2.165.1 (ma31p): Entwaffnungsverhandlungen in Paris.

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Entwaffnungsverhandlungen in Paris2.

2

In der Genfer Entwaffnungsvereinbarung war festgelegt worden, daß die noch strittigen Entwaffnungsfragen, insbesondere die Frage der dt. Ostfestungen und die Frage des dt. Kriegsgerätegesetzes, in Verhandlungen mit der Pariser Botschafterkonferenz geregelt werden sollten (Dok. Nr. 151, Anm. 5). Auf dt. Seite wurden die Verhandlungen von Gen. v. Pawelsz und Vortr.LegR Forster geführt. In dieser Kabinettssitzung sollten die Richtlinien für die dt. Unterhändler festgelegt werden.

Einleitend machte der Reichskanzler darauf aufmerksam, daß das Morgenblatt der Berliner Börsenzeitung vom 6. Januar Mitteilungen über die zur Zeit geführten Verhandlungen über Ein- und Ausfuhrbestimmungen von Kriegsgerät3 enthielten, die nur von ganz unterrichteter Seite kommen könnten. Er bitte die Ressorts, nochmals festzustellen, daß eine derartige Mitteilung ohne Mitwirkung des Pressechefs und der anderen beteiligten Ressorts untunlich sei.

3

Siehe dazu Dok. Nr. 166, P. 1.

Der Reichsminister des Auswärtigen sprach gleichfalls den Wunsch aus, daß keine Mitteilung über eine Angelegenheit, die mehrere Ressorts gleichzeitig betreffe, von einem einzelnen Ministerium ohne Fühlungnahme mit den anderen beteiligten Ressorts ausgegeben werden möge.

Diesem Grundsatz wurde im Kabinett allgemein beigepflichtet.

General v. Pawelsz trug den Stand der Verhandlungen und die von ihm beabsichtigte Verhandlungstaktik in folgenden 3 Punkten4 vor:

4

Über den Stand der dt.-all. Verhandlungen in der Frage der Ostfestungen, der Ausbildungsvorschriften und des Generalstabs hatte Gen. v. Pawelsz bereits am 5.1.27 dem RK Vortrag gehalten. Dabei hatte Pawelsz es als erwünscht bezeichnet, daß vor seiner Abreise nach Paris besonders über die dt. Verhandlungsposition in der Generalstabsfrage eine Kabinettsentscheidung herbeigeführt werde. „Er [Pawelsz] sei nicht in der Lage, den Standpunkt des Reichswehrministeriums zu verfechten, dessen Begründung er für eine internationale Verhandlung als zu schwach ansehen müsse.“ (Aufzeichnung Plancks vom 5. 1., in R 43 I /421 , Bl. 197).

1.) Festungen5.

5

Zum Stand der Verhandlungen über die dt. Ostfestungen siehe Dok. Nr. 147, Anm. 2 und 4 sowie Dok. Nr. 150. Siehe auch DBFP, Serie I A, Bd. II, Dok. Nr. 367 und 371.

Das Reichskabinett erklärte sich mit dem von General v. Pawelsz als Verhandlungsgrundlage vorgelesenen Wortlaut einverstanden6.

6

„Vom Kabinett gebilligter Vorschlag betr. Festungen für Paris“: „Die Bestimmung: ‚Le système des ouvrages fortifiés des frontières Sud et Est de l’Allemagne sera conservé dans son état actuel‘ [Art. 180 Abs. 4 des VV] ist dahin aufzufassen, daß Deutschland die genannten Festungsanlagen in dem Grade der Verteidigungsfähigkeit erhält, wie er bei Kriegsschluß vorhanden war. Deutschland wird demnach Ergänzungs- und Neubauten nur im Bereich derjenigen Stellungen, wie sie bei Abschluß der Friedensverhandlungen bestanden, vornehmen. Es versteht zur Zeit hierunter: a) den Ersatz erneuerungsbedürftiger Anlagen durch entsprechende Betonbauten, b) Neubauten nach Art der übersandten Baupläne als Gerippstellung im Bereich der inzwischen eingeebneten Armierungsstellungen, c) die Berechtigung, bei den früher in zweiter Linie gelegenen Festungen einzelne Anlagen, die in sich keine einheitliche Stellung bilden, zum Zwecke der militärischen Sicherung von Straßen und Eisenbahnen vorzuschieben.“ (Anlage zum Kabinettsprotokoll, R 43 I /1418 , Bl. 4). – Zur weiteren Erörterung dieser Frage siehe Dok. Nr. 174, P. 1 b.

