1.224.1 (ma32p): 1. Weltfriedenspakt.

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Die Kabinette Marx III und IVDas Kabinett Marx IV Bild 146-2004-0143Chamberlain, Vandervelde, Briand und Stresemann Bild 102-08491Stresemann an den Völkerbund Bild 102-03141Groener und Geßler Bild 102-05351

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Text

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1. Weltfriedenspakt.

Der Reichsminister des Auswärtigen führte aus, daß nach der bisherigen Entwicklung der Dinge eine sofortige Stellungnahme darüber erforderlich sei, wie sich die Reichsregierung gegenüber dem vom amerikanischen Botschafter1 mit Schreiben vom 13. April 1928 übergebenen amerikanischen Entwurf für den Weltfriedenspakt2 verhalten wolle. Es sei mit einer unmittelbar bevorstehenden starken amerikanischen Stellungnahme gegen den französischen Entwurf zu dem Weltfriedenspakt3 zu rechnen. Frankreich habe sich durch seinen Vorschlag in eine unbequeme Situation hereinmanövriert und fühle die Gefahr, in der Sache isoliert dazustehen. Es sehe sich daher nach Bundesgenossen um und bemühe sich, die fünf Mächte, denen der amerikanische Vorschlag zugegangen sei4, zu einer Kommissionsberatung zusammenzubringen, mit dem Ziel, diese Mächte für den Gedanken einer gemeinsamen Antwort an Amerika zu gewinnen. Es gehe darauf aus, Einzelantworten zu verhüten. Bisher habe Frankreich mit diesen Absichten bei den übrigen Mächten wenig Anklang gefunden. Der englische Botschafter5 habe ihn in diesen Tagen aufgesucht, um im Auftrage des englischen Außenministers zu sondieren, ob Herr Chamberlain den Inhalt der deutschen Antwortnote bereits vor ihrer Absendung an Amerika erhalten könne, um eine gewisse Übereinstimmung mit der beiderseitigen Haltung zu ermöglichen. Diesen englischen Wunsch habe er ablehnen müssen. Ferner habe der japanische Botschafter6 bei ihm vorgesprochen, der ebenfalls Sonderziele seiner Regierung verfolge und die deutsche Stellungnahme zur Sache dementsprechend zu beeinflussen trachte. Der französische Botschafter habe für heute um eine Unterredung gebeten, sie sei ihm aber erst für den folgenden Tag zugesagt worden. Der französische Botschafter werde höchstwahrscheinlich offiziell die Bitte um eine gemeinsame Antwort an Amerika zum Ausdruck bringen.

1
 

Schurman.

2

Siehe Dok. Nr. 463, Anm. 4.

3

Am 20.4.28 hatte der frz. Botschafter de Margerie dem RAM einen frz. Gegenentwurf zum amerik. Entwurf eines Kriegsächtungspakts übergeben; Text des frz. Entwurfs in: Materialien zum Kriegsächtungspakt, 3. Aufl., Berlin 1929, S. 38–41; Schultheß 1928, S. 493 f. Siehe hierzu: ADAP, Serie B, Bd. VIII, Dok. Nr. 248, 249 und 253.

4

Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Japan.

5

Lindsay.

6

Nagaoka.

[1444] Der Reichsminister des Auswärtigen erklärte, daß Deutschland nach seiner Meinung eine entgegenkommende Antwort an Amerika erteilen müsse, und zwar bitte er, sofort handeln zu können, bevor die Situation durch die Einmischung der übrigen Regierungen sich weiter kompliziere. Deutschland werde in Zukunft außenpolitisch auf die amerikanische Unterstützung angewiesen sein und dürfe daher jetzt unter keinen Umständen die Amerikaner durch Nichtbeachtung ihrer Vorschläge vergrämen. Deutschland dürfe den französischen Standpunkt auch nicht dem Scheine nach stützen. Wir hätten schon aus reparationspolitischen Gründen ein Interesse daran, uns nicht in einen Bündnisblock gegen Amerika einspannen zu lassen. Die Note, die im gegenwärtigen Augenblick an Amerika zu richten sei, brauche nur vorläufigen Charakter zu tragen. Es sei auf zwei von Amerika gestellte Fragen zu antworten:

1) auf die Frage, ob Deutschland Bindungen eingegangen sei, die dem Weltfriedenspakt entgegenstünden. Diese Frage könne Deutschland verneinen.

2) auf die Frage, ob Abänderungsvorschläge zu dem amerikanischen Entwurf zu machen seien.

