2.242.5 (feh1p): 5. Grenzschutzorganisationen im Osten.

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   Das Kabinett Fehrenbach  Konstantin Fehrenbach Bild 183-R18733Paul Tirard und General Guillaumat Bild 102-01626AOppeln 1921 Bild 146-1985-010-10Bild 119-2303-0019

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5. Grenzschutzorganisationen im Osten2.

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Zu den vorangegangenen Ereignissen s. Dok. Nr. 207 und Dok. Nr. 241.

Der Herr Reichskanzler teilt mit, daß nach Berichten der Oberpräsidenten der östlichen preußischen Provinzen eine starke Beunruhigung der Bevölkerung darüber bestehe, daß die Polen und Tschechoslowaken mit Genehmigung der Entente zu Sanktionszwecken einrücken könnten. Auf Wunsch des Preuß. Ministers des Innern habe daher mit den genannten Oberpräsidenten am 21. April 1921 eine Besprechung unter seinem Vorsitz stattgefunden, an der er, der Reichsminister des Auswärtigen. General v. Seeckt, Ministerialdirektor Loehrs vom preuß. Ministerium des Innern und der Vertreter des Fürsten Hatzfeldt, LegR v. Moltke, teilgenommen haben3. Bei dieser Besprechung sei von den Oberpräsidenten übereinstimmend ausgeführt worden, daß der größte Teil der Bevölkerung sich im Falle eines Einrückens der Polen und Tschechoslowaken zur Wehr setzen würde. Die Bevölkerung würde keinen Unterschied machen, ob die genannten Mächte aus eigenem Antriebe oder zur Durchführung der Sanktionen einrückten. Dies habe insbesondere auch der der Sozialdemokratischen Partei angehörende Oberpräsident Zimmer von Schlesien betont. Die Oberpräsidenten hätten um Instruktionen gebeten, welche Haltung sie einnehmen sollten. Der Reichsminister des Auswärtigen habe sich bei der Besprechung auf den Standpunkt gestellt, daß ein Franktireurkrieg im Interesse unserer Bevölkerung unbedingt vermieden werden müsse und daß es daher notwendig sei, dem sich zur Wehr setzenden Volke auch die staatliche Unterstützung zu[660] geben. Die Polen und Tschechoslowaken würden sich nur ungern an den Sanktionen beteiligen. Ihre an sich schon bestehende Abneigung würde noch erhöht werden, wenn sie wüßten, daß sie auf Widerstand stoßen würden. General v. Seeckt habe ausgeführt, daß er mit den vorhandenen Machtmitteln in der Lage sei, an der Ostgrenze Widerstand zu leisten. Die Oberpräsidenten seien dahin instruiert worden, daß bei einem Einfall im Osten Widerstand geleistet werden würde und daß sie in vorsichtiger Weise ihre Haltung hiernach einzurichten hätten.

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Siehe dazu Dok. Nr. 241, Anm. 3.

Der Herr Reichskanzler führt weiter aus, daß man bei der Besprechung mit den Oberpräsidenten offenbar von falschen Voraussetzungen über die Stimmung der östlichen Arbeiterschaft ausgegangen sei. Die Arbeiterschaft sei über gewisse Vorbereitungen, die vielleicht von örtlichen Stellen nicht ganz geschickt in die Wege geleitet worden seien, erregt und verlangte deren Einstellung4. Das Kabinett müsse sich nunmehr über die weiter einzunehmende Haltung der Reichsregierung schlüssig werden.

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Siehe dazu Dok. Nr. 241, Anm. 7 und 8.

Der Herr Reichswehrminister teilte mit, daß über das weitere Vorgehen zwischen dem Herrn Reichspräsidenten und General v. Seeckt vollkommene Übereinstimmung erzielt sei. General v. Seeckt machte hierauf eingehend vertrauliche Ausführungen über die militärische Lage. Ministerialdirektor Dr. Meissner trägt vor, daß der Herr Reichspräsident bemüht sei, auf die Sozialdemokratische Partei und die Gewerkschaften aufklärend einzuwirken5. Der Herr Reichskanzler bittet, dem Herrn Reichspräsidenten hierfür den Dank des Kabinetts zu übermitteln.

