1.37 (bru3p): Nr. 551 Aufzeichnungen des Ministerialrats Feßler über die Sitzung des Ausschusses II des Wirtschaftsbeirats am 11. November 1931, [16 Uhr]

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Nr. 551
Aufzeichnungen des Ministerialrats Feßler über die Sitzung des Ausschusses II des Wirtschaftsbeirats am 11. November 1931, [16 Uhr]

R 43 I /1166 , Bl. 130–1381

1

Eine Anwesenheitsliste ist der Aufzeichnung nicht beigefügt worden.

Der Reichswirtschaftsminister stellte die Zinsspanne mit Ausnahme der Verhältnisse bei den landwirtschaftlichen Kreditgenossenschaften, die am nächsten Tage mit Sachverständigen besprochen werden sollen, die Kredite für die mittlere und kleinere Industrie und das Kreditvolumen zur Erörterung.

Es bestand im Ausschuß darüber Einvernehmen, daß die Regierung die Unterkommissionen von sich aus bestimmen soll.

Generaldirektor Schmitt wies darauf hin, daß in der Presse Mitteilungen über die Arbeiten des Unterausschusses veröffentlicht worden seien, die auf Indiskretion beruhen müßten. Die Frage der Zinsherabsetzung habe schon am 28. Oktober auf der Tagesordnung der Handelskammer Berlin gestanden. Am 11. November sei ein entsprechender Entwurf der Handelskammer umgelaufen. Nach kurzer Erörterung wurde festgestellt, daß es sich nur um Ausführungen auf Grund der allgemein umlaufenden Gerüchte gehandelt habe.

Direktor Pferdmenges gab eine Übersicht über die Kreditbedingungen. Die Regel sei bei Debetzinsen 1% über dem Reichsbankdiskont sowie eine Kreditprovision von 2% jährlich. Hinzu komme eine Umsatzprovision von jährlich ¼%, berechnet von der Höchstsumme der in Anspruch genommenen Kredite. Bei kleineren Personalkrediten würden von Fall zu Fall auch über diese Normen hinausgehende Zuschläge gefordert. Die Kredit-Zinsen seien immer noch außerordentlich hoch. Für drei Monate festgelegtes Geld zahlten die Banken über 9% Zinsen. Deswegen und wegen der Verluste, die auf der Debet-Seite entständen, müßten die Debet-Zinsen hoch sein.

[1949] Es sei erforderlich, auf eine erhebliche Senkung der Kredit-Zinsen hinzuwirken. Dann würden auch die Debet-Zinsen zurückgehen.

Die Unkosten der Banken hätten sich stark erhöht. Für die Zinsspanne sei die Flüssigkeit der Banken von größter Bedeutung. Der Zinssatz sei dadurch beeinflußt, daß ein erheblicher Teil der Auslandsgelder etwa bis zu ¼ im Ausland flüssig gehalten werden müßten.

Der Reichsminister der Finanzen stellte fest, daß kein Schriftstück der Reichsregierung herausgegangen sei, auf dem die Vermutung über die Gerüchte in der Öffentlichkeit über die Verhandlungen des Beirats basieren könnten. Der Reichskanzler habe in seiner Regierungserklärung hierzu am 13. Andeutungen gemacht. Die Erklärung sei vorher im Kabinett gebilligt worden2.

2

Der RK hatte in seiner Regierungserklärung am 13.10.31 zur Zinsfrage ausgeführt: „Landwirtschaft, Grundbesitz und Industrie leiden unter zu hohen Zinssätzen. Ihre Senkung ist ein anderes unerläßliches Mittel zur Herabsetzung der Produktionskosten, wenn wir nicht zu einer völligen Schrumpfung der deutschen Wirtschaft kommen sollen“ (RT-Bd. 446, S. 2071 ). Vgl. auch Dok. Nr. 515, P. 1.

Dr. Suhr hielt es nicht für angezeigt, die Zinsen langfristiger Kredite allgemein herabzusetzen. Die Einzelfälle müßten individuell im Akkordverfahren mit den Gläubigern behandelt werden, etwa wie im Osthilfeverfahren. Er verwies dabei auf die Ausführungen von Dr. Stern im „Deutschen Volkswirt“3.

