2.15.1 (lut1p): [Amnestiefrage]

Zum Text. Zur Fußnote (erste von 4). Zu den Funktionen. Zum Navigationsmenü. Zum Navigationsbaum

 

Bandbilder:

Die Kabinette Luther I und II (1925/26), Band 1.Das Kabinett Luther I Bild 102-02064Reichspräsident Friedrich Ebert verstorben Bild 102-01129Hindenburgkopf Bild 146-1986-107-32AStresemann, Chamberlain, Briand Bild 183-R03618

Extras:

 

Text

RTF

[Amnestiefrage]

Geheimrat Werner (Reichsjustizministerium) trug den Sachverhalt vor und machte nochmals auf die Bedenken vom Standpunkte seines Ressorts gegen eine Amnestie überhaupt aufmerksam1 und erläuterte sodann kurz den Entwurf eines vorläufig vom Reichsjustizministerium gefertigten Amnestie-Gesetzes2.

1

S. die Ausführungen des StS Joel in der Ministerbesprechung am 30.1.25 (Dok. Nr. 11).

2

In den Akten der Rkei nicht ermittelt.

Der Reichskanzler führte aus, daß man auf jeden Fall eine zeitliche Zäsur für die Amnestie festsetzen müsse. Wenn ein bestimmter Termin gewählt werde, könne er sich menschlicher Voraussicht nach nicht wiederholen. Er denke hierbei an den 1. Dezember 1923 als Termin des Aufhörens der Inflation. Sachlich lasse sich dann die Amnestie in gewisser Weise damit begründen, daß die zu Amnestierenden Opfer der Inflationszeit gewesen seien.

Staatssekretär Joel führte sodann aus, daß, wenn man Lüttwitz begnadige, auch nach links hin Konzessionen nötig seien. Auch er hielt den Termin vom 1. Dezember 1923 für glücklich und war gleichfalls der Ansicht, daß, wenn man eine Amnestie überhaupt anordnen wolle, dann alle bis zum 1. Dezember 1923 begangenen Straftaten amnestiert werden sollten3.

3

Zur Terminfrage äußert sich Oberreichsanwalt Ebermayer in einem Bericht an das RJMin. vom 13. 2.: Eine Amnestie mit dem Stichtage des 1. 11. oder des 1.12.23 sei völlig untragbar. Bei Annahme des 1.11.23 würden Straffreiheit erhalten u. a. die Teilnehmer am Hamburger Aufstand, an hochverräterischen Überfällen auf Polizeistationen in Schlesien, an den Zersetzungshandlungen gegenüber Teilen der Reichswehr in Hessen, Mecklenburg, Brandenburg, an der Revolutionierung Schlesiens und Ostpreußens, an den Oktoberputschen in Mecklenburg-Strelitz. Hinzukommen würden bei Annahme des 1.12.23 die Teilnehmer an Waffenschiebungen seitens Angehöriger von Reichswehrregimentern, an Zersetzungsversuchen gegenüber der Polizei in Baden, an umfangreichen Waffenbeschaffungen in Pommern, Hannover, Berlin und Württemberg, an zahlreichen Sprengstoffbeschaffungen in allen Teilen des Reiches (abschrl. vom RJMin. an die Rkei am 23. 2. in R 43 I /1242 , S. 241, 247-259, hier: S. 249).

[55] Oberstleutnant v. Schleicher wies darauf hin, daß es für die Reichswehr schwer tragbar sein werde, wenn diejenigen amnestiert würden, welche bei den Unruhen in Hamburg, in Sachsen und in Thüringen sich strafbar gemacht hätten.

Der Reichskanzler stellte fest, daß man in einer Ministerbesprechung sich über die beiden grundsätzlichen Fragen schlüssig werden müsse, ob das Kabinett überhaupt für eine Amnestie sei, und im Falle der Bejahung dieser Frage, welcher Zeitpunkt als Endpunkt für die Amnestie in Frage komme4.

4

S. dazu Dok. Nr. 80, P. 1.

Die Sitzung wurde hierauf geschlossen.

Extras (Fußzeile):