1.223.1 (bru3p): Siedlung

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Siedlung

Ministerialdirektor Dr. Weigert wies auf die schwierige Lage hin, in der sich das Siedlungswesen befinde1. Er betonte vor allem, daß die finanzielle Frage noch nicht geklärt sei2. Ohne eine Klärung dieser Frage werde es jedoch nicht möglich sein, in der Frage der Siedlung vorwärts zu kommen.

1

Vgl. Dok. Nr. 644 und Dok. Nr. 662, P. 6.

2

Vgl. Dok. Nr. 733, P. 3.

Land für Siedlungszwecke werde in absehbarer Zeit in genügendem Umfange zur Verfügung stehen, weil eine große Anzahl von Sicherungsverfahren im Osten demnächst abgeschlossen würden3. Es werde sich in vielen Fällen herausstellen, daß eine Zwangsversteigerung unvermeidbar sein werde. Die Kosten der Siedlung müßten allgemein geringer werden. Das Reichsarbeitsministerium habe ein großes Interesse daran, daß die Kosten des für Siedlungszwecke zu erwerbenden Landes möglichst gering seien. Es habe den Entwurf einer Verordnung, betreffend Förderung der landwirtschaftlichen Siedlung ausgearbeitet und dem Reichskabinett unterbreitet4.

3

Hierzu § 22 Abs. 2 der NotVo. zur Sicherung der Ernte und der landwirtschaftlichen Entschuldung im Osthilfegebiet vom 17.11.31: „Das Sicherungsverfahren ist ferner aufzuheben, wenn nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betriebsinhabers die Durchführung des Sicherungsverfahrens nicht mehr erforderlich erscheint oder sich die Durchführung eines Entschuldungsverfahrens als aussichtslos erweist“ (RGBl. 1931 I, S. 675 , hier S. 678).

4

Vgl. Dok. Nr. 724, Anm. 1.

Der Reichsarbeitsminister führte aus, daß folgende Schwierigkeiten bei der Siedlung besonders im Vordergrund ständen:

a)

Preußen wolle sein Siedlungswesen auf das Reich übertragen, wenn das Reich nicht durch einen Zuschuß von 90 Millionen RM den Ausgleich im preußischen Etat ermögliche5.

b)

Das Reichsarbeitsministerium benötige einen Betrag von 50 Millionen RM für die bereits vorhandenen Siedlungen, die größtenteils in Schwierigkeiten seien. Diese Siedlungen müßten mit dem erwähnten Betrage in Ordnung gebracht werden6.

c)

Die Finanzierung der neuen Siedlungen solle durch die Prämienanleihe erfolgen. [2493] Über diese Anleihe habe das Reichskabinett noch keinen Beschluß gefaßt. Es sei auch noch nicht sicher, was eine Prämienanleihe bringen werde7.

d)

Die Siedlung stehe im Mittelpunkt des Arbeitsbeschaffungsprogramms, dessen Erfolg wieder von dem Erfolg der Prämienanleihe abhänge.

5

Vgl. Dok. Nr. 689.

6

Vgl. Dok. Nr. 733, P. 3.

7

Vgl. Dok. Nr. 733, P. 2 und Dok. Nr. 736.

Der Reichskanzler warf die Frage auf, wozu der Betrag von 30 Millionen RM dienen solle, der im Etat des Reichskommissars für die Osthilfe vorhanden sei.

Der Reichskommissar für die Osthilfe, Reichsminister Schlange, erwiderte, der Betrag von 30 Millionen RM sei für die Aufrechterhaltung der Güter notwendig, die nicht umgeschuldet werden könnten. Mit diesem Betrage müsse die Devastierung der Güter vermieden werden.

Der Reichskanzler warf sodann die Frage auf, wer die Siedlung im einzelnen durchführen, d. h. zunächst die erforderlichen Güter als siedlungsfähig bezeichnen und kaufen solle.

Der Reichskommissar für die Osthilfe, Reichsminister Schlange, erwiderte, daß hierin einer der Streitpunkte zwischen ihm und dem Reichsarbeitsminister liege. Während der Reichsarbeitsminister die Entscheidung hierüber den Siedlungsträgern übertragen wissen wolle, wolle er, Reichsminister Schlange, die Entscheidung den Landstellen übertragen8. Er führte im übrigen aus, daß das allgemeine Urteil über die bisherigen Resultate der Siedlung vernichtend laute.

