2.105.4 (bru1p): 4. Deutsch-finnische Handelsvertragsverhandlungen.

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4. Deutsch-finnische Handelsvertragsverhandlungen.

Vortr.Leg.Rat Dr. Eisenlohr trug den Sachverhalt vor. Er führte aus, daß Finnland dem Ministerialdirektor Dr. Ritter unter Ablehnung der deutschen Vorschläge13 folgende Gegenvorschläge alternativ unterbreitet habe14. Die[393] erste Alternative gehe dahin, daß Deutschland ein Butterkontingent von 4000 t, ein Käsekontingent von 2500 t bei einem Butterzoll von 40 RM auf die Dauer von drei Jahren einräume. Die zweite Alternative laute auf ein Butterkontingent von 5000 t, ein Käsekontingent von 2500 t auf die Dauer von fünf Jahren. Der Butterzoll solle in den ersten drei Jahren 50 RM, in den letzten zwei Jahren 40 RM betragen.

13

Vgl. dtzu Dok. Nr. 101.

14

Die dt. Unterhändler hatten die finnischen Vorchläge anscheinend telefonisch übermittelt, da diese dem AA am Abend des 22. 8. auch noch telegraphisch mitgeteilt wurden: Tel. Nr. 75 in R 43 I /1093 , Bl. 76. Die dt. Delegation erkannte in einer Stellungnahme zu dem finnischen Angebot an, daß die andere Seite gegen starke Widerstände alles Mögliche getan habe, um entgegenzukommen und eine Kündigung zu vermeiden. Es sei wahrscheinlich unmöglich, wesentliche weitere Verbesserungen zu erreichen. Im Falle einer Kündigung bestünden nur sehr geringe Aussichten, einen neuen Handelsvertrag abzuschließen, da Finnlands Forderungen wieder hauptsächlich auf landwirtschaftliche Produkte gerichtet sein würden, und Dtld. dafür in neuen Verhandlungen so gut wie nichts bieten könne. Die Hoffnung auf bloßen vertragslosen Zustand mit tatsächlicher beiderseitiger Meistbegünstigung sei falsch (Tel. Nr. 76 vom 22.8.30, R 43 I /1093 , Bl. 77).

Im Falle einer Einigung würden aus dem Zusatzabkommen 1929 die Zollbindungen für Butter, Käse und Oleomargarine gestrichen werden. Bei der ersten Alternative betrage die Dauer des geänderten Zusatzabkommens 1929 drei Jahre, bei der zweiten Alternative fünf Jahre.

Zu jeder dieser beiden landwirtschaftlichen Alternativen solle nach den Wünschen Finnlands eine Leistung auf industriellem Gebiet treten. Für diese industrielle Leistung würden Deutschland auch zwei Alternativen zur Auswahl gestellt, nämlich

1.

Ermäßigung des Zolles für Zellstoff um 25 Pfennige, oder

2.

Ermäßigung des Zolles für rohe Spulen um 1 RM und Änderung der Anmerkung zu 654 und 655 b15, daß an Stelle von 65% 55% tritt, d. h. daß Packpapier, größtenteils aus mechanisch bereiteten Holzstoffen bestehend, nicht, wie im letzten Zusatzabkommen vereinbart, aus 65% Holzstoff bestehen soll, sondern nur aus 55%.

15

S. dazu Tarif A des dt.-finnischen Handelsabkommens vom 26.6.26 (RGBl. II, S. 566 ).

Formell bestünden zwei Möglichkeiten: entweder die neue Vereinbarung werde auf dem normalen Wege parlamentarisch erledigt, wobei uns Finnland die Erledigung bis zu einem bestimmten Termin, etwa dem 15. November, versprechen würde, oder das erste schon abgeschlossene Zusatzabkommen solle tel quel in Kraft gesetzt werden. Die Inkraftsetzung solle aber unter der auflösenden Bedingung erfolgen, daß bis zu einem bestimmten Zeitpunkt, etwa bis zum 15. November, das neue zweite Zusatzabkommen beiderseits parlamentarisch genehmigt sei. Das würde bedeuten, daß der 50-Mark-Zoll sofort in Kraft trete und das auf fünf beziehungsweise sieben Jahre geschlossene Abkommen auch in Kraft trete, daß Deutschland aber die Sicherheit hätte, das Zusatzabkommen wieder außer Kraft zu setzen, falls die neuen Vereinbarungen bis zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht genehmigt seien.