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Im Zuge dieser Bemühungen hatte der RPräs. am 30. 4. eine Unterredung mit den Fraktionsvorsitzenden der SPD im RT, Müller-Franken und Wels. Eine Notiz über diese Unterredung übersandte das Büro des RPräs. noch am gleichen Tage der Rkei. Danach hatte die Unterredung das folgende Ergebnis:

„1. Beide Herren erklärten, mit Rücksicht auf die außenpolitischen Schwierigkeiten in der Frage des Widerstandes gegen Sanktionen im Osten nichts tun zu wollen, was die Sachlage verschärfen könnte.

2. Voraussetzung für diese ihre Erklärung ist jedoch die Annahme, daß die amtlichen Stellen eine Propaganda im Sinne der seinerzeitigen Verabredung vom 21. 4. sofort einstellen, d. h. insbesondere, daß von Seiten der amtlichen Stellen nichts geschieht, um eine Volkserhebung zu organisieren, und keine Stammrollen angelegt oder ähnliche Maßnahmen angeordnet werden.

3. Die beiden Abgeordneten gehen hierbei von der Voraussetzung aus, daß die in der gestrigen Sitzung des Reichskabinetts beschlossene Stellungnahme die Zusicherung in sich schließt, daß im Falle des Eintretens von Sanktionen im Osten und im Falle eines Widerstandes gegen solche Sanktionen streng verfassungsmäßig verfahren wird, daß insbesondere keine Situation geschaffen wird, die den Reichstag vor eine vollendete Tatsache stellen könnte.“

Ferner teilte das Büro des RPräs. mit, daß am 2. 5. eine gemeinsame Besprechung der Sozialdemokratischen Reichs- und Pr. Landtagsfraktion mit Parteifunktionären aus dem Lande stattfinden sollte, in der das Ergebnis der Unterredung vom 30. 4. die Grundlage der Aussprache sein sollte (R 43 I /355 , Bl. 101–103).

Das Kabinett beschließt, daß die Frage, ob bei einem feindlichen Einmarsch im Osten zur Ausführung von Sanktionen Widerstand zu leisten ist, erst dann entschieden werden soll, wenn die Polen und Tschechoslowaken ein Mandat der Entente oder Frankreichs erhalten haben6.

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Anfang Mai 1921 wurden dann die für den Fall eines poln. und tschechischen Einmarsches getroffenen Maßnahmen widerrufen. Am 2. 5. übersandte der PrIM der Rkei die Abschrift einer Instruktion, die mündlich den Ober- und Regierungspräsidenten der östlichen Provinzen erteilt worden war. In dieser Abschrift hieß es: „1. Werbetätigkeit, insbesondere Werbereisen seitens der Verwaltungsbehörden (Oberpräsidenten, Regierungspräsidenten, Landräte), bis auf weiteres zu unterlassen. Warnung im Sinne der Rede des Außenministers im Reichstage vom 28. April vor Unbesonnenheiten, die leicht die furchtbare Gefahr eines Volkskrieges heraufbeschwören können. 2. Der Herr Reichspräsident wird mit den Gewerkschaften und der Leitung der Sozialdemokratie zwecks Aufklärung der Arbeiterschaft über die Schädlichkeit einer öffentlichen Polemik auf dem hier fraglichen Gebiet und die Unmöglichkeit, ein absolut passives Verhalten zu proklamieren, ins Benehmen treten. 3. Die Reichsregierung behält sich vor, einem Einbruch in unser Staatsgebiet von polnischer oder tschechoslowakischer Seite Widerstand entgegenzusetzen. Weisungen der Reichsregierung hierüber bleiben abzuwarten.“ (R 43 I /355 , Bl. 112).

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