8

Vgl. Dok. Nr. 724, Anm. 2. Zu dem Kompetenzkonflikt zwischen dem RArbM und RM Schlange hatte MinR Feßler am 3.5.32 einen Vermerk zu den Akten gegeben: Der OsthilfeKom. wollte die nicht entschuldungsfähigen Grundstücke einer Auffangorganisation zuführen, der RArbM wollte die Grundstücke direkt der Siedlung zuführen. Nach Schlanges Vorstellungen sollten die Treuhandstellen in Verbindung mit den Landstellen des ROsthilfeKom. als Auffangstellen dienen; der RArbM wollte die Grundstücke den Siedlungsunternehmungen direkt zum Ankauf anbieten. Schlange hatte für die Oststelle das alleinige Antragsrecht für Zwangsversteigerungen beantragt, während der RArbM ebenfalls dieses Recht für sich in Anspruch genommen hatte. Der RArbM nahm gegen den Widerspruch des ROstKom. das Entscheidungsrecht über die Siedlungsfähigkeit verschuldeter Grundstücke für sich in Anspruch. Feßler stellte zu diesem Konflikt fest: „Es besteht die Gefahr, daß sich aus der Zusammenarbeit der beiden Ressorts im Siedlungswesen dauernd Reibungen ergeben. Wenn, wie beide Ressorts wollen, der Preis der Güter von beiden gemeinschaftlich festgesetzt werden muß (§ 1), so können diese Reibungen nicht ausbleiben. Der Reichsarbeitsminister hat Interesse an möglichst niedrigen Bodenpreisen, um die Siedlung lebensfähig zu machen, der Reichsostkommissar wird bis zu einem gewissen Grade die Interessen des Grundbesitzes und der daran dinglich Berechtigten vertreten wollen. Eine Schiedsstelle ist nicht vorgesehen. Das Kabinett müßte also schließlich den Ausschlag geben. […] Wenn die Verantwortung für das Siedlungswesen beim Reichsarbeitsminister bleibt, dann wird seinen Vorschlägen zuzustimmen sein. Soweit danach gemeinschaftliche Entscheidungen getroffen werden müssen, wird ein Unparteiischer zur Entscheidung von Meinungsverschiedenheiten zu bestimmen sein“ (R 43 I /1289 , Bl. 327–328).

Vgl. hierzu auch RM Schlanges Schreiben an den StSRkei vom 3.5.32, R 43 I /1289 , Bl. 337–338.

Ministerialrat Gisbertz führte aus, daß der Reichsarbeitsminister das siedlungsreife Land möglichst sofort den Siedlern geben wolle. Eine Auffangorganisation sei nicht nötig. Das Reichsarbeitsministerium wolle geeignete Persönlichkeiten in die Landstellen entsenden, die zu entscheiden hätten, welches Land für Siedlungszwecke geeignet sei.

Oberregierungsrat Helferich führte aus, daß bisher in Deutschland 23 000 ha für Siedlungszwecke erworben worden seien. Da der Kaufpreis des Siedlungslandes möglichst niedrig liegen müsse, um die Siedlungen nicht von vornherein zu[2494] hoch zu belasten, werde es nicht immer möglich sein, die erste Hypothek beim Erwerb von Siedlungsland auszubieten.

Ministerialdirektor Graf Schwerin v. Krosigk betonte die Notwendigkeit, die kleinen Gläubiger nicht ausfallen zu lassen. Sie müßten Schuldverschreibungen erhalten, die in einer Reihe von Jahren vom Reich eingelöst würden.

Der Reichskanzler schloß sich dieser Auffassung an und führte aus, daß der Ausfall der kleinen Gläubiger den Zusammenbruch vieler Existenzen zur Folge haben könne.

Er betonte im übrigen, daß es vor allem auf die Auswahl geeigneter Persönlichkeiten ankomme, die über die Frage zu entscheiden hätten, welche Güter für Siedlungszwecke geeignet seien.

Die Sitzung wurde hierauf geschlossen. Eine erneute Sitzung soll um 4 Uhr 30 nachmittags stattfinden9.

9

Vgl. Dok. Nr. 738.

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