3

In seinem Artikel „Geordnete oder ungeordnete Sanierung“ hatte der Berater der Reichskreditanstalt Ernst Stern folgende Vorschläge gemacht: „1. Überschuldete Betriebe, die sich mit ihren Gläubigern über eine Sanierung nicht einigen konnten, sollten zur Vermittlung eine Umschuldungsstelle anrufen können. 2. Die Umschuldungsstellen sollten Vollstreckungsschutz gewähren können. 3. Ziel der Sanierung sollte die Zinssanierung sein, wobei die Gläubiger die Möglichkeit haben sollten, ihre Forderungen in Aktien umzuwandeln. 4. Denjenigen Gläubigern, die Forderungen in Aktien umgewandelt hatten, sollten bei eigenem Geldbedarf die Aktien mobilisieren können (Der Dt. Volkswirt 6 (1931 (32), Nr. 6 vom 6.11.31, S. 182–184).

Bei den kurzfristigen Zinsen sei der Reichsbankdiskont entscheidend. Es werde kaum möglich sein, ihn herabzusetzen. Dagegen sei auch nach den Ausführungen des Enquêteausschusses die Belastung mit Provisionen übermäßig.

Für die Kreditgewährung an kleinere und mittlere Unternehmungen soll der Bankkommissar Richtlinien aufstellen.

Im übrigen trat er für den Vorschlag Silverbergs4 ein, und zwar von seinem Standpunkt als überzeugter Sozialist aus. Es wäre die Überleitung zu einem anderen Wirtschaftssystem. Er verkannte nicht die Möglichkeit inflationistischer Wirkungen. Deswegen und weil er schließlich zu einer Zwangsbewirtschaftung der Kredite führen müßte, sprach sich Dr. Suhr schließlich aus praktischen Gründen gegen den Vorschlag Silverberg aus.

4

Siehe die Anlage zu Dok. Nr. 554.

Ebenso äußerte sich Gewerkschaftsführer Eggert. Er trat aber für ein bestimmtes Beschaffungsprogramm ein.

Dr. Silverberg ging zunächst auf die Bankenorganisation ein. Im Verhältnis zu dem Geld- und Kreditvolumen sei sie übermäßig entwickelt. Zusammenbrüche hätten noch nicht ausreichende Bereinigung gebracht.

Die Sparkassen hätten versagt, weil sie ihnen wesensfremde Bankgeschäfte übernommen hätten, soweit notwendig in Verbindung mit Staatsbanken. Die Aufsicht über die Sparkassen sei unwirksam gewesen. Die Abzüge seien nun weniger[1950] Sparguthaben als Giralgelder. Durch Vereinbarungen mit den Banken untereinander hätten diese Mißstände bisher nicht beseitigt werden können.

Wenn die Sparkassenaufsichten funktionieren, so würde es möglich sein, bei ihnen Höchstzinsen für die Einlagen durchzudrücken.

Gegenüber Ausführungen des Reichsbankpräsidenten bezweifelte er die Richtigkeit der von diesem vertretenen klassischen Goldtheorie5. Der inländische Geldverkehr werde dadurch übermäßig verteuert.

5

Vgl. die Äußerungen Luthers in Dok. Nr. 550.

Durch diese Verteuerung trete eine Verknappung der Kredite ein. Die Wirtschaft müsse sich helfen durch Ausdehnung des Kreditvolumens zu billigen Zinssätzen. Andernfalls würde die Einschrumpfung bis zu einem Grade fortgesetzt werden, von dem aus ein Aufschwung nicht mehr möglich wäre. Er bestritt die Möglichkeit inflationistischer Wirkung seines Planes. Ob Kredite aus dem Auslande hereinkämen, würde entscheidend vom Vertrauen des Kreditnehmers in die zukünftige Entwicklung beeinflußt. Auch billige ausländische Kredite würden nur mit Vorsicht aufgenommen, weil niemand wisse, ob er sie zurückzahlen könne.

