2.20.3 (bru1p): 3. Beschlußfassung wegen etwaiger Doppelvorlage zum Haushalt 1930.

Zum Text. Zur Fußnote (erste von 7). Zu den Funktionen. Zum Navigationsmenü. Zum Navigationsbaum

 

Bandbilder:

Die Kabinette Brüning I und II. Band 1 Das Kabinett Brüning I Bild 183-H29788NS-Wahlversammlung im Sportpalast Bild 102-10391Arbeitslose Hafenarbeiter Bild 102-11008Bankenkrise 1931 Bild 102-12023

Extras:

 

Text

RTF

3. Beschlußfassung wegen etwaiger Doppelvorlage zum Haushalt 1930.

Das Kabinett erörterte die in der vorangegangenen Kabinettssitzung zurückgestellte Frage einer Doppelvorlage über folgende Beschlüsse des Reichsrats zum Reichshaushalt 193011:

11

Siehe dazu Dok. Nr. 19, P. 1.

1.

Im Haushalt des Reichsarbeitsministeriums ist unter den einmaligen Ausgaben ein Betrag von 1 Million RM für Kinderspeisung eingestellt.

2.

Im Haushalt des Reichswehrministeriums sind bei verschiedenen Posten Streichungen im Gesamtbetrage von rund 2,5 Millionen RM vorgenommen worden. Es ist ferner eine erste Rate von 2,9 Millionen für den zweiten Panzerkreuzer eingestellt; diese Summe ist durch Kürzungen am sonstigen Schiffbauprogramm der Marine eingespart.

Der Reichsminister der Finanzen berichtete über den Verlauf der Verhandlungen im Reichsrat, die zur Einstellung einer ersten Rate für den Panzerkreuzer B in den Reichshaushaltsplan geführt haben. Er trug vor, daß die Ausschüsse des Reichsrats die erste Rate beschlossen hätten12, und daß Preußen in der Vollsitzung des Reichsrats einen Antrag gestellt habe, diesen Beschluß der Ausschüsse wieder rückgängig zu machen. Dieser negative Antrag auf Streichung des Ausschuß-Antrages sei mit 29 gegen 29 Stimmen abgelehnt worden. Er selbst habe vor der Beschlußfassung im Einvernehmen mit dem Herrn Reichskanzler die in Rk. 2965 formulierte Erklärung abgegeben13. Eine finanzielle Mehrbelastung des Etats 1930 trete durch diesen Beschluß nicht ein, da[61] der Reichsrat den Aufwand für die erste Rate an anderer Stelle des Marine-Etats eingespart habe.

12

Der Antrag auf Einstellung der 1. Rate für das Panzerschiff B war von Ostpreußen eingebracht worden (RWeM Groener im RT-Haushaltsausschuß am 8.5.30, Protokoll S. 3).

13

Die vom RFM im RR vorgetragene Erklärung hatte StS Pünder verfaßt. Der RFM hatte am 16.4.30 im RR betont, daß die RReg. an allen Teilen des Haushaltsentw. festhalte, auch an der Streichung der 1. Rate für das Panzerschiff B, daß die Reg. andererseits aber nicht beabsichtige, „hinsichtlich etwaiger Abänderungen dieses Haushaltsplanes eine auch nur irgendwie geartete Initiative zu ergreifen oder eine Beeinflussung auszuüben.“ Der RFM hatte den RR gebeten, „nach eigenem besten Wissen und nach rein sachlichen Erwägungen abschließend Stellung nehmen zu wollen und sich insbesondere in keiner Weise von der Reichsregierung beeinflußt zu fühlen“ (Text des von Pünder am 15. 4. unterzeichneten Entw. in R 43 I /606 , Bl. 283–285; vgl. die Niederschriften über die Vollsitzungen des RR 1930, S. 149 f.).

Der Reichskanzler bemerkte, daß über seine Auffassung zur Sache in der Öffentlichkeit ein Irrtum entstanden sei. Obschon er persönlich ein Anhänger des Baues des zweiten Panzerkreuzers sei, habe er doch vor der Beschlußfassung des Reichsrats in keiner Weise erkennen lassen, daß er diesen Beschluß herbeigeführt wissen möchte. Das Reichskabinett, das jetzt vor der Frage einer Doppelvorlage stehe, sei in dem Reichsrat in eine sehr schwierige Situation versetzt worden. Vom rein finanziellen Standpunkt aus gesehen, sei es vielleicht besser, eine Doppelvorlage zu machen. Andererseits werde die Lage des Reichskabinetts durch den Verzicht auf eine Doppelvorlage keineswegs erleichtert. In jedem Falle gehe seine Meinung dahin, daß das Kabinett aus der Frage der Annahme oder der Ablehnung des Panzerkreuzerbaues durch den Reichstag keine Kabinettsfrage machen dürfe. Er könne für seine Fraktion keinesfalls die Erklärung abgeben, daß diese dem Panzerkreuzerbau zustimmen werde. Die Auffassungen seien hier sehr geteilt14.

