2.163.3 (feh1p): 3. Anträge des Reichskommissars für die Vereinfachung und Vereinheitlichung der Reichsverwaltung mit den dazu ergangenen Voten der Herren Reichsminister.

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[431]3. Anträge des Reichskommissars für die Vereinfachung und Vereinheitlichung der Reichsverwaltung mit den dazu ergangenen Voten der Herren Reichsminister.

Der Reichskommissar Dr. Carl gab einen kurzen Überblick über seine Anträge1 und die Voten der Herren Reichsminister zu dem ersten Antrage auf Auflösung verschiedener Ministerien2. Nach längeren Ausführungen kam er zu der Auffassung, daß das Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft, das Reichsschatzministerium und das Reichsministerium für Wiederaufbau aufgelöst bzw. mit anderen Stellen vereinigt werden müßten. Bezüglich der Auflösung des Reichsarbeitsministeriums, für dessen Auflösung rein technische Gesichtspunkte sprächen, glaubte er aus politischen Gründen zur Zeit eine Auflösung nicht empfehlen zu können. Er schlug vor, einer einzusetzenden Kommission die Aufgabe zu stellen, die erstgenannten drei Ministerien zu beseitigen und bezüglich des Reichsarbeitsministeriums die Frage seiner Auflösung zu prüfen. Einen bestimmten Zeitpunkt für die Auflösung der erstgenannten drei Ministerien glaubte er nicht festsetzen, in dieser Beziehung vielmehr die Vorschläge der Kommission abwarten zu sollen.

1

Zu den Anträgen des RKom. für die Vereinfachung und Vereinheitlichung der Reichsverwaltung s. Dok. Nr. 141, P. 2.

2

In der Zwischenzeit hatten die meisten RM ihr Votum zu den Anträgen des RKom. Carl abgegeben. Während der RFM und der RJM sich eine Äußerung noch vorbehalten hatten, hatten die übrigen RM mehr oder weniger ausführlich zu den Vorschlägen des RKom. Stellung genommen. Der RAM begrüßte die Vorschläge vom Standpunkt der inneren wie auch der äußeren Politik. Eine freiwillige Beschränkung in der Verwaltung sei besser als eine durch die Alliierten aufgezwungene. Im einzelnen sollte das REMin. und das RMin-Wiederaufbau mit dem RWiMin. und das RSchMin. mit dem RFMin. zusammengelegt werden.

Der RWiM hatte auf die Vermehrung der Aufgaben in der Verwaltung seit dem Kriege hingewiesen, hatte einer Vereinfachung aber grundsätzlich zugestimmt. Sein Plan sah vor, das RMinWiederaufbau zwischen dem RWiMin. und dem AA aufzuteilen sowie REMin. und RWiMin. und RSchMin. und RFMin. zusammenzulegen.

Der RArbM bezeichnete die Frage der Auflösung von Ministerien zur Zeit als zweifelhaft.

Der RSchM betonte, daß eine klare Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen Reich, Ländern und Gemeinden getroffen werden müsse. Gegen die Auflösung des RSchMin. hatte er keine grundsätzlichen Bedenken.

Der RVM schlug vor, das RSchMin. aufzulösen und die Aufgaben des RMinWiederaufbau auf eine Mittelbehörde zu übertragen.

Der RMWiederaufbau erklärte, daß ein grundsätzlicher Beschluß über die Auflösung einzelner Ministerien zur Zeit unmöglich sei; erst müsse über die Geschäftsverteilung Klarheit geschaffen werden.

Der REM sprach sich gegen eine Auflösung des REMin. aus; vielmehr sollten die Zuständigkeiten der einzelnen Ministerien streng abgegrenzt werden. Eine Zusammenstellung der Voten der RM findet sich in R 43 I /1947 , Bl. 91–95.

Der Reichsminister des Innern legte in großen Zügen seine in seinem Votum enthaltene Stellungnahme zu der Frage der Verringerung der Minsterien dar. Er war der Auffassung, daß sich ein großer Teil der Reibungen vermeiden lassen würde, wenn das Reichswirtschaftsministerium, das Reichsfinanzministerium und das Reichsministerium für Wiederaufbau zu einem Ministerium für Wirtschaft und Finanzen oder Wiederaufbau vereinigt würden. Desgleichen glaubte er innerhalb weiterer Fristen einer Auflösung des Reichsschatzministeriums und des Reichsministeriums für Ernährung und Landwirtschaft das Wort reden, einer Vereinigung des Reichsarbeitsministeriums mit dem großen Ministerium[432] für Wirtschaft und Finanzen oder Wiederaufbau jedoch z. Zt. abraten zu sollen.