Ministerialdirektor Dr. Ritter und Graf Douglas16 seien der Auffassung, daß von den beiden Alternativen die erste vorzuziehen sei, daß es aber insbesondere mit Rücksicht auf Holland und Dänemark mißlich wäre, gleich mit[394] einem Zollkontingent zu 40 RM zu beginnen, weil dann sofort die Differenzierung der meistbegünstigten Staaten in Erscheinung treten würde.

16

Robert Graf Douglas, Präs. der bad. Landwirtschaftskammer, Mitglied des Vorl. RWiR, war an den dt.-finnischen Handelsvertragsverhandlungen beteiligt.

Procope habe noch den Wunsch, daß außerdem die für deutsche Kleie bei der Einfuhr nach Finnland vereinbarte Zollfreiheit durch den Satz von 8 Pfennigen je kg wieder ersetzt werde, der sich im alten deutsch-finnischen Vertrage befand. Hieran würde aber das neue Abkommen nicht scheitern.

An der Aussprache über die neue Lage beteiligten sich insbesondere der Reichsminister des Auswärtigen und der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft. Dieser wies u. a. darauf hin, daß die erste Alternative des finnischen Vorschlages deshalb für Deutschland nicht annehmbar sei, weil die Herabsetzung des Butterzolles von 50 RM auf 40 RM wirtschaftlich und innenpolitisch nicht tragbar sei und außerdem gegen die gesetzliche Vorschrift verstoße, wonach der Zollsatz von 50 RM Mindestzoll sein soll.

Das Reichskabinett einigte sich auf folgende Instruktion an Ministerialdirektor Dr. Ritter:

Die erste Alternative des finnischen Vorschlages ist für Deutschland deshalb nicht annehmbar, weil die Herabsetzung des Butterzolles von 50 RM auf 40 RM wirtschaftlich und innenpolitisch nicht tragbar ist und außerdem gegen die gesetzliche Vorschrift verstößt, wonach der Zollsatz von 50 RM Mindestzoll sein soll. Dagegen ist Deutschland zu folgenden Vorschlägen bereit:

a)

entweder drei Jahre lang 5000 t Butter zum Zollsatz von 50 RM und 2500 t Käse oder

b)

vier Jahre lang 4000 t Butter zum Zollsatz von 50 RM und 2000 äußerstenfalls 2500 t Käse.

Weiterhin kann die Aufhebung der finnischen Zollfreiheit für die Einfuhr von Kleie zugestanden werden gegen die Wiedereinführung des Zollsatzes aus dem alten deutsch-finnischen Vertrag von 8 Pfennig je kg.

In bezug auf die industriellen Zugeständnisse ist Deutschland bereit, die zweite finnische Förderung anzunehmen, d. h. die Herabsetzung des Vertragszolls für rohe Spulen aus der Nr. 624 von 6 auf 5 RM und eine Verbesserung der Anmerkung zu Nr. 654 und 655 b in der Weise, daß unter Packpapier im Sinne dieser Nummern Papier mit einem Gehalt an mechanisch bereitetem Holzstoff von nicht weniger als 55% verstanden wird.

Was die Art der Inkraftsetzung angeht, so ist Deutschland nicht in der Lage, bis zur Ratifikation durch die beiderseitigen Parlamente zu warten. Aber auch der Alternativ-Vorschlag, wonach das schon bestehende Zusatzabkommen mit der Resolutivbedingung in Kraft gesetzt werden könne, daß bis zu einem bestimmten Zeitpunkt das neue Abänderungsabkommen die Genehmigung der Parlamente erhält, ist nicht annehmbar, weil zum Wesen der völkerrechtlichen Ratifikation ihre Eindeutigkeit und Unbedingtheit gehört. Deutschland sieht sonach keinen anderen Weg, als daß entweder die Finnische Regierung sich der Auffassung anschließt, daß das Ermächtigungsgesetz die Möglichkeit der sofortigen Inkraftsetzung gibt oder, daß jetzt Einverständnis über den Abschluß des neuen Vertrages hergestellt, seine möglichst baldige Inkraftsetzung vereinbart und gleichzeitig der alte Vertrag von Deutschland gekündigt[395] wird. In diesem Falle würde es darauf ankommen, die Kündigung zwar als eine unbedingte auszusprechen, aber in der zu treffenden Vereinbarung das Hauptgewicht auf die materielle Einigung zu legen.

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