1.179.2 (lut2p): 2. Fürstenauseinandersetzung.

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2. Fürstenauseinandersetzung.

Der Reichsminister der Justiz berichtete über die heutige (30. 4.) Beratung im Interfraktionellen Ausschuß des Reichstags4. Er führte aus, daß eine Regierungsvorlage von den Regierungsparteien wohl allgemein gewünscht werde5. Besonders sei die Frage erörtert worden, wann eine Regierungsvorlage praktisch kommen müsse und mit welchem Ziele sei einzubringen sei.

4

Zur Bildung des „Interfraktionellen Ausschusses der Regierungsparteien“ (12.3.26) vgl. Dok. Nr. 304. Über die erwähnte Sitzung des Ausschusses in den Akten nichts ermittelt.

5

Dieser Wunsch der Koalitionsparteien ist eine Folge der bei den letzten Verhandlungen im Rechtsausschuß offensichtlich gewordenen Ergebnislosigkeit ihrer Bemühungen um einen Kompromiß in der Fürstenfrage. Es war deutlich geworden, daß die Deutschnationalen nicht auf einer mittleren Linie mitgehen und daß die Sozialdemokraten nicht auf den Volksentscheid verzichten würden. Die Ausschußberatungen wurden daher auf Veranlassung der Koalitionsparteien am 28. 4. vertagt (gedr. Protokolle des Rechtsausschusses in R 43 I /2210 , Bl. 130 f.).

Was den sozialdemokratisch-kommunistischen Gesetzentwurf6 sowie die Anträge des Zentrums7 und der Demokraten8 hierzu anlange, so seien die Regierungsparteien mit Ausnahme der Deutschen Volkspartei der Auffassung, daß diese Vorlagen sämtlichst heute noch (30. 4.) dem Rechtsausschuß zu überweisen[1316] seien9. Als seine Auffassung wolle er (Reichsminister der Justiz) mitteilen, daß jedenfalls nicht die Meinung aufkommen dürfe, daß die Reichsregierung die ganze Angelegenheit verschleppe.

6

Vgl. Anm. 10 und 12 zu Dok. Nr. 343.

7

Gemeint ist der vom Abg. v. Guérard am 28. 4. im RT eingebrachte GesEntw. über die vermögensrechtliche Auseinandersetzung mit den Fürstenhäusern, der u. a. vorsieht: Über alle nicht erledigten Streitigkeiten zwischen den Ländern und den Fürstenhäusern entscheidet ein besonderes Gericht, in dem Laien maßgebend mitwirken. Für die Auseinandersetzung gelten folgende Grundsätze: Als Privateigentum des Fürstenhauses oder seiner Mitglieder gilt, ohne Rücksicht auf ergangene Urteile, was sie nachweislich auf Grund eines Privatrechtstitels erworben haben. „Die Folgen des verlorenen Krieges und der Verarmung des Volkes haben die Fürstenhäuser mitzutragen. Dabei ist auch die gesamte Vermögenslage der Fürstenhäuser und der ihnen verbleibende Anteil am Gesamtgrundbesitz des Landes zu berücksichtigen.“ (RT-Drucks. Nr. 2236, Bd. 408 ).

8

Änderungsantrag Koch-Weser (29. 4.) zum sozialdemokratisch-kommunistischen „Entwurf eines Gesetzes über Enteignung der Fürstenvermögen“ (s. Anm. 6). Der Antrag schlägt u. a. vor: 1) In der Überschrift werden die Worte „und Abfindung der vormals regierenden Familien“ angefügt. 2) Art. 1 (entschädigungslose Enteignung der gesamten Fürstenvermögen) wird ergänzt durch eine Bestimmung, wonach die Länder den Fürstenfamilien aus der enteigneten Vermögensmasse eine Abfindung zu gewähren haben, die eine angemessene Lebenshaltung ermöglicht (RT-Drucks. Nr. 2234, Bd. 408 ).

