1.18.2 (bru2p): 2. Wirtschaftspolitische Angelegenheit.

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2. Wirtschaftspolitische Angelegenheit4.

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Zu den bisherigen Beratungen vgl. Dok. Nr. 269, P. 1.

Staatssekretär Dr. TrendelenburgTrendelenburg berichtete über seine Verhandlungen mit den Industrievertretern. Der Vorschlag, für die großen Firmen die Staatsgarantie auf 60% zu ermäßigen, sei von ihnen einmütig abgelehnt worden. Die Finanzierung sei bei den einzelnen Unternehmungen verschieden; bei der AEG werde sie aus eigenen Mitteln möglich sein. Diese Mittel würden dem inneren Markte entzogen, lägen aber andernfalls brach. Bei den Vereinigten Stahlwerken würden wohl Auslandskredite in Anspruch genommen werden. Die schlechte Beschäftigung der Werke solle weniger auf Kapitalmangel als auf unzulänglichen Aufträgen beruhen.

Auch eine Erhöhung der Prämie sei abgelehnt worden, insbesondere von Poensgen und Klöckner.

Die Geschäfte seien nur zu rechtfertigen, wenn sie im Rahmen der gesamten Politik nützlich erschienen. Diese Voraussetzung dürfe gegeben sein, weil ein Druck auf die anderen Länder ausgeübt würde. Dies zeige sich beispielsweise aus einer Anfrage des Generalsekretärs der Internationalen Handelskammer5, der Zusammenarbeit mit Frankreich und Bildung einer Front gegen Rußland vorgeschlagen habe6.

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Edouard Dolléans.

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Nicht ermittelt.

Eine Mehrbeschäftigung sei nur in beschränktem Umfange, etwa zu 20 bis 30% der in Frage kommenden Summe, zu erwarten. Mehrbeschäftigung auf Grund von Aufträgen aus dem Inland wäre wohl möglich, insbesondere bei der Reichsbahn. Die Konstruktion einer Garantie wäre aber schwierig und würde schließlich darauf hinauslaufen, daß für Aufwendungen Beiträge geleistet würden. Dagegen läge das Risiko bei den Russengeschäften rechtlich klar.

[981] Voraussetzung der Reichsgarantie müsse sein, daß nicht von anderen Stellen außer den Ländern Garantien übernommen würden. Eine Anzahl von Verträgen sei geschlossen worden, ohne Reichsgarantie in Anspruch zu nehmen. Der interministerielle Ausschuß müsse deswegen in jedem Falle prüfen, ob eine Garantie nötig sei. Dem Garantiefonds würden zunächst für 40 Mill.[ionen] RM Reichsbahnvorzugsaktien zugeführt werden; sie würden frei, wenn die Prämien, die in den Fonds flössen, diese Höhe erreicht hätten. Die etatsrechtlichen Bestimmungen ermöglichten die Garantie im vorgesehenen Umfange.

Der Reichsminister der Finanzen gab eine Übersicht über die Gesamtrisiken des Reichs in den einzelnen Jahren. Nötigenfalls müßten in den Etat 1932 etwa 50 Millionen RM zur Deckung des Risikos eingestellt werden.

Der Reichsbankpräsident sprach sich grundsätzlich für das Geschäft aus, wies aber darauf hin, daß es verschiedenen Industriellen gelungen sei, Verträge mit besseren als den vorgesehenen Zahlungsbedingungen abzuschließen. Je weniger der Staat beteiligt sei, desto besser würden die Bedingungen. Auch vom Standpunkt der Reparationspolitik müsse der private Charakter der Geschäfte nach Möglichkeit hervorgehoben werden.

Der Reichspostminister sprach sich erneut entschieden gegen die Garantie aus. Die Geschäfte würden vornehmlich aus Mitteln der Konzerne ausgeführt. Die zusätzliche Beschäftigung werde gering sein. Das Risiko sei mit Rücksicht auf die Lage der Reichsfinanzen übermäßig hoch. Die Post habe einen Kreditbedarf von 140 Millionen, ähnlich die Reichsbahn und die Gemeinden7.