Der Reichswirtschaftsminister führte aus, daß eine Zusammenlegung des Reichsfinanzministeriums und des Reichswirtschaftsministeriums viel für sich hätte, empfahl jedoch, die historische Entwicklung nicht ganz außer acht zu lassen und sich zunächst einmal über den normalen Aufbau eines solchen Riesenministeriums und über die Verteilung der Aufgaben der etwa aufzulösenden Ministerien klar zu werden.

Staatssekretär Dr. Müller äußerte Bedenken gegen die Aufhebung des Reichsministeriums für Wiederaufbau, indem er die mannigfaltigen Aufgaben dieses Ministeriums schilderte, die für die Durchführung des Friedensvertrages geleistet werden müßten. Eine Vereinigung mit einem anderen Ministerium erscheine ihm auch mit Rücksicht auf die große Zahl seiner Beamten und Angestellten (6000) wenig geeignet.

Der Reichspostminister war der Auffassung, daß man sich zunächst ein klares Bild darüber machen müsse, welche Aufgaben wegfallen, welche bleiben sollten und wer sie weiterzuführen hätte. Nur dann würde man zu einem richtigen Ergebnis kommen können. Die Reform liege nicht in der Beschränkung der Ministerien, sondern in der Beschränkung bzw. Vereinfachung der Aufgaben.

Der Reichsminister des Auswärtigen bezeichnete es vom außenpolitischen Standpunkt als sehr erwünscht, wenn man möglichst bald einer Vereinfachung des Beamtenapparats kommen würde; beispielsweise würde im Reichswirtschafts- und Wiederaufbauministerium zum Teil doppelte Arbeit geleistet.

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft war gleichfalls der Auffassung, daß vor Entscheidung der Frage über die Auflösung einzelner Ministerien eine scharfe Abgrenzung der Kompetenzen untereinander und der Reichsaufgaben überhaupt stattfinden müsse.

Der Reichsminister der Justiz stimmte dem Reichsminister des Innern darin bei, daß der Gedanke einer Zusammenlegung der die Finanzen und die Wirtschaft bearbeitenden Ressorts erwägenswert sei, glaubte sich aber von einer mechanischen Zusammenlegung wenig versprechen zu können. Seiner Auffassung nach sollte jeder Minister innerhalb seines Ressorts den Beamtenapparat und die Ausgaben so beschneiden, wie es nur möglich sei.

Der Reichsminister der Finanzen trat insbesondere für eine beschleunigte Beschlußfassung des Reichskabinetts ein. Wenn der Finanzdiktator3 auch bisher positive Ergebnisse kaum erzielt habe, so habe doch in negativer Hinsicht seine Tätigkeit gut gewirkt, indem doch manche Ausgaben vermieden worden seien. Der Wegfall von zwei Ministerien erscheine ihm zu gering.

3

Der RKom. für die Vereinfachung und Vereinheitlichung der Reichsverwaltung wurde in der Öffentlichkeit auch als „Finanzdiktator“ bezeichnet. Siehe dazu RT-Bd. 347, S. 2041  u. 2043.

Der Reichsschatzminister trat für schleunige Beschlußfassung ein, vermißte aber in den Vorschlägen des Reichskommissars alle finanziellen Unterlagen über die Wirkung einer Auflösung und Unterlagen für die Verteilung der Aufgaben auf die bleibenden Ministerien. Ein großer Fehler liege in der Überschneidung der Aufgaben in den einzelnen Ministerien. Er empfehle daher, einmal[433] einen Beschluß dahin zu fassen, daß bis zur Feststellung des grundsätzlichen Planes über den Abbau eine Stellensperre beschlossen werde, von der gegebenenfalls gewisse Ausnahmen gemacht werden könnten, und sodann, daß eine Kommission aus den Kabinettsmitgliedern gebildet würde, die ermächtigt wäre, unter Zuziehung einzelner Staatssekretäre den ganzen Organisationsplan durchzuprüfen.

