2.43.1 (ma11p): 1. Wahlfreiheit.

Zum Text. Zur Fußnote (erste von 6). Zu den Funktionen. Zum Navigationsmenü. Zum Navigationsbaum

 

Bandbilder:

Die Kabinette Marx I und II, Band 1 Wilhelm Marx Bild 146-1973-011-02Reichskanzler Marx vor seinem Wahllokal Bild 102-00392Hochverratsprozeß gegen die Teilnehmer am PutschDawes und Young Bild 102-00258

Extras:

 

Text

RTF

1. Wahlfreiheit.

Major v. Schleicher nahm Bezug auf die in dem Schreiben der Abgeordneten Höllein und Genossen vom 29. Dezember1 gestellten vier Fragen und präzisierte die Stellungnahme des Inhabers der vollziehenden Gewalt dahin, daß

1

Dok. Nr. 42.

zu 1. die Wehrkreiskommandeure kommunistische Wahlvorschläge zulassen würden, d. h. solche Wahlvorschläge, die von Personen stammten, welche der Kommunistischen Partei angehörten bzw. ihr naheständen, nicht[180] aber von der Kommunistischen Partei als solcher. Das gleiche Verfahren würde gegenüber der ebenfalls verbotenen Deutschvölkischen Partei eingeschlagen2;

2

KPD, Deutschvölkische Freiheitspartei und NSDAP waren durch den Inhaber der vollziehenden Gewalt, Gen. v. Seeckt, verboten worden; vgl. Dok. Nr. 42, Anm. 3.

zu 2. der Inhaber der vollziehenden Gewalt sich nicht in der Lage sähe, die Bildung von Vereinigungen zur Betreibung kommunistischer Wahlen zuzulassen;

zu 3. und 4.: ebensowenig könnte er die Verbreitung von kommunistischen Druckschriften, insbesondere die Herausgabe der verbotenen „Volkswacht“ als Wahlzeitung gestatten. Den kommunistischen Wählern würde in gleichem Maße wie den übrigen Parteien Versammlungsfreiheit eingeräumt werden, und der Inhaber der vollziehenden Gewalt behalte sich vor, im Falle der Störung der öffentlichen Ordnung einzuschreiten.

Im übrigen sei nach Auffassung des Wehrministeriums das Vorgehen gegen die verbotenen Parteien weniger eine Rechtsfrage als eine Machtfrage. Aus Mitteilungen, die dem Inhaber der vollziehenden Gewalt zugegangen seien, gehe hervor, daß die Kommunistische Partei die Wahlzeit dazu benutzen wollte, wiederum in stärkstem Maße für ihre Zwecke Propaganda zu treiben und zum offenen Kampf gegen Regierung und Verfassung aufzurufen. Lasse man eine solche Möglichkeit zu, so würden neue innerpolitische Schwierigkeiten nicht zu vermeiden sein.

Staatssekretär Zweigert hielt im Gegensatz zur vorerwähnten Auffassung die Angelegenheit vor allem für eine Rechtsfrage. Artikel 125 der Reichsverfassung, der Wahlfreiheit und Wahlgeheimnis gewährleiste, könne nicht suspendiert werden. Die vom Reichsministerium des Innern für den Rechtsausschuß ausgearbeitete Erklärung sei auf Wunsch des Wehrministeriums unterblieben. Die Erklärung wurde verlesen3.

3

Nicht ermittelt.

Staatssekretär Joel betonte zu Punkt 2, daß Vereinigungen zugelassen werden müßten, da solche nach dem Wahlgesetz vorgesehen seien. Dagegen sei die Versammlungsfreiheit jederzeit aufhebbar. Der Rechtsausschuß des Reichstags habe sich für Versammlungs- und Pressefreiheit eingesetzt4, obwohl auf Grund von Artikel 48 der Reichsverfassung ein diesbezügliches Verbot ergangen sei5. Insofern weiche der Rechtsausschuß des Reichstags von der Auffassung der Regierung ab.

4

S. Dok. Nr. 42, Anm. 6.

5

Vgl. § 2 der VO des RPräs. vom 26.9.23 über die Verhängung des Ausnahmezustandes (RGBl. I, S. 905 ).

Der Reichsminister des Innern stellte als Auffassung des Kabinetts folgendes fest:

zu Punkt 1. wird die Auffassung des Inhabers der vollziehenden Gewalt geteilt;

zu Punkt 2. werden entgegen der Auffassung des Inhabers der vollziehenden Gewalt Vereinigungen zur Betreibung kommunistischer Wahlen zugelassen;

[181] zu Punkt 3. und 4. wird der Auffassung des Inhabers der vollziehenden Gewalt zugestimmt.

Major von Schleicher schlug ferner vor, für die Flugblätter sämtlicher Parteien die Vorzensur einzuführen. Die zur Zeit verbotene Presse solle weiter verboten bleiben. Ferner machte er den Vorschlag, daß die einzelnen Befehlshaber mit den Parteien über die Art der Führung des Wahlkampfes in Verhandlungen treten sollen. In Bremen hätte man hiermit die besten Erfolge erzielt. Die einzelnen Kommandeure könnten dann vom Wehrministerium aufgefordert werden, in kürzester Zeit ihre Vorschläge einzureichen, die dann dem Kabinett überreicht werden könnten. Es wurde ferner eine schriftliche Mitteilung an den Rechtsausschuß beschlossen, dessen Formulierung das Reichsministerium des Innern unter Zuziehung des Vertreters des Inhabers der vollziehenden Gewalt sowie des Justizministeriums alsbald festsetzen soll6.

6

S. das Schreiben des RK an den Präs. des RT vom 2.1.24: Dok. Nr. 45.

Extras (Fußzeile):