2.116.2 (bru1p): 2. Bericht über die geplanten Finanzvorlagen.

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Die Kabinette Brüning I und II. Band 1 Das Kabinett Brüning I Bild 183-H29788NS-Wahlversammlung im Sportpalast Bild 102-10391Arbeitslose Hafenarbeiter Bild 102-11008Bankenkrise 1931 Bild 102-12023

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2. Bericht über die geplanten Finanzvorlagen.

Der Reichskanzler führte aus, daß die ruhige Beurteilung über den Ausgang der Wahlen, die am ersten Tage nach der Wahl festzustellen gewesen sei, in den letzten Tagen einer stark nervösen Stimmung gewichen sei. Besonders bedenklich sei, daß auch die festverzinslichen Wertpapiere starke Kursverluste zu verzeichnen hätten1. Es sei bedauerlich, daß der Reichsregierung keine Möglichkeiten zu Gebote stünden, die unverantwortliche Presse, die die Unruhestimmung durch Alarmnachrichten über angeblich bevorstehende Putschversuche aus Sensationslust schüre, zu verbieten2. Die gegenwärtige[435] Reichsregierung habe angesichts dieser Situation die Verpflichtung, die Zügel der Regierung fest in der Hand zu behalten. Sie müsse in allerkürzester Frist zur Aufstellung eines allgemeinen Sanierungsprogramms kommen. Dieses Sanierungsprogramm müsse die Grundlage für demnächst aufzunehmende Verhandlungen mit den Parteien bilden. Er glaube nicht, daß es angängig sein werde, mit den Partei-Verhandlungen zur Klärung der politischen Lage bis zum Zusammentritt des Reichstags zu warten. Über den Inhalt des Sanierungsprogramms habe sich das Kabinett bereits in der Kabinettssitzung am 28. August 1930 geeinigt und die Vorbereitung der entsprechenden Vorlagen durch die Ressorts beschlossen3. Er erinnere auch an die damals durch WTB bekanntgegebene öffentliche Verlautbarung über die Einzelheiten des Sanierungsprogramms4. Das Kabinett müsse nunmehr mit größter Beschleunigung zu abschließenden Ergebnissen kommen, und zwar so beschleunigt, daß noch im Laufe der gegenwärtigen Woche völlige Klarheit geschaffen werde. Er wolle einleitend nur einige Punkte hervorheben, die er für die Aufstellung des Programms für wesentlich halte. Vor allen Dingen müsse der Öffentlichkeit Klarheit über den wahren Stand der Finanzen des Reichs gegeben werden. Dabei müsse auch die voraussichtliche zukünftige Entwicklung der Finanzen dargelegt werden, damit bei einer etwaigen Verschlechterung der Lage nicht eine neue verhängnisvolle Agitation einsetzen könne. Ferner müsse man Klarheit über den Ausgleich des Reichshaushaltsplans 1931 gewinnen. Insbesondere müsse die Notwendigkeit von Abstrichen bei den Sach- und Personalausgaben erörtert werden. Ferner dürfe man an der Klärung der Finanzlage bei der Reichsbahn nicht vorübergehen5. Ein weiterer Hauptpunkt sei die Sanierung der Arbeitslosenversicherung und die Reform der Arbeitslosenhilfe. In diesem Zusammenhang müsse das Kabinett weiter erörtern, welche Möglichkeiten bezüglich der Durchführung und des weiteren Ausbaues des Arbeitsbeschaffungsprogramms bestünden. Schließlich müsse sich das Interesse des Kabinetts einer Prüfung der bisherigen Maßnahmen auf dem Gebiete der Preissenkung zuwenden, wobei auch die Klärung der in Zukunft bei Lohnstreitigkeiten u. dgl. zu befolgenden Lohnpolitik eine Rolle zu spielen habe. Der Reichskanzler bat, daß die Ressorts sich zu den einzelnen sie betreffenden Fragen äußern und die entsprechenden Vorlagen baldigst zur Beschlußfassung vorlegen möchten.

1

Die MNN Nr. 256 vom 20.9.30 und Nr. 259 vom 23. 9. berichteten über Kursrückgänge dt. Auslandsanleihen in London und New York wegen angeblicher Putschpläne der NSDAP. Die Pr. Reg. bestritt die Berechtigung dieser Gerüchte (DAZ Nr. 439–440 vom 21.9.30), und auch der RK trat in einem Interview mit einer amerik. Nachrichtenagentur diesen Gerüchten entgegen (WTB Nr. 1896 vom 20.9.30, in R 43 I /2701 , Bl. 247; DAZ Nr. 441 bis 442 vom 23.9.30).

