2.221.1 (feh1p): Innere Lage.

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Innere Lage.

Nach Erörterung der Lage1 wurde beschlossen, morgen eine neue Sitzung abzuhalten, in der über das Eingreifen des Militärs zu einer größeren Aktion[615] entschieden werden soll2. Bis dahin wird auch die Frage des Erlasses eines militärischen Ausnahmezustandes vertagt3. Minister Severing erklärte, daß er gegen den Einsatz militärischer Hilfe im einzelnen Falle inzwischen nichts einzuwenden habe. Minister Geßler erklärte dagegen, daß er solchen militärischen Einsatz nur unter militärischem Ausnahmezustand für möglich halte. Hierüber blieb Meinungverschiedenheit bestehen.

1

Die Lage im mitteldeutschen Aufstandsgebiet hatte sich bis zum 28. 3. so entwickelt, daß der Stadtkreis Eisleben und der Mansfelder Seekreis von der Schutzpolizei besetzt und gesichert worden waren. Polizeieinheiten hatten am Abend des 28. 3., aus nordwestlicher Richtung kommend, Bereitstellungsräume um das Leunawerk erreicht, in dem sich die kommunistischen Aufständischen verschanzt hatten. Für den 29. 3. war der Sturm auf das Leunawerk vorgesehen (Denkschrift des PrIMin., S. 12–13, R 43 I /2712 , Bl. 179–180).

2

Bisher hatte das Militär in die Kämpfe nicht eingegriffen; lediglich an vereinzelten Stellen waren auf Wunsch der Ortsbehörden Truppen eingesetzt worden. Als Begründung für die Zurückhaltung gab Severing später u. a. vor dem Untersuchungsausschuß des Pr. Landtages an, daß man verhindern wollte, daß die bisher dem Aufstand noch fernstehenden gemäßigten Arbeiter sich aus Protest gegen den Einsatz der Reichswehr der Aufstandsbewegung anschlössen (Niederschriften, S. 99; vgl. auch K. Severing, Mein Lebensweg, Bd. 1, S. 324). Ähnlich äußerten sich auch der sächs. OPräs. Hörsing und der PrStKom. Weismann (Niederschriften S. 117–118 und 247).

3

Der zivile Ausnahmezustand über die Provinz Sachsen war durch den RPräs. bereits am 24.3.1921 verhängt worden (RGBl. 1921, S. 253 ). Zum Zivilkommissar war der sächs. OPräs. Hörsing ernannt worden (Schultheß 1921, I, S. 106). Ebenfalls am 24.3.1921 war der zivile Ausnahmezustand über den Bezirk Groß-Hamburg einschließlich der pr. Teile dieses Bezirks verhängt worden (RGBl. 1921, S. 254 ).

Staatssekretär Joël berichtete über die Frage der beschleunigten Aburteilung der Aufständischen und Plünderer durch außerordentliche Gerichte. Er spricht sich für den Erlaß der hierüber vorbereiteten Ausnahmeverordnung, aber gegen die Androhung neuer Strafverschärfungen aus, da die Strafen scharf genug seien und die Todesstrafe schon in den Fällen, wo sie jetzt zulässig sei, fast nie vollzogen werde4.

4

Vgl. dazu Dok. Nr. 222, Anm. 4.

Beschlossen: 1) Reichskabinett empfiehlt Festnahme des Redakteurs der „Roten Fahne“ (Abgeordneter auf frischer Tat)5. 2) Ausnahmevorschriften über Ausnahmegerichte sollen dem Herrn Reichspräsidenten empfohlen werden6.

5

Es handelte sich hier um Werner Scholem, Mitglied der VKPD-Fraktion des Pr. Landtages, Redakteur der „Roten Fahne“. Nach Art. 37 Abs. 1 der RV war die Verhaftung eines Abgeordneten zulässig, wenn der Abgeordnete bei der Ausübung der Tat oder spätestens im Laufe des folgenden Tages festgenommen wurde. Über Scholems Rolle im mitteldeutschen Aufstand ließ sich in R 43 I nichts ermitteln. Siehe dazu auch Dok. Nr. 222, P. 3.

6

Siehe dazu weiter Dok. Nr. 222.

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