Diese Frage brauche im Augenblick nur dahin beantwortet zu werden, daß Deutschland grundsätzlich mit den amerikanischen Vorschlägen einverstanden sei. Darüber hinaus wären die Themen kurz anzudeuten, über die nach deutscher Auffassung eine klärende Aussprache noch erfolgen müsse. Insbesondere sei zum Ausdruck zu bringen, daß als natürliche Ergänzung zum Weltfriedenspakt ein Ausbau der Mittel zum friedlichen Austrag der bestehenden oder in Zukunft auftretenden Gegensätze zwischen den Völkern stattfinden müsse.

Der Reichsminister des Auswärtigen brachte sodann die tragenden Sätze einer im Entwurf fertiggestellten Antwortnote an Amerika zur Verlesung.

Ministerialdirektor Gaus erläuterte die juristische Seite des amerikanischen und des französischen Entwurfs für den Weltfriedenspakt.

Die anschließende Aussprache ergab, daß das Kabinett dem von dem Reichsminister des Auswärtigen für die Beantwortung des amerikanischen Entwurfs vorgezeichneten Weg einmütig billigt. Es bestand ferner Einverständnis darüber, daß dem amerikanischen Botschafter sofort eine Antwort im Sinne der Ausführungen des Reichsaußenminister übergeben wird7.

7
 

In der Note, die Stresemann am 27. 4. dem amerik. Botschafter Schurman übergab, heißt es u. a.: „Die Deutsche Regierung begrüßt die Eröffnung von Verhandlungen über den Abschluß eines internationalen Paktes zur Ächtung des Krieges auf das wärmste. […] Was Deutschland anlangt, so kommen als internationale Abmachungen, die sich mit dem Inhalte des neuen Paktes berühren könnten, die Völkerbundssatzung und der Rheinpakt von Locarno in Betracht; sonstige internationale Verpflichtungen dieser Art ist Deutschland nicht eingegangen. […] Die Deutsche Regierung ist aber der Überzeugung, daß diese Verpflichtungen nichts enthalten, was mit den Verpflichtungen, die der Paktentwurf der Vereinigten Staaten vorsieht, irgendwie in Widerstreit geraten könnte. Im Gegenteil glaubt sie, daß die bindende Verpflichtung, den Krieg nicht als Werkzeug nationaler Politik zu benutzen, nur geeignet sein würde, den Grundgedanken der Völkerbundssatzung und des Rheinpakts zu verstärken. Die Deutsche Regierung geht davon aus, daß ein Pakt nach dem Muster der Regierung der Vereinigten Staaten das souveräne Recht eines jeden Staates zur Selbstverteidigung nicht in Zweifel stellen würde. Es versteht sich von selbst, daß, wenn ein Staat den Pakt bricht, die anderen Kontrahenten diesem Staate gegenüber ihre Handlungsfreiheit wiedergewinnen. […] Die Deutsche Regierung kann demnach die Erklärung abgeben, daß sie bereit ist, einen Pakt nach dem Vorschlage der Regierung der Vereinigten Staaten abzuschließen und zu diesem Zwecke in die erforderlichen Verhandlungen mit den beteiligten Regierungen einzutreten. Mit dieser Erklärung verbindet jedoch die Deutsche Regierung die bestimmte Erwartung, daß das Zustandekommen eines Paktes von solcher Tragweite nicht verfehlen wird, alsbald seinen Einfluß auf die Gestaltung der internationalen Beziehungen geltend zu machen. So müßte diese neue Garantie für die Erhaltung des Friedens den Bemühungen um die Durchführung der allgemeinen Abrüstung einen wirksamen Impuls geben. Außerdem aber müßte der Verzicht auf den Krieg als notwendiges Gegenstück den Ausbau der Möglichkeiten fördern, vorhandene und entstehende Gegensätze der Völkerinteressen auf friedliche Weise zum Austrag zu bringen.“ Text der dt. Note vom 27. 4. in: Materialien zum Kriegsächtungspakt, S. 42 f.; Schultheß 1928, S. 495 f. Siehe dazu: ADAP, Serie B, Bd. VIII, Dok. Nr. 257, 261 und 262; weitere Dokumente zu den Paktverhandlungen in ADAP, Bd. IX. Die nächste Kabinettsberatung über den Kriegsächtungspakt („Kellogg-Pakt“) fand erst nach der Bildung des Kabinetts Müller II am 9.7.28 statt; siehe diese Edition, Das Kabinett Müller II, Dok. Nr. 7, P. 2.

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