2

Aus einer Aufzeichnung von MinR Wienstein vom 11.11.30 geht hervor, daß der RK vor allem die „BZ am Mittag“ als Beispiel für die unverantwortliche Presse genannt hatte. Diese Zeitung hatte in zwei Ausgaben (Nr. 255 vom 18.9.30: „Reden und Vorbereitungen der Nationalsozialisten, Hitler will verfassungstreu regieren – aber wird er sein Versprechen halten?“; Nr. 256 vom 19. 9.: „Die nationalsozialistischen Vorbereitungen, Wachsamkeit – nicht Nervosität!“) über angebliche nationalsozialistische Umsturzpläne berichtet. Wienstein war nach nochmaliger Prüfung mit dem RIMin. der Auffassung, „daß die bestehenden gesetzlichen Bestimmungen keine Handhabe zu einem Verbot der betreffenden Zeitung in derartigen Fällen bieten. Das Pressegesetz und das Republikschutzgesetz versagen hier. Sie ermöglichen keine Beschlagnahme der Zeitung. Das Republikschutzgesetz schützt die Staatsform. Es fehlen gesetzliche Bestimmungen, die eine Beschlagnahme von Zeitungen in den Fällen ermöglichen, in denen der Staat als solcher, beziehungsweise die gesamte Wirtschaft durch sensationelle Falschmeldungen erschüttert wird“ (R 43 I /2701 , Bl. 252–255 mit „BZ“-Ausschnitten).

3

S. Dok. Nr. 109, P. 3.

4

Die WTB-Meldung Nr. 1717 vom 28.8.30 über das Sanierungsprogramm der RReg. (R 43 I /2366 , Bl. 125) war von der DAZ Nr. 399–400 am 29. 8. veröffentlicht worden.

5

Vgl. dazu Dok. Nr. 117.

Der Reichsminister der Finanzen führte aus, daß er die politische Lage ganz ähnlich beurteile wie der Reichskanzler. Die Wahlpsychose, von der noch weiteste Kreise befallen seien, könne nach seiner Meinung unschwer überwunden werden, wenn man wisse, mit welchen Mehrheitsverhältnissen die Reichsregierung im Reichstag rechnen könne. Die Schwierigkeiten, die einer[436] Klärung dieser Frage entgegenstünden, seien bekannt6. Das Kabinett muß versuchen, dadurch Beruhigung zu schaffen, daß es mit einem klaren Programm vor die Öffentlichkeit trete und darin zielbewußt zum Ausdruck bringe, was geschehen müsse. Bei den Aufgaben, die zu bewältigen seien, stehe auch nach seiner Auffassung die Finanzierung der Arbeitslosenversicherung mit an erster Stelle. Er nahm Bezug auf die den Kabinettsmitgliedern zugegangenen Vorlagen des Reichsarbeitsministers vom 20. September 1930 […]7 und erklärte, daß auch er nur die Möglichkeit sehe, das Defizit von rund 400 Millionen Reichsmark bei der Arbeitslosenversicherung dadurch zu decken, daß 200 Millionen Reichsmark auf den Reichshaushalt übernommen und 200 Millionen RM durch Erhöhung der Beiträge von 4½ auf 6½% aufgebracht würden. Für die Krisenunterstützung rechne er mit einer Mehrbelastung des Etats von 100 Millionen Reichsmark, so daß die Arbeitslosenhilfe den Haushalt bis zum 31. März 1931 mit insgesamt 200 + 100 = 300 Millionen Reichsmark neu belaste. Den Ausfall an Steuern und Zöllen, der im laufenden Rechnungsjahr gegenüber den Voranschlägen erwachsen werde, schätze er auf Grund der Erfahrungen der letzten Monate auf 600 Millionen Reichsmark, so daß das Jahresdefizit des Haushalts 1930 rund 300 + 600 = 900 Millionen Reichsmark ausmachen werde. Auf Grund einer Vorbesprechung, die er in Gegenwart des Reichskanzlers mit dem Reichsbankpräsidenten gehabt habe8, beabsichtige er, den Reichsbankpräsidenten zu beauftragen, zur Abdeckung dieses Defizits einen Auslandskredit von 125 Millionen Dollar zu beschaffen. Die notwendige Ergänzung dieser Aktion sei die Verlegung eines Ausgabetilgungsgesetzes, dessen Grundzüge dem Reichsbankpräsidenten gleichzeitig mitgeteilt werden müßten. Er beabsichtige, durch den Gesetzentwurf für die kommenden zwei Jahre die außerordentliche Tilgung von je 420 Millionen Reichsmark jährlich gesetzlich festlegen zu lassen9.

