2.176 (ma11p): Nr. 176 Der Reichsminister der Justiz an den Reichskanzler. 14. April 1924

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Nr. 176
Der Reichsminister der Justiz an den Reichskanzler. 14. April 19241

1

Hschr. Vermerk am Kopf des Schreibens: „Nicht veröffentlichen“.

R 43 I /1306 , Bl. 3

[Konflikt zwischen Zentrum und BVP; Rücktritt Emmingers als Reichsjustizminister2]

2

Mitte März hatte der Vorstand der Zentrumspartei der BVP mitgeteilt, daß das Zentrum im rechtsrhein. Bayern auf die Nominierung eigener Kandidaten für die Reichstagswahlen verzichten wolle, falls die BVP in der bayer. Pfalz die Kandidatur des Zentrumsabg. Hofmann-Ludwigshafen unterstützen würde. Als die BVP auf diese Bedingung nicht einging, beschloß die Parteileitung des Zentrums Anfang April, in allen bayer. Wahlkreisen eigene Kandidaten aufzustellen. Zugleich griff die „Germania“ die partikularistischen Tendenzen der BVP-Politik an. Die BVP forderte daraufhin RJM Emminger auf, aus der RReg. auszuscheiden.

Sehr geehrter Herr Reichskanzler!

Im Interesse der reibungslosen Zusammenarbeit der Kabinettsmitglieder war es selbstverständliche Pflicht der hinter den einzelnen Ministern stehenden Parteien, sich gegenseitig möglichst wenig zu bekämpfen. Vor Beginn des Wahlkampfes[566] wurde die Notwendigkeit dieses Burgfriedens noch ausdrücklich besprochen und betont.

Gegen diesen Burgfrieden hat das Zentralorgan der deutschen Zentrumspartei, die „Germania“, in ihrer Nr. 117 gröblich verstoßen, als sie in dem Artikel „Wir müssen nach Bayern“ neben sonstigen schweren Vorwürfen gegen die Bayerische Volkspartei u. a. schrieb: „Es besteht keinerlei Gewähr mehr dafür, daß die Bayerische Volkspartei die Reichsgesinnung aufbringen wird, die notwendig ist, um an der Lösung dieser schwierigen Aufgaben (nämlich der Aufgaben der nächsten Wochen) unter Hintansetzung ihrer partikularistischen Sonderbestrebungen mitzuhelfen.“

Wegen der Sinnlosigkeit dieses Vorwurfs glaubte ich zuerst den Artikel, von dem ich, auf einer großen Wahltour begriffen, nur auszugsweise Kenntnis erhielt, umsoweniger folgenschwer nehmen zu müssen, als in dem gleichen Artikel steht, daß kurz vorher die Zentrumspartei bereit war, mit der Bayerischen Volkspartei über eine evtl. Listenverbindung zu verhandeln und die Entdeckung des Mangels an Reichsgesinnung offenbar erst eingetreten war, als gewisse persönliche Wünsche nicht erfüllt wurden.

Zu meinem großen Bedauern habe ich aber erfahren müssen, daß zwar nicht der gesamte Parteivorstand, wohl aber einflußreiche Führer des Zentrums dem Artikel nahestehen, und daß der Parteivorstand entweder nicht in der Lage oder nicht gewillt war, die Germania über diese grobe Störung des Burgfriedens zur Ordnung zu rufen. Die hierauf einsetzende Abwehr und die sich hieran anschließenden weiteren Erörterungen haben schließlich zum offenen Kampfe der beiden Parteien geführt. Ich weiß, wie sehr meine Freunde diese Entwicklung bedauern, und ich selbst könnte urkundenmäßig nachweisen, wie sehr ich mich bemüht habe, diese bedauerliche Entwicklung zu verhindern. Nachdem sie sich nicht hat verhindern lassen, halte ich es im Interesse der reibungslosen Zusammenarbeit des Kabinetts für meine Pflicht, den Herrn Reichspräsidenten um meine Entlassung als Reichsjustizminister zu bitten, und ich habe die Ehre, Ihnen dieses Entlassungsgesuch zuzuleiten3.

3

Vgl. Dok. Nr. 177, P. 1.

Nicht unterlassen möchte ich aber in dieser Stunde, Ihnen persönlich, hochverehrter Herr Reichskanzler, für die zahlreichen Beweise freundschaftlicher Unterstützung während meiner Amtstätigkeit von ganzem Herzen zu danken.

Ich habe die Ehre zu sein

Ihr sehr ergebener

Emminger

Reichsjustizminister.

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