9

Die Überweisung erfolgt nach dreitägiger Aussprache des RT am 30. 4. Die genannten Vorlagen werden sowohl im Rechtsausschuß am 4. 5. (gedr. Protokoll in R 43 I /2210 , Bl. 135-138) wie auch im Plenum am 6. 5. abgelehnt (RT-Bd. 390, S. 7045 ).

Der Reichsminister des Innern wies darauf hin, daß die Lage nach seiner Auffassung ganz klar sei. Der Reichstag sei gescheitert; nun müsse die Regierung einen Kompromißentwurf einbringen, der Preußen genehm sei.

Auch der Reichskanzler erklärte, daß er nunmehr es für erforderlich halte, daß die Regierung einen Entwurf den gesetzgebenden Körperschaften unterbreite.

Nachdem noch über den Inhalt des Gesetzentwurfs dabattiert worden war, stellte der Reichskanzler einstimmig Zustimmung des Kabinetts zu folgendem fest: Die Regierung werde jetzt beschleunigt einen Gesetzentwurf den gesetzgebenden Körperschaften zuleiten, und zwar ungefähr in der Fassung, auf welche sich die Regierungsparteien zuletzt geeinigt hätten10. Dabei sollten die Abänderungsanträge des Zentrums und der Demokraten mit Rücksicht auf die Sammlung Solly11 berücksichtigt werden12. Die Abänderungsanträge derselben Fraktionen hinsichtlich des Rückkaufrechts des Preußischen Staates an bestimmten, früher von Mitgliedern des Fürstenhauses erworbenen Grundstücken13 sollten in der Form berücksichtigt werden, daß der Staat das Recht erhält, solche Grundstücke zurückzuerwerben, daß das Reichssondergericht aber in der Lage sein soll, unter Berücksichtigung der Erwerbsvorgänge nach billigem Ermessen eine Entschädigung festzusetzen. Der Preußische Ministerpräsident erklärte sich durch Staatssekretär Weismann hiermit einverstanden.

10

Vgl. Dok. Nr. 335, dort bes. Anm. 4 und Dok. Nr. 342.

11

Gemäldesammlung des Engländers Edward Solly im Berliner Kaiser-Friedrich-Museum, 1821 von Friedrich Wilhelm III. käuflich erworben.

12

Die Abg. Schulte (Zentrum) und v. Richthofen (DDP) hatten im Rechtsausschuß am 24. 4. u. a. beantragt, den § 10 des (3.) Kompromißentwurfs der Koalitionsparteien (vgl. Anm. 4 zu Dok. Nr. 335), der die Übertragung von Kunstschätzen aus dem privaten Fürstenvermögen auf den Staat regelt und hierfür Entschädigungen vorsieht, durch folgende Bestimmung zu ergänzen: „Bei Kunstschätzen, die das Land der regelmäßigen öffentlichen Besichtigung offenzuhalten beabsichtigt, darf die Entschädigung den Ertragswert nicht übersteigen.“ (Drucks. des Rechtsausschusses Nr. 218 in R 43 I /2206 , Bl. 367). – Dieser Antrag kam einem Verlangen des PrFM entgegen, der im Rechtsausschuß zum Problem der Sammlung Solly am 24. 4. ausgeführt hatte: Bei dem außerordentlichen Wert dieser Sammlung wäre es für die PrStReg. unerträglich, wenn sie für ihren Erwerb große Werte aufwenden müßte, da die Sammlung keinen Ertragswert habe und auch nicht veräußerlich sei (gedr. Protokoll der Ausschußsitzung in R 43 I /2210 , Bl. 120-124).

13

Vgl. hierzu Dok. Nr. 342, dort auch Anm. 2.

Das Reichsjustizministerium solle den Entwurf beschleunigt, möglichst bis zum Montag, dem 3. Mai, ausarbeiten, damit sodann nötigenfalls das Reichskabinett über den Entwurf Beschluß fassen könne. Es solle dem Reichsjustizministerium überlassen bleiben, mit den Regierungsparteien über den Entwurf zu sprechen, falls das Reichsjustizministerium das für nötig halte14.

14

Zum Fortgang s. Dok. Nr. 349, P. 2, dort bes. Anm. 3.

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