1.192.1 (bru3p): Politische Angelegenheit.

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Politische Angelegenheit.

Der Reichsarbeitsminister eröffnete und leitete die Sitzung1.

1

Vgl. Dok. Nr. 703, Anm. 1.

Staatssekretär Zweigert führte aus, daß Bayern an das Reichsministerium des Innern die Bitte gerichtet habe, aus Anlaß des zweiten Wahlganges der Reichspräsidentenwahl sowie anläßlich der am 24. April d. Js. in verschiedenen Ländern stattfindenden Landtagswahlen für den Erlaß zweier Verordnungen des Reichspräsidenten aufgrund des Artikels 48 der Reichsverfassung Sorge zu tragen. Bayern wünsche eine Verordnung zur Bekämpfung politischer Ausschreitungen und eine Verordnung zur Sicherung der Wahlfreiheit. Die erste Verordnung zur Bekämpfung politischer Ausschreitungen halte Bayern vor allem für notwendig, um Bereitstellungen und Zusammenziehungen von Alarmbereitschaften politischer Verbände verhindern zu können.

Der Erlaß einer Verordnung zur Sicherung der Wahlfreiheit sei nach Ansicht Bayerns vor allem deshalb geboten, um zu verhindern, daß unterschriftliche oder sonstige Verpflichtungserklärungen von Wahlberechtigten über ihre Stimmabgabe bei der Reichspräsidentenwahl oder Landtagswahl eingesammelt oder sonst verlangt, und daß durch Anwendung von Gewalt usw. die Wahlfreiheit eines anderen beeinträchtigt werde.

Das Bayerische Staatsministerium wolle von sich aus aufgrund des Art. 48 der Reichsverfassung die betreffende Verordnung erlassen, wenn der Herr Reichspräsident sich nicht dazu entschließen könnte, Verordnungen dieser Art zu erlassen2.

2

Vgl. Dok. Nr. 704.

Exzellenz Groener, mit dem er, Staatssekretär Zweigert, die Angelegenheit besprochen habe, wolle den gesamten Fragenkomplex mit den Ländern besprechen, die Abschrift des an das Reichsministerium des Innern gerichteten Schreibens des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 30. März erhalten hätten, d. h. mit den größeren Ländern bis einschließlich Hessen. Es werde daher zweckmäßig an das Bayerische Ministerium des Innern im Namen der Reichsregierung die Bitte zu richten sein, den Erlaß einer Verordnung zur Bekämpfung politischer Ausschreitungen zunächst zurückzustellen und die für Montag, den 4. April in Aussicht genommene Besprechung mit den Innenministern der erwähnten Länder abzuwarten3.

3

Die Innenministerkonferenz fand am 5.4.32 statt: Dok. Nr. 710, Anm. 2.

[2410] Gegen die Verordnung zur Sicherung der Wahlfreiheit habe das Reichsministerium des Innern erhebliche Bedenken. Auch Exzellenz Groener halte es kaum für möglich, daß eine derartige Verordnung erlassen werde.

Der Reichsminister der Justiz erklärte sich mit dem Standpunkte des Staatssekretärs Zweigert bezüglich der Verordnung zur Bekämpfung politischer Ausschreitungen einverstanden. Gegen den Entwurf einer Verordnung zur Sicherung der Wahlfreiheit äußerte der Reichsminister der Justiz gleichfalls Bedenken. Er bezweifelte im übrigen, ob Bayern von sich aus eine derartige Verordnung erlassen könne.

Der Reichskommissar für die Osthilfe, Reichsminister Dr. Schlange wies darauf hin, daß besonders im Osten des Reiches auf dem Lande ein unglaublicher Terror herrsche. Deshalb halte er es für unbedingt geboten, daß für das ganze Reich eine Verordnung des Reichspräsidenten ungefähr des Inhalts erlassen werde, wie ihn der bayerische Entwurf zur Sicherung der Wahlfreiheit enthalte. Man solle es nicht Bayern überlassen, allein eine Regelung dieses Inhalts aufgrund des Artikels 48 zu treffen.

Der Reichsarbeitsminister bat zu überlegen, ob die von Bayern gewünschten Verordnungen vielleicht nach dem 10. April für das ganze Reich erlassen werden könnten.

Staatssekretär Dr. Heukamp führte aus, daß nach seiner Ansicht der Erlaß einer Verordnung zur Sicherung der Wahlfreiheit für das ganze Reich geboten sei. Er führte ein Beispiel von Wahlterror im Rheinland und in Westfalen von seiten der Bäcker im ersten Wahlgang der Reichspräsidentenwahl an.

Staatssekretär Dr. Meissner führte aus, daß der Herr Reichspräsident keine Bedenken habe, eine Verordnung zur Bekämpfung politischer Ausschreitungen mit ungefähr dem Inhalt des bayerischen Entwurfs zu erlassen. Dagegen habe der Herr Reichspräsident Bedenken gegen den Erlaß einer Verordnung zur Sicherung der Wahlfreiheit.

Der Reichsarbeitsminister machte folgenden Vorschlag:

Die Bayerische Staatsregierung soll gebeten werden, eine Verordnung zur Bekämpfung politischer Ausschreitungen noch nicht sogleich zu erlassen, sondern die für Montag, den 4. April bzw. Dienstag, den 5. April, in Aussicht genommene Besprechung mit den Innenministern der Länder zunächst abzuwarten. Auch der Erlaß einer Verordnung zur Sicherung der Wahlfreiheit soll bis zu dieser Besprechung von Bayern zurückgestellt werden. In diesem Sinne soll namens der Reichsregierung Bayern geantwortet werden. In der Antwort ist ferner darauf hinzuweisen, daß die Reichsregierung Bedenken gegen die Verordnung zur Sicherung der Wahlfreiheit hat.

Die übrigen Mitglieder des Reichskabinetts stimmten diesem Vorschlage zu4.

4

Das vom RIM und RJM unterzeichnete, am 1.4.32, 18.15 Uhr abgesandte Telegramm an das BayerIMin. hatte folgenden Wortlaut: „Reichsregierung hat in heutiger Kabinettssitzung Vorschläge dortigen Schreibens vom 30. März eingehend geprüft. Sie ist der Auffassung, daß Vorschläge der Anlage I im Grundgedanken durchaus erwägenswert sind, aber zweckmäßig zunächst in einer für Anfang nächster Woche in Aussicht genommenen Besprechung mit den Innenministern der nach dortigem Schreiben beteiligten Länder näher beraten werden. Gegen Vorschläge der Anlage II hat Reichsregierung in politischer und rechtlicher Hinsicht wesentliche Bedenken, die zweckmäßig gleichfalls in bevorstehender Beratung zu erörtern sein werden. Reichsregierung bittet danach dringend, dortige Entschließung über beide Vorschläge bis zu dieser Konferenz zurückzustellen. Telegraphische Einladung zur Konferenz erfolgt morgen“ (Abschrift in R 43 I /2701  b, Bl. 44). ORegR Pukaß notierte am 2.4.32 einen Anruf StS Zweigerts, daß aus München keine Reaktion gekommen sei, so daß offenbar der Vorschlag der Vertagung akzeptiert worden sei (R 43 I /2701  b, Bl. 45).

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