Die Wirtschaftsentwicklung sei jetzt bereits auf einem Tiefpunkte angelangt. Wenn der Reichsbankdiskont auf seiner bisherigen Höhe gehalten werde6, so kämen große Teile der rheinisch-westfälischen Schwerindustrie in kürzester Zeit zum Erliegen. Sie würden für die nächsten sechs Wochen durch Russenkredite aufrechterhalten. Die Produktion betrage kaum mehr 70% der Kapazität im Durchschnitt, bei Eisen und Kohle etwa 25–30%.

6

Der Diskontsatz der Rbk betrug seit dem 1.9.31 8%, der Lombardsatz 10% (Schultheß 1931, S. 199).

Der Reichsbankkommissar gab einen eingehenden Überblick über die Entwicklung des Bankwesens seit 1913.

Das Eigenkapital der Banken habe damals 1.78 Milliarden betragen. Es sei bis 1930 auf 485 Millionen zusammengeschrumpft. Dagegen sei im gleichen Zeitraum die gesamte Bilanzsumme von 7 auf 11,5 Milliarden angewachsen. Starke Konzentrationsbestrebungen, die Schwierigkeiten der Geldbeschaffung und Börsendisposition, der Erwerb von Aktienpaketen in wenigen Händen hätten zu einer Abwanderung der Bankleitungen aus der Provinz nach Berlin geführt.

Das Kapital der mittleren und kleineren Schichten sei geschwunden. Damit hätten die Privatbankiers in der Provinz ihren Rückhalt verloren.

Der Bankenapparat habe sich während der Inflation stark aufgebläht, nachher sei er zurückgegangen. Die Zahl der Privat-Banken habe betragen

1913

1800

1925

2500

1930

2000.

Konzernbanken seien gegründet worden. Öffentlich-rechtliche Kreditanstalten seien in die Bankensphäre eingedrungen. Nach der Inflation habe sich diese Bewegung fortgesetzt, zumal das Auslandsgeld hereingeströmt wäre. Der Kampf mit den Kunden habe immer heftigere Formen angenommen.

Abhilfe sei möglich durch eine Fülle verschiedener Maßnahmen, die gleichzeitig getroffen werden müßten; vor allem müsse die Kapitalbildung gefördert und das Mißverhältnis zwischen Kapital und Bilanz bei den Banken verbessert werden.

[1951] Weitere Konzentration der Banken sei nötig, um Kosten zu ersparen und eine bessere Übersicht zu gewinnen. Große Bankkonzerne seien an sich das Gegenstück zu großen Industriekonzernen und durch sie bedingt. Diese Zusammenballung von Kapital allerdings habe Bedenken besonders wegen der Abgrenzung der Verantwortung zwischen Filialen und Zentralen. Provinziale Banken und Privatbankiers müßten gestützt werden, um das individuelle Kreditgeschäft der mittleren und kleineren Firmen zu erleichtern. Hierzu sei Kapital nötig, aber auch eine Stärkung des Vertrauens, insbesondere bei den Privatbankiers. Diese seien bereit, sich einer regelmäßigen Kontrolle unter staatlicher Leitung zu unterwerfen.

Die Privatbankiers müßten wieder stärker in das Effektengeschäft eingespannt werden. Dafür müsse die Börsenorganisation geändert werden. Vielleicht könne auch durch Umbildung der Gewerbesteuer geholfen werden.

Die Kreditverteilung zwischen großen, mittleren und kleinen Unternehmungen sei nicht so ungünstig, wie sie öfter hingestellt werde. Allerdings seien die Statistiken nicht immer ganz zuverlässig.

Bei den Großbanken sei die Gesamtsumme der Kreditoren seit 30.6.1931 bis 30. 9. von 8,4 auf 7, 1 Milliarden gefallen. Die Banken müßten sich das Geld zur Auszahlung dieser Beträge beschaffen. Dabei sind die kleineren und mittleren Unternehmungen schärfer angefaßt worden als die großen, da sie etwas konjunkturanpassungsfähiger sind als letztere.

Es müsse auf die Banken eingewirkt werden, daß sie der kleineren und mittleren Industrie im Kredit mehr entgegenkommen als bisher. Sie sei ihre beste Kundschaft. Daneben müßten die Privatbanken gestützt werden. Das Akzeptkontingent der Banken müßte erhöht werden. Bei Aufstellung der Bilanz für den 31. 12. möchte den Banken geholfen werden. Die Bilanzwahrheit sei aufrechtzuerhalten, aber unter Schonung der berechtigten Interessen, etwa durch Schaffung eines Kapital-Ausgleichskontos und Verteilung des Verlustes auf eine Reihe von Jahren. Dann würde der Drang der Banken nachlassen, sich liquide zu machen.

