2.141 (mu11p): Nr. 141 Der Staatskommissar für die Überwachung der öffentlichen Ordnung an den Reichskanzler. 16. Juni 1920

Zum Text. Zur Fußnote (erste von 3). Zu den Funktionen. Zum Navigationsmenü. Zum Navigationsbaum

 

Bandbilder:

Das Kabinett Müller IHermann Müller Bild 146-1979-122-28APlakat der SPD zur Reichstagswahl 1920Plak 002-020-002Wahlplakat der DNVP Plak 002-029-006Wahlplakat der DDP Plak 002-027-005

Extras:

 

Text

RTF

[337] Nr. 141
Der Staatskommissar für die Überwachung der öffentlichen Ordnung an den Reichskanzler. 16. Juni 1920

R 43 I /351 , Bl. 83

[Betrifft: Nationalistische Aktionen in Oberschlesien.]

In Übereinstimmung mit führenden Persönlichkeiten in Oberschlesien ist mein dortiger Vertreter bei mir vorstellig geworden, um vor der Gefahr zu warnen, die aus nationalistischen Demonstrationen und Gewalttätigkeiten deutschgesinnter Oberschlesier und des weiteren aus der Bildung von Kampforganisationen (sogenannten Stoßtrupps) aus diesen Bevölkerungsschichten für die deutsche Sache in Oberschlesien entstehen könne. Demonstrationen, die nach außen hin nationalistischen Charakter tragen1, werden allerdings vielfach von linksradikalen Elementen veranstaltet, die unter jenem Deckmantel ihre Sonderpläne zu fördern suchen, indem sie Unruhe in die Bevölkerung hineintragen. Vielfach sind sie aber auch der Ausfluß der durch die großpolnischen Umtriebe und die Gewaltherrschaft der französischen Besatzungstruppen erregten Volksstimmung. Es liegt auf der Hand, daß alle derartigen illegalen Demonstrationen und Gewalttaten, die von deutscher Seite ausgehen, unserer Sache nur schaden können, da sie den ganz offen ihre Sympathien für Polen bekundenden Franzosen Gelegenheit geben, die Deutschen ins Unrecht zu setzen.

1

In Oberschlesien war es mehrfach zu schweren Zusammenstößen zwischen Deutschen einerseits, Polen und Vertretern bzw. Truppen der interalliierten Kommission andererseits gekommen. S. zu diesen Vorgängen die Darstellung aus nationalistischer deutscher Sicht bei K. Hoefer, Oberschlesien in der Aufstandszeit 1918–1921, Berlin 1938.

Noch bedenklicher erscheint die Vorbereitung von Kampforganisationen aus der deutschgesinnten Bevölkerung Oberschlesiens, die auf Grund der umlaufenden Gerüchte über einen demnächst beabsichtigten Gewaltstreich der Polen zur Besitzergreifung Oberschlesiens vor sich geht2. Die Bildung dieser Kampftrupps bleibt auf die Dauer nicht geheim und kann einerseits den polnischen Putschisten den Vorwand zu „Verteidigungsorganisationen“ wie schließlich auch eines Tages zum Losschlagen geben und wird andererseits ebenfalls wieder den Franzosen eine Waffe „gegen die deutschen Putschisten“ in die Hand drücken.

2

In einem Schreiben an den RK hatte der Zentrumsabgeordnete Fleischer berichtet: „In Posen haben kürzlich polnische Studenten demonstriert und die Regierung offen zum Einmarsch in Oberschlesien aufgefordert“ (13.6.20; R 43 I /379 , Bl. 171-173).

Ich bin mit den oberschlesischen Gewährsleuten der gleichen Ansicht, daß es für die Reichsregierung dringend geboten ist, im Interesse der oberschlesischen Bevölkerung und der Zukunft Oberschlesiens gegen deutsche Gewaltakte und Demonstrationen wie auch gegen die Bildung von deutschen Kampforganisationen öffentlich Stellung zu nehmen. In der Anlage erlaube ich mir,[338] einen Entwurf zu überreichen, der die Grundlage zu einer diesbezüglichen Erklärung der Reichsregierung oder des Herrn Reichspräsidenten abgeben könnte3.

3

In dem Entwurf des Aufrufs wurde die deutsche Bevölkerung Oberschlesiens davor gewarnt, Gewalt anzuwenden und provozierende Demonstrationen zu veranstalten. Bei gewaltsamen Aktionen polnischer Gruppen sei es allein die Aufgabe der RReg., dagegen vorzugehen. Die Bildung deutscher Kampfgruppen werde nur die Polen provozieren; „daneben würde sie in den Augen der Entente die deutsche Sache von vornherein ins Unrecht zu setzen geeignet sein“. (R 43 I /351 , Bl. 84-86).

Weismann

Extras (Fußzeile):