6

Während RIM Wirth in einer Rundfunkrede eine Koalition mit der NSDAP abgelehnt hatte, hatte Graf Westarp erklärt, die Wiederherstellung der Großen Koalition komme nicht in Frage (DAZ Nr. 433–434 vom 18.9.30). Zu den Sondierungsgesprächen des RK mit den Parteien s. Dok. Nr. 130, P. 2.

7

Die Vorlage des RArbM befindet sich in R 43 I /2038 , Bl. 167–171 und in R 43 I /2366 , Bl. 134–138.

8

S. Dok. Nr. 115.

9

In dem Schreiben vom 23.9.30 forderte der RFM den RbkPräs. auf, einen Überbrückungskredit von 125 Mio $ für zwei Jahre im Ausland zu beschaffen. Die RReg. habe beschlossen, alsbald einen GesEntw. vorzulegen, der den RFM ermächtige, 500 Mio RM im Wege des Kredits zu beschaffen (§ 1); § 2 des Entw. bestimmte: „In die Haushaltspläne für die Rechnungsjahre 1931 und 1932 ist ein Betrag von 420 Mill. RM einzustellen. Diese Summe ist in monatlichen Teilbeträgen von 35 Mill. RM einem Fonds zuzuführen, der zur Tilgung der Verbindlichkeiten, die auf Grund der in § 1 erteilten Ermächtigung eingegangen werden, sowie zur Rückzahlung sonstiger schwebenden Schulden des Reichs dienen“ (Abschrift in R 43 I /2366 , Bl. 143; vgl. RGBl. 1930 I, S. 467 ).

Bezüglich des Reichshaushaltsplans 1931 entwickelte er folgendes Bild. Er schätzte die Gesamtsumme der Einnahmenminderungen des Rechnungsjahres 1931 auf 1158 Millionen Reichsmark. Bezüglich der Zusammensetzung dieser Summe nannte er folgende Zahlen:

[437] a)

Fortfall der Deckungsvorlagen der Notverordnung vom 26. Juli 1930

222 Millionen RM

b)

Fortfall des Zuschusses aus dem außerordentlichen Haushalt

50 Millionen RM

c)

Senkung der Industriebelastung

170 Millionen RM

d)

Mindereinnahme aus Zinsen der Reichsbahn-Vorzugsaktien

56 Millionen RM

e)

Aufhebung der Kapitalertragssteuer bei festverzinslichen Werten

60 Millionen RM

f)

Ausfall aus Steuern und Zöllen

600 Millionen RM

insgesamt

1158 Millionen RM

Er erklärte weiter, daß diesen Einnahmenminderungen folgende Ausgabekürzungen gegenüberstünden:

a)

Schuldentilgungsgesetz

465 Millionen RM

b)

Besatzungskosten

50 Millionen RM

c)

Reparationszahlungen

20 Millionen RM

d)

Zahlungen an Kriegsbeschädigte

30 Millionen RM

e)

Abstriche an dem Haushalt

160 Millionen RM

zusammen

725 Millionen RM

Wenn er sich darauf beschränke, in den Etat für Zwecke der Arbeitslosenfürsorge nicht mehr als 400 Mill. RM einzusetzen, lasse sich dieser Betrag um weitere

285 Millionen RM

auf

1010 Millionen RM

erhöhen. Die Summe von 1158 Millionen Reichsmark Einnahmenminderungen erhöhe sich noch um die Jahresrate des neuen Schuldentilgungsgesetzes im Betrage von 420 Millionen Reichsmark, so daß der Gesamtsumme der Einnahmenminderungen von 1578 Millionen Reichsmark ein Betrag von 1010 Millionen Reichsmark Ausgabeminderungen gegenüberstehe. Das Defizit, für das noch Deckung zu beschaffen sei, errechne sich danach auf 568 Millionen Reichsmark. Darüber, wie dieser Fehlbetrag zu decken sei, könne er einstweilen bestimmte Vorschläge nicht machen. Die Hauptschwierigkeiten lägen beim Arbeitsministerium. Ferner denke er in erster Linie an eine Senkung der Personalausgaben in Höhe von 5 v.H. bei den niederen Gruppen, 10 v.H. bei den höheren Gehaltsempfängern und 30 v.H. bei den Ministergehältern.

