2.190.1 (bru1p): 1. Außerhalb der Tagesordnung: Mitteilungen des Reichsministeriums des Innern.

Zum Text. Zur Fußnote (erste von 4). Zu den Funktionen. Zum Navigationsmenü. Zum Navigationsbaum

 

Bandbilder:

Die Kabinette Brüning I und II. Band 1 Das Kabinett Brüning I Bild 183-H29788NS-Wahlversammlung im Sportpalast Bild 102-10391Arbeitslose Hafenarbeiter Bild 102-11008Bankenkrise 1931 Bild 102-12023

Extras:

 

Text

RTF

1. Außerhalb der Tagesordnung: Mitteilungen des Reichsministeriums des Innern.

Der Reichsminister des Innern erklärte, daß der Film „Im Westen nichts Neues“ am 10. Dezember mittags 12¼ Uhr in der Filmprüfstelle aufgeführt werde und lud die Anwesenden dazu ein1. Gäste könnten mitgebracht werden.[692] Er trat dafür ein, daß der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Lichtspiel-Gesetzes dem Reichsrat möglichst bald vorgelegt werden möchte. Es enthalte eine Bestimmung, nach der die Aufführung von Filmen verboten werden könnte, wenn sie das deutsche Ansehen gefährden2.

1

Die öffentliche Erstaufführung des amerik. Spielfilms „Im Westen nichts Neues“ – nach dem gleichnamigen Roman von E. M. Remarque – am 5.12.30 in Berlin war von Nationalsozialisten gesprengt worden (DAZ Nr. 569–570 vom 7.12.30). Die Länder Sachsen, Thüringen und Braunschweig hatten in Anträgen vom 6., 8. u. 9. 12. bei der Filmoberprüfstelle den Widerruf der Zulassung des Films für das gesamte Reichsgebiet beantragt (Vermerk des MinR Wienstein vom 9.12.30 in R 43 I /2500 , Bl. 126–127). Gegen die Zulassung des Films protestierte der Dt. Offizier-Bund mit Schreiben vom 9. 12. an den RK: „An Sie, Herr Reichskanzler, der Sie mit Stolz das hohe Ehrenzeichen der alten Wehrmacht tragen, richtet der Deutsche Offizier-Bund die dringende Bitte, den unheilvollen Einflüssen entgegenzutreten, welche mit der ungehinderten Vorführung des Films entschieden verbunden sein müssen. Es darf nicht weiter gestattet werden, daß die heldischen Seiten des Krieges, das Andenken an unsere auf dem Felde der Ehre gebliebenen Kameraden und die Bewunderung für die Taten der alten ruhmreichen Wehrmacht gemindert und herabgesetzt werden durch einen Film, dessen Tendenz es bildet, durch die krasse Hervorhebung der Schattenseiten des Krieges und die grobe Verallgemeinerung menschlicher Schwächen und Unzulänglichkeiten den wehrhaften Geist unseres Volkes und vor allem des heranwachsenden Geschlechtes zu ertöten“ (R 43 I /2500 , Bl. 128–129). Auch der „Stahlhelm“ forderte das sofortige Verbot des Films (Schreiben vom 9. 12., R 43 I /2500 , Bl. 133). Die Filmoberprüfstelle verbot am 11.12.30 den Film wegen der Gefährdung des dt. Ansehens. Der Vertreter der Verleihfirma hatte schon während der Verhandlung bekanntgegeben, daß die Herstellerin des Bildstreifens den Film von der Aufführung in Dtld zurückziehe (Verhandlungsprotokoll der Oberprüfstelle in R 43 I /2500 , Bl. 151–163). Am 13.12.30 protestierte der RWeM beim RK gegen eine Äußerung des PrMinPräs. im Berliner Tageblatt Nr. 587, in der dieser der Auffassung entgegengetreten sei, daß der Film „Im Westen nichts Neues“ dem Ansehen Dtlds schädlich sei. Außerdem habe der Berliner PolizeiVPräs. Dr. Weiß laut Berliner Tageblatt Nr. 586 gesagt, für jeden nicht verhetzten Deutschen werde es unfaßbar sein, daß der Film das Ansehen Dtlds gefährden könne. In der Anlage fügte der RWeM einige Stimmen über die Wirkung des Films im Ausland bei (R 43 I /2500 , Bl. 140–144). Vgl. auch Dok. Nr. 89, Anm. 4. Gegen das Verbot erhob der Dt. Zweig der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit Einspruch: „In der jetzigen überaus kritischen Zeit muß dieses schwankende Verhalten der Regierung unabsehbar schwere Folgen heraufbeschwören. Sie stellt sich in den Dienst von Terroristen und Militaristen, welche ohnehin das Ansehen der deutschen Republik und das Vertrauen zur deutschen Politik durch die Entwürdigung des Parlamentes in einem Umfange geschädigt haben, den nur äußerste Kraft und Festigkeit der Regierung einigermaßen hätte zurückschrauben können“ (R 43 I /2500 , Bl. 148). Zur Persönlichkeit Remarques s. Dok. Nr. 206, P. 5.

2

Der Entw. mit Begründung befindet sich in R 43 I /2498 , Bl. 174–192.

Der Reichsminister der Finanzen hielt es allgemein bei der zunehmenden Radikalisierung des Volkes für notwendig, den Einwirkungen des Theaters und des Rundfunks auf die Massen erhöhte Aufmerksamkeit zuzuwenden und den Mißbräuchen entgegenzutreten, die sich hierbei sowie in der Bücher- und Zeitschriftenproduktion zeigten. Wenn eine Gesamtaktion in diesem Sinne geplant würde, so sei es fraglich, ob die Filmvorlage zunächst allein weiter gefördert werden solle.

Der Reichsverkehrsminister trat für die Vorlegung der Novelle zum Filmgesetz an den Reichsrat ein. Er erklärte sich auf einen Hinweis des Reichspostministers bereit, mit der Reichsbahngesellschaft wegen der Vorlegung der Verträge in Verbindung zu treten, die mit den Bahnhofsbuchhändlern abgeschlossen worden seien. Es soll geprüft werden, ob nicht auf Grund dieser Abmachungen die Auslage unzüchtiger Schriften verhindert werden könne.

Der Reichsminister des Auswärtigen wies besonders auf die Schäden hin, die aus der Behandlung aller Maßnahmen der Reichsregierung und der einzelnen Ressorts in voller Öffentlichkeit durch Presse und Rundfunk entständen. In keinem Lande würde in diesem Maße über die Regierungstätigkeit berichtet. Es sei notwendig, auf stärkere Diskretion hinzuwirken.

[693] Das Kabinett beschloß, den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Lichtspielgesetzes an den Reichsrat zu leiten3. Der Reichsverkehrsminister wird mit der Reichsbahn in Verhandlungen darüber eintreten, inwieweit auf Grund der geltenden Verträge der Bahnhofsbuchhandel an der Auslage von Schriften gehindert werden kann, die für die öffentliche Sittlichkeit gefährlich sind. Die Probleme einer stärkeren Beeinflussung des Rundfunks sollen demnächst im Kabinett zur Verhandlung kommen4.

3

Der RIM leitete am 10. 12. den GesEntw. zur Änderung des Lichtspielges. dem RR zu (RR-Drucks. Nr. 199, 1930, Bd. 4). Der GesEntw. war identisch mit dem Entw., der bereits 1925 dem RR vorgelegt worden war (RR-Drucks. 1925 Bd. 1, Nr. 91), den der RT jedoch nicht verabschiedet hatte.

4

Nicht ermittelt.

Extras (Fußzeile):