Die Frage wird mit dem Reichsjustizministerium erörtert werden.

Im Konkurrenzkampf der Bankunternehmungen untereinander könnte die Zinsmarge nicht zwangsweise erfaßt werden, sie müsse aber mehr als bisher den einzelnen Kreditnehmern angepaßt werden. Provisionen von ½% für ein Vierteljahr wirken sich äußerst stark oder beim Zusammenbruch des Schuldners gar nicht aus. Gegen Spitzenforderungen und Differenzen in der Berechnung der Kreditlasten müsse Schutz geboten werden. Es sei nötig, die Zuschläge zu den Zinsen mehr als bisher von der Konjunktur abhängig zu machen, sie in guten Zeiten nicht zu tief heruntersinken zu lassen und in schlechten Zeiten nicht zu sehr heraufzuschrauben.

Durch eine Evidenzzentrale müsse vermieden werden, daß derselbe Schuldner von mehreren Seiten Kapital erhält.

Auf die Habenzinsen sei eine Einwirkung möglich, wie die freiwilligen Abkommen im Osten gezeigt hätten. Die Sparkassen unterscheiden zwischen Sparkonten und Girokonten und gäben für erstere höhere Zinsen. Bis 300 RM zahlten sie auf Sparkonten sofort aus, darüber nach Fristen. Vielfach sei aber von den Fristen abgesehen worden. Dadurch hätten sich die Konkurrenzverhältnisse zwischen Banken und Sparkassen verschoben.

[1952] Es sei nicht zu empfehlen, die Kündigungsfristen jetzt zu strecken.

Die Vorwürfe gegen die Sparkassen seien im allgemeinen nicht berechtigt. Sie hätten sich stark zu den ihnen eigenen Geschäften zurückgefunden, insbesondere auch zur Anlage ihrer Gelder in Hypotheken. Sie müßten in erster Linie dem Kredit der mittleren und kleinen Unternehmen dienen.

Bei den Genossenschaften und Girozentralen seien mehr Fehler gemacht worden. Letztere hätten stark in die reine Banksphäre übergegriffen. Da müsse eine Rückentwicklung stattfinden. Die Banken sollten sich aus den Sparguthaben, Girozentralen und Sparkassen aus den reinen Giralgeschäften und dem mittleren und großen Kreditgeschäft heraushalten.

Die Lage der landwirtschaftlichen Genossenschaften sei unvergleichlich schlechter als die der gewerblichen. Eine Verallgemeinerung des Urteils über die Genossenschaften sei gefährlich. Auch sie müßten zum Geschäft der kleinen und mittleren Kreditnehmer zurückfinden. Die Schwierigkeiten bei gewerblichen Kreditgenossenschaften beruhten fast regelmäßig auf Großkrediten, die häufig vorher von den Banken abgelehnt worden seien.

Die landwirtschaftlichen Genossenschaften krankten, wie die Konzernbanken, daran, daß sie mit dem Kredit zu eng verbunden sind, dem sie dienen sollen. Dadurch ergäbe sich bei Konjunkturschwankungen ein bedenklicher Mangel im Ausgleich des Risikos.

Dr. Hackelsberger schloß sich den Ausführungen in wesentlichen Punkten an. Die mittlere und kleine Industrie sei im Kredit stark vernachlässigt worden. Filialleiter der Großbanken könnten ihre Kunden nicht mehr pfleglich behandeln, weil ihnen die Hände gebunden seien. Die Großbanken seien noch immer übersetzt. Die mittleren und kleinen Industriellen müßten 6–7% über den Reichsbankdiskont zahlen. Kreditprovisionen, Überziehungsprovisionen belasten sie schwer. In letzter Zeit seien ihre Kredite bis zu 50% abgebaut worden.

Die Zinsmarge sei ein Unkostenproblem.