Als weitere Programmpunkte zur Sanierung der Reichsfinanzen führte der Reichsminister der Finanzen eine grundlegende Vereinfachung des Steuersystems zum Zwecke der Erzielung von Ersparnissen an. Er kündigte an, daß er Vorschläge machen werde zur Reform der Vermögenssteuer, ferner Vorschläge für die Einführung der Einheitsbesteuerung bei der Landwirtschaft und die Einheitsbesteuerung der Kleingewerbebetriebe. Er erörterte ferner die Möglichkeiten einer Reform der Gesamtsteuer und die Notwendigkeit der Weiterbetreibung des dem Reichstag bereits vorliegenden Steuervereinheitlichungsgesetzes10.[438] Bezüglich des Finanzausgleichs führte er aus, daß die Novelle zum § 35 des Finanzausgleichsgesetzes in der vom Reichsrat verabschiedeten Fassung11 weiter betrieben werden müsse und daß nach seiner Meinung jetzt auch der Zeitpunkt gekommen sei, den endgültigen Finanzausgleich vorzubereiten. Ganz besonders entscheidendes Gewicht legte er darauf, im Reformprogramm den Umbau des Realsteuersystems vorzusehen mit dem Ziele einer alsbaldigen Senkung dieser Steuern aus Mitteln der Hauszinssteuer. Um dies zu ermöglichen, werde eine Neuregelung der Wohnungswirtschaft erforderlich sein.

10

GesEntw. vom 28.11.28, RT-Bd. 432 , Drucks. Nr. 568 . Vgl. diese Edition, Das Kabinett Müller II, Dok. Nr. 44, P. 1.

11

S. Dok. Nr. 9, Anm. 2 und RT-Bd. 441 , Drucks. Nr. 1916 .

Auf Vorschlag des Reichskanzlers trat das Kabinett sodann in eine erste Besprechung über die von dem Reichsminister der Finanzen aufgeführten Programmpunkte ein.

Überbrückungskredit und Ausgabensenkungsgesetz.

Der Reichsminister der Finanzen wurde ermächtigt, den Reichsbankpräsidenten um die Einleitung von Verhandlungen zur Beschaffung eines Kredits von 125 Millionen Dollar zu ersuchen. Dabei soll dem Reichsbankpräsidenten mitgeteilt werden, daß die Reichsregierung beschlossen habe, einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch den der Reichsminister der Finanzen ermächtigt wird, die Summe von 500 Millionen Reichsmark im Wege des Kredits zu beschaffen, ferner, daß in die Haushaltspläne für die Rechnungsjahre 1931/32 ein Betrag von je 420 Millionen Reichsmark eingestellt wird, der zur Tilgung des Überbrückungskredits und zur Rückzahlung sonstiger schwebender Schulden des Reichs zu dienen hat.

Der Reichsminister der Finanzen legte den Entwurf eines Schreibens an den Reichsbankpräsidenten vor12.

12

S. Anm. 9.

Widerspruch wurde hiergegen nicht geäußert.

Abstriche bei den Sachausgaben des Etats.

Der Reichsminister der Finanzen richtete einen eindringlichen Appell an die Reichsminister, darauf hinzuwirken, daß bei den Verhandlungen mit den Ressorts über die Aufstellung des Etats die geforderten Abstriche von insgesamt 160 Millionen Reichsmark baldigst möglich gemacht würden.

Arbeitslosenversicherung.

Der Reichsarbeitsminister führte aus, daß er einstweilen keine Möglichkeit sehe, die Arbeitslosenversicherung ausreichend zu finanzieren, wenn der Reichsminister der Finanzen auf seinem Standpunkt beharre, in den Etat 1931 keine höheren Beträge als 400 Millionen Reichsmark für die Krisenfürsorge vorzusehen. Bezüglich der Finanzierung der Arbeitslosenversicherung kam er zu dem Ergebnis, daß zur Zeit kein anderer Weg als die Erhöhung der Beiträge um 2% übrig bleibe. In der Krisenfürsorge glaubte er im laufenden Jahr auskommen[439] zu können, wenn der Reichsminister der Finanzen weitere 100 Millionen Reichsmark aus Haushaltsmitteln zur Verfügung stelle. Er werde dann eben dafür Sorge tragen müssen, daß die Krisenfürsorge so umgebaut werde, daß er mit dem Betrage ausreiche. Im übrigen werde Vorsorge dafür getroffen werden müssen, daß für die Arbeitslosen in möglichst weitem Umfange Arbeitsgelegenheit beschafft werde.

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft wies darauf hin, daß für die produktive Erwerbslosenfürsorge die ländliche Melioration und der ländliche Kleinwohnungsbau besonders geeignet seien.