14

Die unterschiedlichen Auffassungen in der Z-Fraktion wurden in der Sitzung des RT-Haushaltsausschusses am 8.5.30 deutlich: Zwei Z-Abg. stimmten gegen die 1. Rate, der Z- Fraktionsvors. Perlitius enthielt sich der Stimme, ein Z-Abg. stimmte für die 1. Rate (WTB Nr. 917, 8.5.30).

Staatssekretär Dr. Weismann führte aus, daß der in der Reichsratsvollsitzung zustandegekommene Beschluß auf einer Zufallsmehrheit beruhe.

Der Reichswirtschaftsminister erklärte, daß er für eine Doppelvorlage sei, und zwar aus einem doppelten Grunde; einmal, weil ein solches Vorgehen das Festhalten an der alten Regierungsvorlage bedeute und weiter, weil der Reichsratsbeschluß nur auf eine Zufallsmehrheit beruhe. Er fügte hinzu, daß die demokratische Reichstagsfraktion unter keinen Umständen für den Bau des Panzerkreuzers im Jahre 1930 zu haben sein werde15.

15

Tatsächlich stimmten die Demokraten am 8.5.30 im RT-Haushaltsausschuß gegen die 1. Rate (WTB Nr. 917, 8.5.30. Vgl. auch Dok. Nr. 29, P. 2).

Der Reichsminister des Innern sprach sich ebenfalls für eine Doppelvorlage aus, da auch nach seiner Meinung im Reichstage im Jahre 1930 niemals eine Mehrheit für den Panzerkreuzerbau zu haben sein werde. Wenn das Reichskabinett sich durch Unterlassen einer Doppelvorlage schon in diesem Jahre für den Bau des Panzerkreuzers einsetze, würden auch die Hoffnungen, im Jahre 1931 eine Mehrheit im Reichstage zu finden, ernstlich gefährdet. Das alte Kabinett habe bekanntlich unter Beteiligung der sozialdemokratischen Minister nach sehr schwierigen Verhandlungen den Beschluß gefaßt, im Jahre 1930 keine Rate anzufordern. Dafür habe aber der Reichswehrminister die Zustimmung der sozialdemokratischen Fraktion für den Baubeginn im Jahre 1931 im Rahmen eines Gesamtprogramms erhalten. Diese Situation werde bei Aufgabe des alten Kabinettsbeschlusses zerstört.

Der Reichswehrminister sprach sich eindringlichst gegen eine Doppelvorlage aus. Er erklärte, daß er sich bei den Beratungen des Reichsrats für die Einstellung der ersten Rate eingesetzt habe, und daß er auf Grund von Mitteilungen, die ihm gemacht worden seien, geglaubt habe, bei diesem Vorgehen[62] des Einverständnisses des Reichskanzlers sicher zu sein. Wenn das Kabinett daher jetzt eine Doppelvorlage mache, so bedeute dies für ihn eine persönliche Desavouierung. Nach seiner Meinung verbiete sich die Doppelvorlage aber auch aus psychologischen und sachlichen Gründen. Die Öffentlichkeit werde der Regierung Schwäche vorwerfen, wenn sie lediglich aus parteipolitischen Erwägungen darauf ausgehe, den Beschluß des Reichsrats umzustoßen. Für ihn als Reichswehrminister sei es ungeheuer schwierig, das Offizierkorps zur positiven Mitarbeit am Staate zu erziehen, wenn in der Armee immer wieder der Eindruck entstehe, daß die Reichsregierung schwächlich sei und sich in ihren Entschlüssen fast ausschließlich von parteipolitischen Erwägungen leiten lasse. Durch eine Doppelvorlage werde die Lage der Reichsregierung im Reichstage keineswegs erleichtert. Der Reichstag werde in jedem Falle Schwierigkeiten machen. Darum sei es besser, jetzt den Dingen nach dem Reichsratsbeschluß ihren Lauf zu lassen.

Der Reichsarbeitsminister meinte, realpolitisch gesehen gebe es für die Reichsregierung nur eine Lösungsmöglichkeit, nämlich die, gegenüber allen Beschlüssen des Reichsrats grundsätzlich an der Regierungsvorlage festzuhalten und daher in allen Fällen, nicht nur bezüglich des Panzerkreuzers, Doppelvorlage zu machen.