Die Regulierung der Habenzinsen könne nur vorsichtig erwogen werden. Eine Verständigung der Banken untereinander sei besser, aber wohl zweifelhaft. Provisionen für einzelne Kreditvermittlungen in Höhe von mehreren Prozent seien nicht selten. Sie seien durch die Unkosten für die Tätigkeit in keiner Weise gerechtfertigt.

Das gehamsterte Geld, das etwa 1½–1¾ Milliarden betrüge, müsse wieder in Zirkulation kommen. Einziehungen, Abstempelung oder verängstigende Publikationen müßten erwogen werden. Der bargeldlose Verkehr sei zu intensivieren, insbesondere der Postscheckverkehr. Die Akzept-Kredit-Kontingente für die Banken möchten erhöht werden. Erweiterung des gesamten Kreditvolumens käme wohl erst in Frage, wenn das Unkostenniveau noch weiter herabgedrückt sei. Allerdings werde es nicht möglich sein, einen Zinsfuß von 4% neben einem von 8% aufrechtzuerhalten. Bei der Festsetzung des Reichsbankdiskonts dürfe allerdings der Gesichtspunkt der Auslandsverflechtung nicht zu stark berücksichtigt werden.

Generaldirektor Schmitt wandte sich gegen gesetzgeberische Eingriffe in das Kreditwesen. Die Bankenaufsicht, die Aufsicht über das Versicherungswesen, müßten volkswirtschaftlich wirksam zusammenarbeiten mit den beruflichen Vertretungen, um Auswüchse zu unterbinden und zu verhindern. In eingeweihten Kreisen werde die Entwicklung von Skandalen vielfach rechtzeitig gesehen.

[1953] Präsident Hecker trat entschieden für die gewerblichen Genossenschaften ein. Sie stützten den gewerblichen Mittelstand, für den die Sparkassen nicht mehr sorgen könnten. Auch die Privatbankiers seien verarmt. Im Genossenschaftsverband seien 1300 Kreditgenossenschaften mit einem Gesamtkapital von 2 Milliarden zusammengeschlossen, 2 Millionen Konten und 800 000 Mitglieder würden gezählt, viel Kleinarbeit würde geleistet. Durch Stärkung der Genossenschaften würde dem Mittelstand geholfen.

Diese Genossenschaften hätten aber 2 zentrale Kreditinstitute; 950 Kreditgenossenschaften arbeiteten mit der Dresdner Bank, 1100 mit der Preußenkasse. Schon daraus ergebe sich, daß eine große Zahl Rückendeckung bei beiden Kreditinstituten suche und zu Unrecht von beiden Kredit erhalte, ohne daß sie gegeneinander abgeglichen würden.

Das Handwerk wünsche die Beseitigung dieses Dualismus und Schaffung eines zentralen Kreditinstituts für die gewerblichen Genossenschaften, das auch genossenschaftlich organisiert sei.

Der Reichsbankpräsident hielt die organisatorische Hilfestellung des Staates im Kreditwesen für notwendig und wies auf die Einzelverhandlungen der Reichsbank in den Provinzen des Ostens hin, die eine Vereinbarung der örtlichen Kreditinstitute und eine Herabsetzung der Zinshöhe und Zinsspanne zum Ziele hätten. Auch er hielt Statistiken über die Verteilung der Kredite für fragwürdig. Einzelklagen wegen unzulänglicher Berücksichtigung erwiesen sich bei genauerer Prüfung bisweilen als unberechtigt. Die Reichsbank wünsche nicht schematische Kreditrestriktionen, wie sie insbesondere auch bei den Sparkassen vorgekommen seien. Das Bestreben, sich liquide zu stellen, sei zwar berechtigt, die gesunden Unternehmungen dürften dadurch aber nicht vernichtet werden. Dahin gehe das Bestreben der Reichsbank mit Erfolg.

Die organisatorischen Fragen seien grundlegend und die Voraussetzung für Zinssenkung.

Der Reichsbankpräsident unterstrich erneut seine Auffassung über die Abhängigkeit des Reichsbankdiskonts vom Auslande7, während der Reichsminister der Finanzen diese Frage durch einen Zwischenruf als einen Streitpunkt bezeichnete. Die Devisenordnung müßte verschärft werden. Die Kräfte, die das Geld nach außen zögen, dürften nicht weiter wachsen.