Der Reichsverkehrsminister benutzte die Aussprache über das Arbeitsbeschaffungsprogramm, um zu erklären, daß er die Arbeit am Mittellandkanal höchstwahrscheinlich am 1. Oktober d. J. werde einstellen müssen, weil das Land Preußen die Bereitstellung des auf ihn entfallenden Kostenanteils eingestellt habe13. Er regte an zu beschließen, daß der auf Preußen entfallende Kostenanteil, dessen Bereitstellung es zu Unrecht verweigere, an den Übergangssteuern gekürzt werde, wenn Preußen nicht doch noch freiwillig weiterzahle. Andernfalls drohe die Gefahr, daß 8000 Arbeiter entlassen werden müßten und daß dem Reich erhebliche finanzielle Schäden aus der Einstellung der Arbeiten durch Abstandszahlungen für den Rücktritt von den Verträgen erwüchsen.

13

Vgl. Dok. Nr. 30, Anm. 3.

Der Reichsminister der Finanzen bat, ihm vor endgültigen Beschlüssen des Reichskabinetts Gelegenheit zu lassen, mit dem Preußischen Finanzminister Höpker Aschoff über die Sache zu sprechen. Er hoffe, mit Preußen einig zu werden, sobald das zur Erörterung stehende Gesamtfinanzprogramm der Reichsregierung fertig sei.

Der Reichskanzler schloß sich dem Vorschlage des Reichsministers der Finanzen an.

Der Reichsverkehrsminister berichtete sodann im Anschluß an die Ministerbesprechung vom 26. August d. J. über den weiteren Verlauf seiner Verhandlungen mit dem amerikanischen Bankhaus Harriman über die weitere Finanzierung des Mittellandkanals14. Er erklärte, daß an der Grundbedingung, wonach Reich und Länder in allen Fragen des Kanalbaues und insbesondere in den Tariffragen ausschlaggebend bestimmend bleiben müßten, nichts geändert worden sei. Es sei in Aussicht genommen, eine Aktiengesellschaft zu gründen, in die Reich und Länder ihre Anteile am Kanal als Sacheinlage einzubringen haben würden. Die amerikanische Bankengruppe sei durch die Zuziehung des Bankhauses Warburg verstärkt worden. Das Konsortium halte sich für stark genug, die zur Finanzierung des Weiterbaues erforderlichen Kapitalien aufzubringen. Eine Reichsgarantie für das Leihkapital der Bankengruppe sei nicht erforderlich. Von den Geldgebern werde eine tonnenkilometrische Garantie für die Rentabilität des Kanals gefordert15. Diese könne geleistet werden. Der[440] Mittellandkanal erbringe auf der jetzt fertiggestellten Strecke eine 8½%ige Verzinsung des Anlagekapitals. In Zukunft rechne man mit einer 10%igen Verzinsung. Es sei unbedenklich zuzugestehen, daß die Tarife in Zukunft auf einer solchen Höhe gehalten würden, daß die geforderte tonnenkilometrische Garantie des Anleihekonsortiums erfüllt werde.

14

S. dazu Dok. Nr. 107, Anm. 2.

15

Der Repräsentant des Bankhauses Harriman, Rossi, hatte in dem Memorandum vom 9.7.30 zur Finanzierung des Mittellandkanals (s. Dok. Nr. 107, Anm. 2) von der Kanalgesellschaft einen garantierten Mindestverkehr von 1.600.000.000 tkm bei einem Tarif von 0,5 Pf. pro tkm gefordert, um damit die Zins- und Amortisationszahlungen für 100.000.000 RM Obligationen zu decken (R 43 I /2141 , Bl. 316). Tonnenkilometer (tkm), ein Begriff der Eisenbahnstatistik, besagt, daß 1 t 1 km weit befördert wird.

Der Reichsverkehrsminister bat um die Ermächtigung, die in Fluß befindlichen Verhandlungen fortzusetzen. Er hoffe, die noch entgegenstehenden Schwierigkeiten überwinden zu können. Dazu gehöre insbesondere auch noch eine Einigung mit der Reichsbahn, die einstweilen gewisse Bedenken gegen die Emissionsfähigkeit des Bankenkonsortiums habe.

Der Reichskanzler dankte dem Reichsverkehrsminister für seine bisherigen Bemühungen in der Sache und stellte die allgemeine Zustimmung des Kabinetts zur Fortsetzung der Verhandlungen fest.

Nach einer kurzen zusammenfassenden Aufführung der im Wirtschafts- und Finanzplan der Reichsregierung zu berücksichtigenden Einzelpunkte durch den Reichskanzler wurde die Aussprache über diesen Punkt der Tagesordnung auf den 24. September d. J. abends 8 Uhr vertagt16.

16

S. Dok. Nr. 117.

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