Der Reichspostminister sprach sich gegen eine Doppelvorlage aus, damit der Streit um den Panzerkreuzer im Reichstage ausgetragen werde. Er meinte, daß eine Doppelvorlage in der Öffentlichkeit fälschlich dahin ausgelegt werde, daß die Reichsregierung gegen den Bau des Panzerkreuzers eingestellt sei.

Der Reichsminister der Finanzen ging von der Tatsache aus, daß der Reichswehrminister sich im Reichsrat für den Panzerkreuzer eingesetzt habe. Das Kabinett könne den Reichswehrminister jetzt nicht im Stich lassen. Darum sei es besser, den Dingen jetzt ihren Lauf zu lassen, nachdem sie sich leider dahin entwickelt hätten, wo sie jetzt stünden. Jedenfalls habe derjenige, der dem Reichswehrminister über die Haltung des Reichskanzlers zur Sache irrtümlich unterrichtet habe, dem Kabinett einen sehr schlechten Dienst erwiesen.

Der Reichswirtschaftsminister wandte sich gegen den Vorschlag des Reichsarbeitsministers und machte den Vermittlungsvorschlag, heute auf eine Doppelvorlage zu verzichten, dem Reichstage aber zu gegebener Zeit zu erklären, daß die Reichsregierung auf den Bau des Panzerkreuzers in diesem Jahre nicht bestehe, vielmehr damit einverstanden sei, wenn er in das Bau-Programm des Jahres 1931 aufgenommen werde16.

16

Eine entsprechende Erklärung gab der RWeM am 23.5.30 während der 2. Lesung des Marineetats im RT ab (RT-Bd. 428, S. 5300 ).

Der Reichsminister für die besetzten Gebiete schloß sich im wesentlichen der Auffassung des Reichswehrministers an. Er meinte, daß es dem Reichskabinett als Schwäche ausgelegt werde, wenn es jetzt eine Doppelvorlage mache. Er empfahl, den Dingen ihren Lauf zu lassen, im übrigen aber den Bau des Panzerkreuzers bei ablehnenden oder zustimmenden Beschlüssen des Reichstags nicht zur Kabinettsfrage zu machen.

[63] Der Reichsaußenminister hielt die Situation durch die Erklärung des Reichswehrministers für festgelegt. Eine Desavouierung des Reichswehrministers hielt er für unmöglich. Im übrigen führte er aus, daß das Kabinett auch aus außenpolitischen Gründen sich nicht gegen den Beschluß des Reichsrats wenden dürfe. Der Versailler Vertrag gebe Deutschland die Möglichkeit, die Panzerkreuzer als Ersatz für seine Flotte zu bauen. Deutschland müsse von seinen Möglichkeiten Gebrauch machen, wenn es nicht Gefahr laufen wolle, daß ihm eines Tages aus irgendwelchen Vorwänden von seinen Gegnern die Bauerlaubnis bestritten werde.

Der Reichsverkehrsminister führte aus, daß niemand in der Öffentlichkeit die Auffassung haben werde, daß dieses Kabinett einmütig für den Bau des Panzerkreuzers eintrete. Aus diesem Grunde sei er gegen eine Doppelvorlage. Es sei klar, daß im Reichstag eine Mehrheit für den Baubeginn im Jahre 1930 nicht vorhanden sei. Wenn die Frage im Reichstag zur Verhandlung komme, müsse die Reichsregierung dafür sorgen, daß die Angelegenheit von den Parteien nicht allzusehr zugespitzt werde und zu erkennen geben, daß auch sie die Angelegenheit noch nicht für völlig spruchreif halte. Sie müsse darauf ausgehen, den Reichstag dazu zu bringen, ein Marine-Bauprogramm zu fordern, in das der Panzerkreuzer einzubeziehen sei. Sache des Reichswehrministers sei, ein derartiges Bauprogramm vorzubereiten.

Der Reichsminister des Innern erklärte, daß er erst im Verlaufe der Debatte erfahren habe, daß der Reichswehrminister sich im Reichsrat bereits für den Panzerkreuzer festgelegt habe. Unter diesen Umständen halte er eine Doppelvorlage für unmöglich. Er verzichte unter diesen Umständen auch auf die in der vorangegangenen Kabinettssitzung auf seinen Antrag beschlossene Doppelvorlage bezüglich der 120 000 M für das Philharmonische Orchester17.

17

Siehe Dok. Nr. 19, P. 1.

Abschließend stellte der Reichskanzler fest, daß die überwiegende Mehrheit des Reichskabinetts gegen eine Doppelvorlage sei und dementsprechend beschlossen habe. Er stellte ferner, ohne Widerspruch zu finden, fest, daß unter diesen Umständen auch eine Doppelvorlage wegen der in dem Etat des Reichsarbeitsministeriums eingesetzten 1 Million für Kinderspeisungen nicht in Frage kommen könne.

Extras (Fußzeile):