7

Vgl. Dok. Nr. 547.

Die Kreditlinie, die im Stillhalteabkommen vereinbart sei8, wirke sich in hohem Grade ungünstig aus. Gläubiger und Schuldner wollten zurückzahlen, insbesondere Pfundkredite9. Würden neue Kredite angefordert, so käme es zu Schwierigkeiten und manchmal zu schikanösen Maßnahmen der Kreditgeber. Andererseits würde die Kreditlinie zur Erlangung von Auslandskredit nicht wieder ausreichend in Anspruch genommen, sonst wäre die Lage der Reichsbank besser. Niemand könne aber mit Gewalt gezwungen werden, Auslandskredite aufzunehmen. Auch die Saisonkredite laufen außerhalb des Stillhalteabkommens. Aussichtsreiche Verhandlungen,[1954] diese Kredite Deutschland zu erhalten, hätte sich nach der Pfundkrise zerschlagen. Die tatsächlichen Abzüge hielten sich in Parallele mit der gesamten Wirtschaftsentwicklung als Folge zwangswirtschaftlicher Maßnahmen. Es mangele an innerer Disziplin. Weitere Zwangseingriffe ergäben sich daraus.

8

Entw. des Stillhalteabkommens in R 43 I /316 , Bl. 143–154.

9

Die Rückzahlung von Krediten, die auf das britische Pfund lauteten, waren wegen der Pfundabwertung (siehe Dok. Nr. 483, Anm. 4) attraktiver geworden.

Bei dieser Sachlage sei der einzige Barometer der Zins. Das Auslandsgeld müsse billiger sein als das des Inlands.

Herabsetzung des Diskonts würde weitere Devisenabzüge zur Folge haben, die nicht ertragen werden könnten. Bei dieser Sachlage müsse überlegt werden, ob der Diskontsatz nicht noch weiter erhöht werden müsse. Ihn zu senken, sei unmöglich.

Theoretisch könne überlegt werden, ob nicht der gesamte Verkehr mit dem Auslande durch Einfuhr-, Ausfuhrmonopol und Zusammenfassung aller Schulden und Forderungen vereinheitlicht werden könne. Das Ausland würde Gegenmaßnahmen treffen. Schließlich würde es zum Warenaustausch zwischen den Ländern kommen. Das Elend, das sich dann entwickeln werde, werde größer sein als die Schwierigkeiten, die sich aus der Notwendigkeit der Zinspolitik ergäben.

Es träfe nicht zu, daß die ganze deutsche Wirtschaft bereits zum Stillstand gekommen sei. Versicherungsverträge gingen in Höhe von 2/3 der Anträge des vorigen Jahres ein. Es sei ein Beweis für wirtschaftliche Arbeit und Kapitalbildung. Erwägungen über den Silverbergschen Plan lenkten zu einem erheblichen Teil von den Maßnahmen ab, die ergriffen werden müßten, um das allgemeine Niveau der Ausgaben zu senken. Auf die Tatsache der Pfundentwertung müsse in diesem Zusammenhang eingegangen werden. Sonst lasse sich auch über den Tiefpunkt der Entwicklung nichts zutreffendes feststellen.

Der Gedanke, die Wirtschaftsbewegungen zunächst weiterlaufen zu lassen und eine Hilfe erst zu bringen, wenn der Tiefpunkt erreicht sei und neue Aufträge finanziert werden müßten, sei beachtlich, die Durchführung aber schwierig beim gegenwärtigen Zustande der Banken. Das Privatbankiergewerbe sei hierfür in erster Linie berufen. Es würde mehr leisten, als jetzt von ihm erwartet würde.

Die Reichspost werde sich mit dieser Frage eingehend beschäftigen. Die Leitung werde dann das Ihrige tun müssen, um die Zwischenfinanzierung zu ermöglichen.

Das organisierte Beschaffungsprogramm der Reichsbahn baue auf eigene Einnahmen und auf Kapital der Amnestieanleihe auf. Es sei also innerlich fundiert.

Wenn sich das Wirtschaftsleben wieder erhole, dann würden die Hemmungen gegen eine Diskontsenkung bald verschwinden. Auch die Außenschwierigkeiten würden geringer werden.

