1.168.2 (ma12p): 2. Berichterstattung des Staatssekretärs Trendelenburg über die Pariser Verhandlungen.

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2. Berichterstattung des Staatssekretärs Trendelenburg über die Pariser Verhandlungen.

Staatssekretär Trendelenburg führte aus, daß die letzten Wochen mit Verhandlungen unter Beteiligung der Sachverständigen beider Parteien ausgefüllt gewesen seien5. Endgültige Resultate seien naturgemäß bei diesen Verhandlungen nicht zu erzielen gewesen.

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Zu den dt.-frz. Handelsvertragsverhandlungen in Paris vgl. zuletzt Dok. Nr. 357.

Künftig, ab 30. Dezember 1924, sollten die Verhandlungen nur noch zwischen den beiden Delegationen geführt werden. Im Vordergrund würden dabei stehen: Eisen, Maschinen, Baumwolle, Wolle, frische Blumen und Parfümerien. Während dieser Verhandlungen werde eine Reihe tief einschneidender Entscheidungen notwendig sein. Er bedauere die innerpolitischen Schwierigkeiten in Deutschland, die der Delegation die Verhandlungen erschwerten.

In der Frage der elsaß-lothringischen Kontingente habe die deutsche Delegation erklärt, daß sie bereit sei, über die Möglichkeit von Kontingenten für einzelne Warengebiete bei Erörterung der einzelnen Abschnitte zu sprechen. Eine Gewährung von Kontingenten im Prinzip sei abgelehnt worden. Darüber sei bereits verhandelt worden, und er glaube, daß dadurch gewisse Erleichterungen auf anderen Gebieten zu erzielen seien. Kein Zweifel sei dabei darüber gelassen worden, daß die Voraussetzung für die Gewährung von Kontingenten die sei, daß kein anderes Land ähnliche Ansprüche stelle. Trete dies ein, so müßten die Kontingente in Wegfall kommen.

In der Eisenfrage hätten weitgehende Verhandlungen zwischen den beteiligten Industriellen stattgefunden. Die deutsche Delegation habe sich darauf beschränkt, folgende Richtlinien zu erteilen: ein Vertrag zwischen den Eisenindustriellen werde die Zustimmung der Reichsregierung nicht erhalten, wenn nicht gewährleistet sei, 1. daß dieser Vertrag nur zustande kommt, wenn ein Handelsvertrag abgeschlossen werde, 2. daß eine monopolistische Ausbeutung der deutschen eisenverarbeitenden Industrie nicht stattfinde, 3. daß Frankreich für die deutsche Maschinenindustrie den Minimaltarif einführe, 4. jedes Entgegenkommen in der Hereinnahme von Eisen davon abhängig gemacht werde,[1250] daß das Saareisen zollfrei nach Deutschland hereinkomme. Die Verhandlungen seien von den Franzosen, als die letztere Frage deutscherseits angeschnitten wurde, zunächst abgebrochen worden. Er glaube, daß die französische Regierung beabsichtige, zunächst eine Verständigung zwischen den beiden Delegationen herbeizuführen, um erst dann die Verhandlungen zwischen den Industriellen wiederaufnehmen zu lassen6.

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Zum weiteren Verlauf der Verhandlungen zwischen der dt. und frz. Eisenindustrie s. diese Edition, Die Kabinette Luther I und II.

Heute erbitte er eine Stellungnahme zu folgenden Fragen:

1. Sollen aus den Schwierigkeiten, die bezüglich der Räumung der Kölner Zone am 10. Januar 1925 entstanden sind, schon jetzt für die Handelsvertragsverhandlungen Konsequenzen gezogen werden oder nicht?

2. Soll ein Provisorium für die Zeit nach dem 10. Januar bis zum Abschluß des endgültigen Handelsvertrages angestrebt werden, und soll schon für dieses Provisorium versucht werden, den gegenwärtigen Rechtszustand des Saargebiets aufrechtzuerhalten7, evtl. unter Gewährung von Konzessionen auf anderen Gebieten, insbesondere dem Gebiet der elsaß-lothringischen Kontingente?

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Am 10.1.25 laufen die Bestimmungen des VV über den zollfreien Warenaustausch zwischen dem Saargebiet und Deutschland ab (§ 31 der Anlage zu Teil III, Abschn. IV des Versailler Vertrags).

Der Reichsminister des Auswärtigen glaubte, sich zunächst dahin aussprechen zu sollen, daß aus der gegenwärtigen außenpolitischen Lage bezüglich des 10. Januar 1925 ein Schluß auf die deutsch-französischen Wirtschaftsverhandlungen noch nicht gezogen werden solle. Eine Entscheidung läge noch nicht vor. Diese müsse man erst abwarten. Er möchte daher empfehlen, daß zunächst die Wirtschaftsverhandlungen fortgeführt würden. Ein Abbruch der Verhandlungen mit Rücksicht auf die Frage der Räumung sei jederzeit möglich. Es sei außerdem zu bedenken, daß in der Räumungsfrage ja kein Konflikt mit Frankreich vorliege, sondern ein Konflikt mit der Entente.

Staatssekretär Hagedorn bat im Auftrage des Reichsministers für Ernährung und Landwirtschaft, heute von einem Beschluß bezüglich des Provisoriums Abstand zu nehmen. Wenn Graf Kanitz auch der Meinung sei, daß unter gewissen Umständen ein Provisorium nützlich sein könne, so müsse doch zunächst die Entscheidung bezüglich des 10. Januar abgewartet werden. Die Weinfrage müsse unter allen Umständen bei einem Provisorium ungeregelt bleiben.

Staatssekretär Trendelenburg erklärte, daß es ihm genüge zu wissen, daß das Kabinett mit einer Weiterführung der Wirtschaftsverhandlungen zunächst ohne Rücksicht auf die Schwierigkeiten bezüglich der Räumung der Kölner Zone einverstanden sei. Die Forderung des Reichsministers für Ernährung und Landwirtschaft, die Weinfrage bei einem Provisorium ungeregelt zu lassen, sei gleichbedeutend mit Abbruch der Verhandlungen. Ein Provisorium könne an der Weinfrage nicht vorübergehen. Er habe bisher an einen Satz von 45 Mark gedacht.

[1251] Staatssekretär Hagedorn empfahl, daß in dieser Frage noch eine Besprechung zwischen Staatssekretär Trendelenburg und dem Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft stattfände.

Staatssekretär Trendelenburg wies darauf hin, daß er kein plein pouvoir für ein Provisorium im Augenblick erbitte. Er wünsche nur zu wissen, ob überhaupt über ein solches verhandelt werden solle. Über den Verlauf und das Ergebnis der Verhandlungen werde er selbstverständlich dem Kabinett berichten.

Das Kabinett erklärte sich damit einverstanden, daß die Verhandlungen weitergeführt werden, ferner, daß ein Provisorium nach dem 10. Januar nicht grundsätzlich abgelehnt werde und daß bei einer Verhandlung über dasselbe versucht werden müsse, den gegenwärtigen Rechtszustand im Saargebiet aufrechtzuerhalten, evtl. auch gegen Konzessionen außerhalb der Saarfrage8.

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Zum Fortgang s. Dok. Nr. 382, P. 2.

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