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Der RPM übersandte dem RK am 21.4.31 einen Zeitungsartikel des „Bayerischen Kuriers“ vom 14.4.31: „Deutsch-russische Geschäfte. Unterstützen deutsche Großindustrie und deutsche Behörden die russisch-kommunistische Propaganda?“ und teilte mit, daß er diesem Artikel völlig fern stehe und auch nicht wegen seines Standpunktes mit dem Bayerischen Kurier oder sonst irgendeiner Pressestelle Fühlung genommen habe (Das Schreiben des RPM wurde vom RK mit einer Sichtparaphe abgezeichnet. Schreiben mit Zeitungsartikel in R 43 I /139 , Bl. 361–363).

Auch der Reichsverkehrsminister erklärte, daß seine Bedenken noch nicht zerstreut seien.

In ähnlichem Sinne sprach sich der Reichsarbeitsminister aus. Das Risiko im ganzen würde bei dem Vertrag mit Österreich, den reparationspolitischen Fragen und der Abrüstungsfrage durch das Russengeschäft noch weiter und über Gebühr wachsen.

Der Reichsminister des Innern sprach sich dagegen für die Geschäfte aus. Die Verbindung mit Rußland dürfe nicht aufgegeben werden. Die Politik mit Rußland sei immer ein Risiko gewesen.

Auch der Reichsminister des Auswärtigen wies darauf hin, daß eine Ablehnung der Garantie ein Abweichen von der bisherigen Linie der Politik gegenüber Rußland bedeuten würde. Auch das innere Geschäftsleben verlange den Abschluß der Geschäfte.

Nach eingehender Aussprache war das Kabinett in seiner Mehrheit damit einverstanden, daß die Vertreter der Reichsressorts in dem mit der Verteilung der Exportgarantien beauftragten interministeriellen Ausschuß ermächtigt werden, im Rahmen der vorhandenen Garantieermächtigungen und auf Grund der[982] bestehenden Vorschriften Lieferungsgeschäfte nach der UdSSR, die von deutschen Industriellen in Moskau unter den dem Kabinett bekanntgegebenen Bedingungen grundsätzlich vereinbart worden sind, mit der Ausfallbürgschaft zu versehen. Voraussetzung für die Erteilung einer Garantie ist, wie bisher, die Prüfung jedes einzelnen Geschäfts. Die Prüfung hat sich insbesondere auch darauf zu erstrecken, ob die Erteilung der Garantie für das Zustandekommen des Geschäftes ausschlaggebend ist. Voraussetzung für die Ausfallbürgschaft ist, daß für das Geschäft nicht von anderen öffentlichen Stellen außer von Ländern Garantien übernommen werden.

Das Reichskabinett nahm von den Erklärungen des Reichswirtschaftsministers und des Reichsministers der Finanzen Kenntnis, nach denen für künftige Schadensfälle ein Risikofonds gebildet werden soll. Ihm werden als Grundstock zunächst 40 Millionen Reichsbahnvorzugsaktien überwiesen. Die Prämien fließen ihm zu. Die Reichsbahnvorzugsaktien werden von der Haftung frei, sobald sie 40 Millionen RM betragen8.

8

Das Abkommen der dt. Industriellen mit dem Obersten Volkswirtschaftsrat der UdSSR wurde am 14.4.31 unterzeichnet. Das Abkommen galt vom 15. 4.–31.8.31 und sah über den Rahmen des bisherigen Geschäftsumfanges hinausgehende Lieferungsaufträge im Gesamtwert von über 300 Mio RM vor (WTB Nr. 802 vom 18.4.31, R 43 I /139 , Bl. 329). Zu den Kredit- und Zahlungsbedingungen des Vertrags s. Dok. Nr. 259.

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