1.131 (mu22p): Nr. 387 Aktennotiz Staatssekretär Meissners über eine Unterredung des Reichspräsidenten mit dem Reichsbankpräsidenten betr. die Finanzlage des Reichs. 16. Dezember 1929

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Nr. 387
Aktennotiz Staatssekretär Meissners über eine Unterredung des Reichspräsidenten mit dem Reichsbankpräsidenten betr. die Finanzlage des Reichs. 16. Dezember 1929

R 43 I /2632  Durchschrift1

1

Pünder erhielt die Durchschrift am 17. 12. mit dem Vermerk „vertraulich, persönlich“.

Der Herr Reichspräsident empfing heute nachmittag 4.30 Uhr Herrn Reichsbankpräsident Dr. Schacht zu einer Besprechung, die etwa ¾ Stunde dauerte. Bei Beginn der Besprechung bat der Herr Reichspräsident Herrn Dr. Schacht er[1267] möge der Reichsregierung in der gegenwärtigen schwierigen Finanzlage seine Hilfe nicht versagen; wenn die von der Reichsregierung geplante Auslandsanleihe infolge eines Widerspruchs des Reichsbankpräsidenten scheitere, würde sich eine finanzielle Krisis mit unabsehbaren Konsequenzen ergeben2.

2

Am Vormittag hatte der RK dem RPräs. die Lage dargestellt, siehe Dok. Nr. 389.

Reichsbankpräsident Dr. Schacht führte aus, daß auch nach dem Inkrafttreten des Young-Plans und der Zündholzanleihe immer noch 900 Millionen Mark schwebende Schulden übrig blieben. Er müsse zum mindesten darauf bestehen, daß die Reichsregierung das Versprechen, das sie während der Pariser Sachverständigenkonferenz abgegeben habe, nämlich, einen Tilgungsfonds für die schwebenden Schulden vorzusehen, erfülle3. Das könne nur in der Form geschehen, daß die Reichsregierung vom Reichstag einen Gesetzesbeschluß fordere, wonach aus dem Etat 1930 500 Millionen Mark zur Tilgung dieser Schulden zur Verfügung gestellt würden. Auf den Einwand des Unterzeichneten, daß ein solcher Beschluß jetzt vom Reichstag nicht erreicht werden könnte, weil er in Widerspruch mit dem Steuersenkungsprogramm stehe, erwiderte der Reichsbankpräsident, bei der zwingenden Finanznotlage müsse ein solcher Beschluß erreicht werden; wenn man den Reichstag vor eine solche Verantwortung stelle, würde er seiner Meinung nach geneigt sein zu beschließen.

3

Am Rand ein Fragezeichen von Pünder. Gemeint ist wahrscheinlich die „Denkschrift über das finanz-, staats- und wirtschaftspolitische Reformprogramm“; siehe Dok. Nr. 156.

Auf eine Frage des Unterzeichneten antwortete Dr. Schacht: Er habe der Reichsregierung versprochen, in der Frage der Anleihe sich passiv zu verhalten. Das bedeute, daß er nicht reden würde, wenn er nicht gefragt würde; würde er aber gefragt werden, so müsse er sagen, daß er aus Gründen der Kreditpolitik empfohlen habe, die Anleihe nur dann zu gewähren, wenn der Reichstag für die Deckung der schwebenden Schulden im Etatsjahre 1930 500 Millionen Mark bereitstelle4. – Wenn dieser sein Vorschlag ausgeführt werde, dann würde er den Kredit selbst abschließen und ihn um 1–1½% billiger bekommen. – Auf nochmaligen Appell des Herrn Reichspräsidenten erklärte Dr. Schacht, er müsse auf dieser grundsätzlichen Regelung bestehen bleiben, sei aber bereit, mit dem Herrn Reichskanzler noch einmal eingehend zu verhandeln.

4

Siehe Dok. Nr. 379.

Der Reichsbankpräsident begab sich darauf mit dem Unterzeichneten zu dem Herrn Reichskanzler, bei dem eine etwa halbstündige Unterhaltung über dasselbe Thema stattfand. Der Herr Reichskanzler erklärte Dr. Schacht die Unmöglichkeit, diesen Vorschlag Schachts durchzuführen. Auch nur der Versuch, den Reichstag zu dieser Regelung zu zwingen, bedeute den Sturz der Reichsregierung. Der Reichskanzler sei aber bereit, am heutigen Abend eine Kabinettssitzung unter Zuziehung der Parteiführer anzuberaumen, und werde Herrn Schacht die Gelegenheit geben, seine Darlegungen vor dem Kabinett und den Parteiführern zu machen. Diese Sitzung ist auf 8 Uhr anberaumt worden5.

5

Siehe Dok. Nr. 390.

gez. Dr. Meissner

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