2.71.1 (lut1p): 1. Ruhrkohlenbergbau.

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RTF

1. Ruhrkohlenbergbau1.

1

In einer von zahlreichen RT-Abg. unterzeichneten Eingabe an den RK hatte der Abg. Hugo (DVP) am 10. 3. Sofortmaßnahmen zur Erleichterung der schwierigen Absatzlage des Ruhrkohlenbergbaus gefordert und u. a. dargelegt: Die kritische Situation offenbare sich vor allem in außerordentlich raschem Ansteigen der Feierschichten und in starker Zunahme der Lagerbestände bei den Zechen und beim Rheinisch-Westfälischen Kohlensyndikat. Während die durchschnittliche arbeitstägliche Feierschichtenzahl 1913 nur 1614 betragen habe, habe sie sich im Januar 1925 auf 6885 und Mitte Februar auf 27135 belaufen. Ende 1913 seien an Lagerbeständen 1,5 Mio t vorhanden gewesen, im Dezember 1924 dagegen 5 Mio t, am 14.2.25 sogar 7,3 Mio t. „Die Ursachen für diese Entwicklung liegen wesentlich darin, daß die Ruhrkohlenindustrie zum Teil aus ihrem vorkriegszeitlichen Absatzgebiet verdrängt ist und durch die Reichsbahntarifpolitik behindert bleibt, diese zurückzuerobern. Infolge der Tatsache, daß die Tarifpolitik der Eisenbahn die nahen Entfernungen sehr stark belastet und die weiten Entfernungen schont, ist die oberschlesische Kohle […] bis Kassel und Hannover vorgedrungen und hat den süddeutschen Markt wesentlich an sich gerissen. Daneben macht der Mangel an ausreichenden Küstentarifen den Konkurrenzkampf der Ruhrkohle gegen die englische Kohle […] an der Küste und in Holland unmöglich.“ Folgende Maßnahmen seien daher besonders dringlich: 1) Gewährung von Sondertarifen von der Ruhr nach der Küste, 2) Gewährung von Ausnahmetarifen über die dt. Westgrenze, vor allem nach Rotterdam, 3) Ermäßigung des Siegerlandkohlentarifs, 4) Herabsetzung der Wasserumschlagtarife am Oberrhein (R 43 I /2173 , Bl. 160-163).

Geheimrat Stutz schilderte die Lage der Kohlenversorgung der deutschen Gebiete und zeigte anhand von Zahlen die Verschiebungen, die gegenüber der[249] Vorkriegszeit stattgefunden haben. Er sprach die Auffassung aus, daß dieser ungesunden Verschiebung nur durch Maßnahmen auf dem Gebiete der Kohlentarife entgegengewirkt werden könne. Und zwar sei dazu nicht erforderlich eine allgemeine Tarifermäßigung, sondern nur eine solche gewisser Tarifrelationen.

Der Reichsverkehrsminister teilte mit, daß über die Frage der Tarifänderung mit der Reichsbahn bereits Verhandlungen stattgefunden hätten. Dabei habe sich insbesondere ergeben, daß der ausländische Eisenbahnkommissar2 sich voraussichtlich auf den Standpunkt stellen werde, daß gewisse Ermäßigungen für bestimmte Tarifrelationen keine Einwirkung auf die Tarifhöhe haben werde, die für die Reparationskohlenlieferung maßgeblich sei. Er, der Reichsverkehrsminister, habe die Überzeugung, daß mit einem Entgegenkommen der Reichsbahn zu rechnen sei und glaube, daß die Verhandlungen kurz vor dem Abschluß ständen.

2

Der Franzose Gaston Leverve. Über Funktion und Aufgaben des Eisenbahnkommissars s. § 21 der Satzung der RB-Gesellschaft in der Anlage zum Reichsbahngesetz vom 30.8.24, RGBl. II, S. 272 .

Der Reichswirtschaftsminister hielt es für erforderlich, daß seitens des Herrn Reichskanzlers auf die Reichsbahn (Stieler)3 dahin eingewirkt werde, daß die erforderlichen Entscheidungen so schnell als möglich getroffen würden. Im übrigen müßte auf die Eingabe sofort geantwortet werden, und zwar könne mitgeteilt werden, daß die Beratungen kurz vor dem Abschluß ständen.

3

Karl Stieler, Vizepräsident der RB-Gesellschaft.

Der Reichskanzler warf die Frage auf, ob das Ostpreußenproblem4 in die Verhandlungen mit der Reichsbahn einbezogen werden und gleichzeitig einer Lösung zugeführt werden solle.

4

S. Dok. Nr. 30.

Dem wurde zugestimmt. Es wurde beschlossen, daß der Reichsverkehrsminister die Verhandlungen mit der Reichsbahn weiterführt und der Herr Reichskanzler auf die Eingabe Dr. Hugo einen Zwischenbescheid erteilt5.

5

Zwischenbescheid ergeht im Sinne der obigen Anregungen des RWiM durch Schreiben des StSRkei am 18. 4. (R 43 I /2173 , Bl. 281).

Über das Ergebnis seiner Verhandlungen mit der RB berichtet der RVM mit Schreiben an die Rkei vom 4. 6.: Mit Wirkung vom 5. 5. sei ein Ausnahmetarif 6 e für Steinkohle von westdeutschen Steinkohlengewinnungsstätten nach Stationen der Nord- und Ostseeküste eingeführt worden. Außerdem sei als besondere Maßnahme, die dem Ruhrkohlenbergbau zusätzlichen Absatz sichern werde, mit Wirkung vom 1. 4. eine Ermäßigung des Siegerländer Brennstofftarifs um 10% eingetreten. Gegenüber den übrigen Forderungen des Ruhrbergbaus (s. Anm. 1) habe sich die RB-Gesellschaft bisher ablehnend verhalten. Der RVM fährt dann fort: „Leider ist die Absatzkrise nicht auf den Ruhrkohlenbergbau beschränkt. Auch die anderen Kohlengebiete klagen über empfindliche Absatzstockungen und fordern, unterstützt durch die Landesregierungen, ebenfalls Tarifermäßigungen […] für die – wie behauptet wird – zu stark belasteten Nahentfernungen und für Verkehrsbeziehungen, in denen vor dem Kriege Ausnahmetarife bestanden haben [umfangreiches Material, insbesondere Eingaben der oberschlesischen und mitteldeutschen Brennstoffindustrien dazu in R 43 I /2173 / 2174]. Die Erfüllung aller Wünsche würde letzten Endes zu einer allgemeinen Kohlenfrachtermäßigung in einer Höhe und von einer finanziellen Wirkung führen, die die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft bei der Bedeutung der Kohlenfrachten für ihre Einnahmen nicht zu tragen vermöchte.“ (R 43 I /2173 , Bl. 381 f.).

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