Staatssekretär Dr. Müller wandte sich gegen den Vorschlag des Herrn Vorredners über die Stellensperre und führte aus, daß er bei Annahme dieses Vorschlages die Verantwortung für die Führung der Geschäfte in seinem Ministerium nicht mehr übernehmen könne.

Der Reichsarbeitsminister sowohl wie der Reichswirtschaftsminister und der Reichspostminister schlossen sich dem Vorschlage des Herrn Reichsschatzministers an, möglichst bald die tatsächlichen Feststellungen zu treffen.

Der Reichswirtschaftsminister präzisierte seine Vorschläge dahin:

a) Einrichtung einer Kommission, bestehend aus Staatssekretären, zwecks Herbeischaffung tatsächlicher Unterlagen;

b) Einrichtung einer Kommission aus Kabinettsmitgliedern, die auf Grund der von der Kommission der Staatssekretäre ausgearbeiteten Vorschläge unter Berücksichtigung der politischen Gesichtspunkte die Entscheidung treffen solle.

Von verschiedenen Seiten wurde darauf hingewiesen, daß ein Hauptteil der Arbeit auch auf dem Gebiet der Prüfung der Aufgabenkreise des Reichs und der Länder liegen müsse.

Der Reichsminister des Innern erhob gegen den Vorschlag auf Bildung einer Kommission der Staatssekretäre Bedenken und schlug vor, eine Kommission aus Ministern zu bilden, die gegebenenfalls eine Unterkommission berufen könne; diese Ministerkommission sollte sich sofort mit dem Verbilligungsausschuß des Reichstags4 in Verbindung setzen und eine gemischte Kommission unter Führung der Reichsregierung, bestehend aus drei Ministern, etwa 5 oder 6 Abgeordneten und 2 oder 3 Reichsratsmitgliedern, bilden.

4

Dies war der RT-Ausschuß für Verbilligung der Verwaltung (16. Ausschuß des RT). Die Bildung dieses Ausschusses war am 2.7.1920 vom Haushaltsausschuß des RT vorgeschlagen worden (RT-Drucks. Nr. 86 , IIb2, Bd. 363); am 3. 7. hatte der RT diesem Vorschlag zugestimmt (RT-Bd. 344, S. 197 /98).

Nach weiteren längeren Erörterungen wurde beschlossen, daß der Reichsminister des Innern in Verbindung mit dem Reichsminister der Finanzen, dem Reichsschatzminister, dem Staatssekretär in der Reichskanzlei und dem Reichskommissar Dr. Carl Richtlinien ausarbeiten sollten, die dann dem Kabinett zur Billigung vorzulegen sein würden. Von einer Kenntnisgabe der Vorschläge des Reichskommissars und der Voten der einzelnen Minister an den Reichsrat oder den 16er Ausschuß des Reichstags5 soll einstweilen abgesehen werden6.

5

Siehe o. Anm. 4.

6

RIM Koch schreibt dazu unter dem Datum des 29.1.1921 in seinen „Aufzeichnungen“: „Verhandlung über Ersparnisse in der Verwaltung. Carls kümmerliche Denkschrift ist wirklich keine eigentliche Grundlage. Meine Denkschrift hat gewiß feste Vorschläge gegeben und gibt Gegenstand zur Erörterung. Aber wie schleppt sich die Kabinettsberatung wieder hin. Fehrenbach sitzt vor, ohne sich zu rühren, geht auch mal eine halbe Stunde hinaus. Keine Konzentrierung und Reden über alles und nichts. Die heutige Sitzung ist der beste Beweis dafür, daß das Kabinett zu vielköpfig ist. Zum Schluß kommt es wenigstens dazu, daß das Kabinett sich entschließt, einer zu bildenden Kommission des Reichskabinetts, Reichstags und Reichsrats Richtlinien oder doch Fragen (das ist noch unbestimmt) mit auf den Weg zu geben. Diese Richtlinien sollen Raumer, Wirth und ich […] aufstellen. […] Da ich Vorsitzender des Ausschusses werde, will ich die Dinge schon treiben. Aber schwer ist es.“ (Nachlaß Koch-Weser  27, Bl. 369). Siehe dazu weiter Dok. Nr. 179, P. 2.

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