[489] 2.) Ausbildung.

General v. Pawelsz riet davon ab, dem von der Gegenseite geäußerten Verlangen nachzugeben, sämtliche Ausbildungsvorschriften7 der I.M.K.K. vorzulegen8.

7

Gemeint sind die Ausbildungsvorschriften der Reichswehr.

8

Siehe dazu Dok. Nr. 75, Anm. 1. Siehe auch ADAP, Serie B, Bd. I,2, Dok. Nr. 195, Anlage, Ziffer II.

Der Chef der Heeresleitung9 begründete diese Stellungnahme des Generals v. Pawelsz eingehend.

9

Gen. Heye.

Auch der Reichsminister der Justiz warnte, in dieser Frage durch ein Nachgeben einen Präzedenzfall zu schaffen, der verhängnisvoll werden könne.

Der Reichsminister des Auswärtigen führte aus, daß die Besorgnisse des Auslandes in der Ausbildungsfrage zum Teil sicherlich auch davon herrührten, daß die deutsche Reichswehr in den Augen des Auslandes teilweise als die beste Armee der Welt und unschlagbar angesehen werde. Im deutschen Interesse sei es aus taktischen Gründen zweckmäßig, dieser hohen Auffassung von dem Werte des deutschen Heeres und vor allem von seinen Aussichten im Falle eines Krieges in der öffentlichen Meinung des Auslandes in geeigneter Form und bei geeigneter Gelegenheit entgegenzutreten.

Der Chef der Heeresleitung stimmte dem zu, gab aber der Erwägung anheim, daß seiner Erfahrung nach diese Einschätzung des deutschen Heeres in ausländischen Militärkreisen fest eingewurzelt sei und es daher schwierig erscheine, wirksam Wandel zu schaffen. Man könne auch schwer vom Chef der Heeresleitung verlangen, den Wert der eigenen Truppe herabzusetzen; er könne nur darlegen, daß ohne die fehlenden Waffen die Reichswehr sich jedem Hauptfeind unterlegen zeigen müsse10.

10

Der letzte Satz ist auf schriftlichen Antrag des Chefs der Heeresleitung vom 8. 1. (R 43 I /421 , Bl. 205) nachträglich in das Protokoll eingefügt.

3.) Generalstab.

General v. Pawelsz bezeichnete es als erwünscht, die 3 Forderungen der Gegenseite in der Generalstabsfrage zu erfüllen, um weitere Verhandlungen über die Generalstabs-Ausbildungsfrage abzuschneiden. Er glaube annehmen zu können, daß nach Befriedigung dieser letzten Wünsche der Gegenseite weitere Forderungen in der Generalstabsfrage nicht mehr gestellt werden würden. Es handele sich erstens darum, aus der amtlichen Rangliste und aus einer internen Dienstvorschrift die Bezeichnung „Generalstabsoffizier“ (z. B. „Major im Generalstab“ pp.) fallen zu lassen.

Nach eingehender Verhandlung, in der der Chef der Heeresleitung die Gründe für die Beibehaltung der amtlichen Bezeichnung des „Generalstabes“[490] eines Truppenverbandes anführte und insbesondere auf die Gefahr späterer Folgen eines Zurückweichens in diesem Punkte hinwies, stimmte das Reichskabinett dem Vorschlage des Generals v. Pawelsz zu, die Bezeichnung „Generalstab“ zu entfernen, falls von der Gegenseite weitere grundsätzliche Einwendungen gegen Fortbestehen des Truppengeneralstabs und die Ausbildung der für den Truppengeneralstab bestimmten Offiziere nicht erhoben würden.

Es wurde vorbehalten, für das Wort „Generalstab“ in späterer Zeit das Wort „Führerstab“ einzuführen. Diese Frage solle jedoch noch weiterer Prüfung des Reichswehrministeriums unterliegen.

Ebenso wurde dem Vorschlage des Generals v. Pawelsz zugestimmt, der weiteren Forderung der Gegenseite Genüge zu leisten, daß künftig die Führergehilfenausbildung so stattfinden solle, daß die auszubildenden Offiziere gleichzeitig auf Divisionen und Reichswehrministerium verteilt werden sollten.

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