1.61.1 (lut2p): 1. [Frage des Rücktritts der RReg. nach Unterzeichnung des Locarnopakts]

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Die Kabinette Luther I und II (1925/26), Band 2.Das Kabinett Luther I Bild 102-02064Reichspräsident Friedrich Ebert verstorben Bild 102-01129Hindenburgkopf Bild 146-1986-107-32AStresemann, Chamberlain, Briand Bild 183-R03618

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1. [Frage des Rücktritts der RReg. nach Unterzeichnung des Locarnopakts]

Der Reichskanzler Man müsse sich überlegen, wie die Regierung sich jetzt zweckmäßig zu verhalten hätte. Ihm scheine es richtig, daß das Kabinett in seiner[895] jetzigen Zusammensetzung zur Durchführung des Werkes von Locarno zusammenbleibe. Es sehe zur Zeit so aus, als ob die Parteien, von der Deutschen Volkspartei bis zu den Sozialdemokraten, für Locarno stimmen würden1. Es würde aber die Frage aufgeworfen werden, wie es mit der Regierung stehe. Er halte es für gefährlich, nur als geschäftsführendes Kabinett nach London zu gehen. Daher müßte diese Frage geklärt werden.

1

Vgl. Anm. 65 zu Dok. Nr. 228.

Vielleicht könne man am Montag [23. 11.] im Reichstag sagen, das Kabinett werde nach der Entscheidung über Locarno seine Aufgaben in der jetzigen Zusammensetzung als erledigt ansehen, weshalb es nach Unterzeichnung in London zurücktreten werde.

Reichspostminister Dr. Stingl: Es sei doch wohl zu prüfen, ob ein Rücktritt nötig sei, denn die Rückwirkungen seien eingetreten und der Reichskanzler und Außenminister hätten ihren Rücktritt ja nur für den Fall des Nichteintritts der Rückwirkungen angekündigt2.

2

Vgl. Anm. 2 zu Dok. Nr. 200.

Reichsarbeitsminister Dr. Brauns: Minister Stingl habe an sich mit seinen Ausführungen recht, aber es sei ein zweiter Fall eingetreten, nämlich der, daß das Kabinett nach dem Austritt der Deutschnationalen keine Majorität mehr habe. Der Kanzler müsse seines Erachtens in seinen Ausführungen am Montag im Reichstage deutlich zu erkennen geben, daß nicht Locarno der Grund zum Rücktritt sei, sondern die mangelnde Mehrheit.

Der Reichskanzler Man müsse unterscheiden zwischen einem Votum des Reichstages, durch das Locarno angenommen würde, und einem Vertrauensvotum für das Kabinett. Die bloße Zustimmung zu Locarno könne in diesem Falle als Vertrauensvotum nicht angesehen werden. Er halte den Rücktritt nach erfolgter Unterzeichnung der Verträge für geboten.

Reichswehrminister Dr. Geßler schließt sich dieser Auffassung an. Nach London müßten die Ämter dem Reichspräsidenten zur Verfügung gestellt werden, dann sei dieser völlig frei in seinen Entschlüssen.

Der Reichskanzler stimmt dem zu und sieht hierin die logische Folge des Austritts der Deutschnationalen.

Reichswehrminister Dr. Geßler empfiehlt, daß der Kanzler dies in seiner Rede ausdrücklich bemerke.

Reichsaußenminister Dr. Stresemann: Es scheine ihm erwünscht, diese Ausführungen an die Spitze der Rede des Kanzlers zu stellen.

Der Reichskanzler stimmt dem zu3.

3

S. die Rede des RK in der Locarno-Debatte des RT am 23. 11. (RT-Bd. 388, S. 4475 ).

Das Kabinett beauftragt den Staatssekretär Kempner, das Einverständnis des Ministers Frenken4 zu dem Beschluß des Kabinetts einzuholen, nach der Unterzeichnung der Verträge in London zu demissionieren5.

4

Frenken hatte dem RK am 16. 11. seine Rücktrittsabsicht mitgeteilt, er demissioniert am 21. 11. S. Dok. Nr. 232.

5

Frenken stimmt dem offenbar zu, denn Kempner vermerkt am Rand des Protokolls: „Geschehen! K. 21. 11.“

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