Es sei der Reichsbank nicht möglich, eine Diskontsenkung und Kreditverstärkung auch nur bedingungsweise zuzusagen. Er bitte aber um Vertrauen in die Leitung. Würde das gehamsterte Geld wieder in Bewegung kommen, so würde zwar der Status der Reichsbank verbessert, sonst aber nichts geändert. Der Umlauf an Zahlungsmitteln würde zurückgehen und es bestände noch die Gefahr, daß mehr, als volkswirtschaftlich berechtigt, in Waren angelegt würde. Wenn eine Angststimmung käme, sei mit dieser Bewegung zu rechnen, die eine inflationistische Wirkung haben könnte.

Der Reichsminister der Finanzen hielt es für geboten, daß die Reichsregierung in das Gebiet der Kreditzinsen, der Zuschläge der Banken und der Organisation mit[1955] Nachdruck eingreife. Landwirtschaftliche Genossenschaften müßten liquidiert werden, soweit sie krank seien. Da zwei Großbanken in der Hand des Reiches seien10, könne das Reich dazu beitragen, daß die Konkurrenz der Provinz durch Zusammenlegung oder Liquidierung von Filialen verringert würde. Die Organisation sei auch für den Unkostenstand entscheidend. Allerdings werde im Winter ein Eingriff in dieser Richtung schwer durchführbar sein. Das Bankgewerbe müsse aus sich heraus die Frage der Habenzinsen und der Geschäftsverteilung lösen können.

10

Die Danatbank und die Dresdner Bank.

Damit werde dann auch die Kreditgewährung an die mittlere und kleinere Industrie gebessert.

Die großen Bankunternehmungen dürften ihr Kapital nicht im Übermaße in großen Konzernen festlegen. Sie müßten mehr als bisher den selbständigen Unternehmern helfen. Das erfolge mit einer gewissen Zwangsläufigkeit.

Der Geldumlauf der Reichsbank reiche für eine mittlere Konjunktur aus, wenn die Zirkulation im vollen Umfange stattfände. Das treffe aber nicht zu. Nach seiner Auffassung würden die Schwierigkeiten überwunden, wenn das gehamsterte Geld in den Kreditinstituten eingezahlt würde. Dann würde der Diskont beeinflußt werden.

Der Zusammenhang mit dem Auslande beruhe auf der knappen Gold- und Devisendecke der Reichsbank. Die Firmen, die exportierten, schafften Devisen. Wer nicht exportiere, brauche und werde keine Schulden im Auslande abzahlen können. Es müsse möglich sein, die Lücken des Stillhalteabkommens im Verwaltungswege zu schließen. Das Problem der Geldbewegung im Inlande müsse entscheidend sein. Sonst bestehe die Gefahr, daß die Reichsbank festfriere. Sie bekomme nur schlechte Wechsel herein, die guten würden ihr nicht gegeben, weil der Diskont zu teuer sei, sie blieben bei den Firmen.

Dadurch werde auch ein Druck auf die Abhebungen bei den Sparkassen ausgeübt.

Wenn das Reich seine Ausgaben kürzen und seine Einnahmen weiter steigern müsse, dann werde der Tiefpunkt der Entwicklung bald erreicht sein. Der Binnenmarkt müsse sich dann heben, der Außenhandel sei auch bisher weiter günstig und ausreichend gewesen, um die Privatschulden zu bezahlen.

Die 3 Milliarden für Arbeitslose drückten auf den Produktionsapparat und den Verbrauch. Sie seien außerdem überlastet mit öffentlichen Abgaben und Zinsen. Die Kosten der öffentlichen Hand seien übersteigert. Das sei aber nicht der Grund des Stillstandes. Die Verteilung des Ertrages der Produktion habe sich geändert. Im Grunde sei die Zinsenfrage nur eine Verteilungsfrage. Entscheidend sei, ob die Deflation soweit getrieben werden könne, daß das vorhandene Geldvolumen wieder ausreicht. Kapital und Produktion müßten im Zusammenhang gesehen werden. Kapital könne nicht entstehen, wenn nicht die Produktion durch Kapital in Gang gesetzt werde. Andernfalls bräche die Wirtschaft zusammen, da sie festgefroren sei.

