2.246.2 (mu21p): II. Behandlung der Reichsbahn.

Zum Text. Zur Fußnote (erste von 3). Zu den Funktionen. Zum Navigationsmenü. Zum Navigationsbaum

 

Bandbilder:

Kabinett Müller II. Band 1 Hermann Müller Bild 102-11412„Blutmai“ 1929 Bild 102-07709Montage  von Gegnern des Young-Planes Bild 102-07184Zweite Reparationskonferenz in Den Haag Bild 102-08968

Extras:

 

Text

RTF

II. Behandlung der Reichsbahn.

Der Reichsbankpräsident schilderte, daß bei der Reichsbahn zwei Fragen im Vordergrund stehen:

1. Beseitigung der ausländischen Kontrollen.

2. Einräumung gewisser Finanzierungsmöglichkeiten.

[803] Die der Reichsbahn gewährte Freiheit sei allerdings insoweit gebunden, als der Young-Plan vorsehe, daß eine unabhängige Gesellschaft geschaffen werde2. Nach den ganzen Verhandlungen zum Young-Plan müsse der Charakter der Selbständigkeit in den Verhandlungen innerhalb des Komitees gewahrt bleiben. Die Gegenseite werde sich in jeder Beziehung zur Wehr setzen, sobald sie den Eindruck habe, daß Deutschland den Charakter der Selbständigkeit irgendwie einschränken wolle. Aus den gleichen Erwägungen heraus würde die Gegenseite es nicht zulassen, daß der Reichsregierung ein zu starker Einfluß auf die Reichsbahn eingeräumt werde. Sie werde sich vielmehr von dem Standpunkt leiten lassen, daß die Reichsbahn von privaten Geschäftsleuten geführt und geleitet werden müsse.

2

Siehe Ziffer 108 des Sachverständigenplans (RGBl. 1930 II, S. 442 ).

Der Reichsverkehrsminister setzte auseinander, daß die Selbständigkeit der Reichsbahn parlamentarische Komplikationen mit sich bringen werde. Man werde es im Reichstag nicht verstehen können, daß man das Reichsvermögen, das einmal die Eisenbahn ist, einer vollständig unabhängigen Gesellschaft überantworte, auf die man keinen nennenswerten Einfluß habe. Zur Durchbringung der kommenden Gesetze sei erwünscht, daß die Reichsregierung die Möglichkeit erlange, auf die Gestaltung der Dinge bei der Reichsbahn, starken Einfluß auszuüben. Es müsse daher erreicht werden, daß der Generaldirektor an Instruktionen der Reichsregierung gebunden sei.

Der Herr Reichsbankpräsident äußerte erhebliche Bedenken, ob es möglich sein werde, solche einengenden Vorschriften im Komitee durchzubringen. Eine staatsrechtliche Bindung des Generaldirektors halte er nicht für erreichbar; wohl aber glaube er, daß es möglich sein werde, dem Reichspräsidenten ein Abberufungsrecht des Generaldirektors einzuräumen, sofern das Wahlrecht an sich uneingeengt bestehen bleibt. Auch hinsichtlich des Reichsbankpräsidenten könne ein solches Abberufungsrecht geschaffen werden.

Der Reichsverkehrsminister wies noch darauf hin, daß die sogenannten Eisenbahnländer verlangen würden, Verwaltungsratssitze zu erzielen, und daß weiterhin gefordert werde, auch beamtete Mitglieder im Verwaltungsrat zu haben3.

3

Vgl. dazu die Auseinandersetzungen mit den Ländern im Juli 1928 und den Streit mit dem RGPräs. im Dezember 1928.

Die Mehrheit der Anwesenden glaubte, daß es möglich sein werde, Beamte in den Verwaltungsrat zu entsenden, sofern die Beamten in der Minorität im Verwaltungsrat säßen. Hinsichtlich der Eisenbahnländer wurde es für erwünscht bezeichnet, daß auch sie in einem beschränkten Umfange dem Verwaltungsrat angehören.

Die weitere Aussprache beschäftigte sich vor allem mit vier Punkten:

1. Tarifpolitik

2. Tarifsenkung

3. Genehmigungsrecht gegenüber Kraftwagen-Gesellschaften

4. Zusammensetzung des Verwaltungsrats.

[804] Zu Punkt 1 (Tarifpolitik) wurde auf die Unzulänglichkeit der gegenwärtigen Regelung hingewiesen4. Hiernach entscheidet in letzter Instanz das beim Reichsgericht gebildete sogenannte Reichsbahngericht. Man hielt es für erwünscht, daß der Reichsregierung in der Neuregelung ein entscheidendes Votum eingeräumt wird.

4

Vgl. § 33 des RB-Gesetzes vom 30.8.24 (RGBl. II, S. 277 ).

Zu Punkt 2 (Tarifsenkung): In der Frage der Tarifsenkung wurde dargelegt, daß zur Zeit das Reich keinen namhaften Einfluß ausüben könne. Im Interesse einer gesunden Tarifpolitik solle angestrebt werden, daß auch in der Frage der Tarifsenkung das Einflußrecht des Reiches gestärkt wird.

Zu Punkt 3 (Genehmigungsrecht gegenüber Kraftwagen-Gesellschaften) wurde vom Reichsverkehrsminister vorgeschlagen zu prüfen, ob nicht der Reichsbahn auch auf dem Gebiete des Kraftfahrwesens eine Monopolstellung eingeräumt werden könne. Nach den geltenden Bestimmungen stehe das Genehmigungsrecht gegenüber Kraftwagen-Gesellschaften, sofern es sich nicht um die Reichspost handele, den Ländern zu. In der Aussprache hierzu wurde angeregt, das Genehmigungsrecht der Länder auf die Reichsregierung zu übertragen. Eine abschließende Entscheidung wurde nicht getroffen.

Zu Punkt 4 (Zusammensetzung des Verwaltungsrats): Hinsichtlich des Verwaltungsrats soll die Reichsregierung die einzelnen Verwaltungsratsmitglieder ernennen. Um eine enge Fühlung zwischen Reichsregierung und Verwaltungsrat zu erzielen, wurde die Möglichkeit erörtert, mit den Mitgliedern des Verwaltungsrats vor ihrer Ernennung gewisse Abmachungen über die Führung ihres Verwaltungsratsamts zu treffen.

Zur Frage des Vorsitzes des Verwaltungsrats wurde es vom Reichsverkehrsminister für notwendig erachtet, daß den Vorsitz im Verwaltungsrat der Reichsverkehrsminister führt.

Der Reichsbankpräsident glaubte, daß es nicht möglich sein werde, diesen Vorschlag durchzudrücken.

Die Mehrheit der anwesenden Minister schlossen sich dieser Auffassung an. Der Vorsitzende des Verwaltungsrats müsse vom Verwaltungsrat selbst gewählt werden. Es könne allerdings ein Bestätigungsrecht durch den Reichspräsidenten oder die Reichsregierung vorgesehen werden.

Extras (Fußzeile):