgemeiner Natur sprächen für eine Übernahme der Steuerverwaltung durch das Reich: a) Zunahme der Steuern; b) Verschiebung des Steuereinkommens insofern, als das Reich jetzt 75%, früher 35% des gesamten Steuereinkommens für sich in Anspruch nähme; c) Einziehung der Einkommensteuer (durch Klebemarken oder direkte Abzüge, damit auch jeder zahle); d) Auferlegung der solidarischen Haftung des Reichs hinsichtlich der Gliedstaaten durch den Friedensvertrag; e) gerechte Anwendung der gesetzlichen Vorschriften bei der Veranlagung; f) Vermeidung von sonst unbedingt erforderlichen Kontrollinstanzen und damit eines doppelten Beamtenapparates und Schikanen gegenüber den einzelstaatlichen Verwaltungen.

Aus allen diesen Gründen sei die Einführung der reichseigenen Steuerverwaltung notwendig. Die Bedingungen, die Preußen für seine Zustimmung gestellt habe12, seien a) Nichtbegünstigung der Separationsbestrebungen einzelner Landesteile durch das Reich; b) Sicherung der Selbständigkeit der Einzelstaaten und Gemeinden; c) Zustimmung aller Freistaaten zu dem Übergang der Steuerverwaltung auf das Reich. Diese Bedingungen seien erfüllt, bzw. würden erfüllt werden.

12

Vgl. Dok. Nr. 24.

Er hoffe daher, daß die Preußische Stimme im Staatenausschuß für den Entwurf13 abgegeben werden würde.

13

Gemeint ist der Entw. einer Reichsabgabenordnung, der dem Staatenausschuß am 24. 7. als Drucks. Nr. 150 zugeleitet worden war.

Der Preußische Finanzminister bedauerte, diese Zusage nicht geben zu können, da nicht alle Bundesstaaten gewillt seien, der Vorlage zuzustimmen; unter allen Umständen müsse die Selbständigkeit der Einzelstaaten gewährleistet werden. Bisher habe der Reichsminister der Finanzen das versprochene Material pp. noch nicht vorgelegt, so daß nicht geprüft werden könne, ob überhaupt eine Selbständigkeit der Einzelstaaten noch möglich sei. Preußen sei zwar grundsätzlich für den Einheitsstaat, aber seine Stimme könne es nur dann[151] dafür abgeben, nachdem ein einheitlicher Plan in dieser Frage aufgestellt und durchberaten sei; außerdem müsse es die Sicherheit haben, daß für seine Bedürfnisse ein entsprechender Anteil an dem Reichseinkommen sichergestellt würde14.

14

In der Sitzung des PrStMin. vom 2. 8. führt Südekum dazu aus, „daß die materiellen Steuerfragen von der formalen Frage der Übernahme der Verwaltung nicht zu trennen seien. Ob das Reich die Steuerverwaltung übernehmen solle, hänge davon ab, ob die Reichseinkommensteuer wirklich zu 90% oder jedenfalls zu einem überwiegenden Prozentsatz ausschließlich für das Reich in Frage komme oder nicht“ (Aufzeichnung Alberts vom 2.8.19; R 43 I /2430 , Bl. 82–85). Auf Antrag Preußens wird im Verlauf der Staatenausschuß-Beratungen der Entw. der Reichsabgabenordnung um die Bestimmung erweitert, daß die Länder mit festgelegten, jährlich steigenden Mindestsätzen am Ertrag der kommenden Reichseinkommensteuer beteiligt werden sollen (§ 451).

Der Reichsminister der Finanzen erwiderte, daß die Einzelstaaten beteiligt werden sollten und daß die Steuerregelung zum Einheitsstaate führe. Die Reichsregierung müsse unter allen Umständen die einheitliche Steuerverwaltung durchsetzen. Der Wunsch des Reichsministers der Finanzen wurde von verschiedenen Seiten unterstützt.

Der Preußische Ministerpräsident glaubte vorbehaltlich der Verständigung über Einzelpunkte die Zustimmung Preußens in Aussicht stellen zu können.

Zum Schluß wurde die Hoffnung ausgesprochen, daß die Angelegenheit im Staatenausschuß zur Zufriedenheit geregelt werden würde und daß auch das Preußische Staatsministerium vorbehaltlich der Verständigung über eine Reihe von Einzelpunkten sich grundsätzlich auf den Boden der beabsichtigten Übernahme der Steuerverwaltung auf das Reich stellen werde15.

15

Den vom Staatenausschuß in der erweiterten Fassung gegen die Stimmen Bayerns, Sachsens und Badens am 6. 8. angenommenen GesEntw. einer Reichsabgabenordnung legt der RFM noch am gleichen Tag der NatVers. vor (NatVers.-Bd. 338 , Drucks. Nr. 759 ). Der RFM erläutert die Dringlichkeit des Entw. am 12. 8. vor dem Plenum und gibt weitere Zusicherungen betr. den Finanzausgleich zwischen Reich, Ländern und Gemeinden ab (NatVers.-Bd. 329, S. 2362  ff.). Daraufhin wird der Teil des GesEntw. über die Schaffung der reichseigenen Steuerorganisation (§§ 8–50, 451) als Ges. über die Reichsfinanzverwaltung schon am 19. 8. angenommen (ebd., S. 2643). Das am 10. 9. ausgefertigte Ges. tritt am 1.10.19 in Kraft (RGBl. S. 1591 ). Von diesem Tag an werden die Länderfinanzverwaltungen als Reichsbehörden übernommen. Das Ges. geht ohne wesentliche Veränderungen wieder als erster Teil in die zwischenzeitlich in ihrer Gesamtheit angenommene Reichsabgabenordnung vom 13.12.19 ein (RGBl. S. 1393 ). Die Bestimmungen über die Beteiligung der Länder an der Einkommensteuer bleiben bis zur Verkündigung des Landessteuergesetzes vom 30.3.20 (RGBl. S. 402 ) gültig. – Zum Finanzausgleich s. auch Dok. Nr. 54.

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