Das kapitalistische System sei gestört. Geld- und Kreditwirtschaft müßten anders behandelt werden als bisher. Wäre es möglich, eine Million Arbeitslose nützlich zu beschäftigen in Siedlungen, Kleinwohnungen und ähnlichen Unternehmungen11,[1956] dann würden wieder Werte geschaffen. Das Geld würde wieder in Umlauf kommen und der Reichsbank zufließen. Die Produktivkraft müsse deswegen eingesetzt werden.

11

Vgl. dazu Dok. Nr. 465, P. 2.

Generaldirektor Schmitt schlug vor, das Silverbergsche Projekt in einem kleinen Unterausschuß zu verhandeln, um Indiskretionen zu vermeiden. Ausländische Banken hielten es für unmöglich, daß Deutschland den Vorschlag Silverbergs durchführe. Sie befürchteten schwere Gefahren für die Währung. Der bisherige Weg der Wirtschaft müsse weiterverfolgt werden, trotz aller Schwierigkeiten. Eine Reinigung würde die Folge sein. Künstliche Maßnahmen würden verderblich wirken. Wesentliche Teile der Wirtschaft seien noch im Gange und würden sich durchringen.

Der Reichswirtschaftsminister hielt eine Inflation für gegeben, wenn Noten gedruckt werden, um den Staat zu finanzieren. Sei diese Gefahrenquelle ausgeschlossen, so sei es möglich, die gesamte Umlaufmenge, Scheine, Buchgeld und Wechsel auf die Gütermenge abzustimmen. Dann läge keine Inflation vor.

Die Dynamik der Wirtschaft sei dabei zu beachten. Bei jedem Aufschwung zeigten sich Preissteigerungen des Geldvolumens und ein Steigen der Zinssätze. Die Konsummenge steige ebenso wie im Zusammenhange damit die Investition für neue Produktionsstätten. Eine gesunde Volkswirtschaft finanziere sich dann nur durch Privatdiskont, auch durch Finanzwechsel, die aber schnell durch die wirtschaftlichen Vorgänge selbst liquidiert würden.

Ware und Rohmaterialien könnten mit Handelswechseln finanziert werden, nicht dagegen die Löhne, bis neue Ware und neue Handelswechsel entstehen. Es müsse möglich sein, diese Löhne durch Kredit der Banken zu finanzieren, ohne daß eine Inflation zu fürchten sei. Im Aufschwung sei die Gefahr des Aufsaugens der Wechsel so klein, daß kein Schaden entstehen könne. Erst wenn Preise und Waren auf einem Tiefstand angelangt seien, könne der Aufschwung einsetzen. Ein Kreditvolumen dürfe nicht von vornherein geschaffen werden, sondern erst dann, wenn aufgrund von Aufträgen Kredit möglich sei. Es sei eine Frage der Zeit, langfristige Investitionen kämen nicht in Betracht.

Anders sei es zu beurteilen, wenn zurückgestellter Bedarf nachgeholt wird. Der normale Bedarf des Ersatzes und der Erhaltung des Volksvermögens müsse jährlich auf ungefähr 7 Milliarden geschätzt werden. Wenn in den letzten Jahren nur 2 Milliarden investiert worden seien, so sei jährlich ein Unterschied von 5 Milliarden entstanden. Anders liege es, wenn zu der vorhandenen noch zusätzliche Kapazität träte. Solange die Preise sinken, die Staatsgewalt in Ordnung sei, sei die Gefahr der Inflation ganz gering. Anders aber, wenn die Deflation noch nicht abgeschlossen sei.

Die Beratungen des Ausschusses wurden auf den 12. 11. nachmittags 4 Uhr vertagt12. Sie sollen mit Vernehmung der Sachverständigen des landwirtschaftlichen Kreditgenossenschaftswesens beginnen. Es wurde ausdrücklich festgestellt, daß keine Beschlüsse gefaßt worden sind, daß die entscheidenden Fragen vom Unterausschuß behandelt werden sollen.

12

Eine Aufzeichnung über diese Besprechung fehlt in den Akten der Rkei. Siehe dagegen Dok. Nr. 554.

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