2.248.3 (mu21p): 3. Emelka.

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3. Emelka.

Staatssekretär Dr. Popitz trug vor, daß das Reich aus der Liquidierung der sogenannten Lohmann-Unternehmungen noch im Besitze von nominell 500 000 RM Aktien der Emelka sei6. Der Betrag mache 10% des Aktienkapitals der Emelka aus. Die Reichsregierung habe sich bekanntlich vor einiger Zeit vom Reichstag zum Erwerb der Aktienmajorität durch Zukauf des Aktienbesitzes der von Lustig-Gruppe ermächtigen lassen wollen. Diese Gruppe habe damals für das entsprechende Aktienpaket einen Kurs von 180 gefordert. Der Haushaltsausschuß des Reichstags habe die Ermächtigung jedoch versagt. Nunmehr liege ein Angebot des Herrn von Lustig vor auf Erwerb der 500 000 M Reichsbesitz zum Kurse von 140. Herr von Lustig habe unumwunden zugegeben, daß er sein eigenes Paket und die Reichsbeteiligung, wenn er sie erlangen sollte, nach England verkaufen werde.

6

Verhandlungen mit der Münchener Lichtspielkunst AG, die Aktien der Phoebus-Film-AG des Kapitäns Lohmann besaß, hatten schon im Kabinett Marx III begonnen (R 43 I /603  und 604. Vgl. zur Lohmannaffäre O. Geßler, Reichswehrpolitik in der Weimarer Zeit, Stuttgart, 1958, S. 443 ff.). Nachdem das RKab. in der Ministerbesprechung vom 10.11.1928, P. 4, beschlossen hatte, damit ein Verkauf nach Amerika verhindert werde, Aktien der Emelka in Höhe von 1,3 Mio RM zu erwerben, war im Haushaltsausschuß am 12. und 13. 11. der Vorwurf erhoben worden, die RReg. handele wirtschaftlich falsch, weil sie der Emelka Geld für die ehemaligen Phoebus-Aktien geboten habe.

Der Reichsminister der Finanzen empfehle dem Kabinett, das Angebot des Herrn von Lustig anzunehmen, und zwar aus wirtschaftlichen Gründen. Mit dem ursprünglichen Plan des Erwerbes der Majorität bei der Emelka habe die Reichsregierung die Absicht verfolgt, eine Überfremdung der Emelka zu verhüten. Nachdem der Reichstag von diesem Plane nichts habe wissen wollen und Herr von Lustig nunmehr seinen großen Anteil nach England geben wolle, sei die Überfremdung der Gesellschaft praktisch besiegelt. Jedenfalls könne das Reich die Überfremdung mit seinem kleinen Besitz von 10% des Aktienkapitals nicht mehr verhindern. Allerdings sei die Lustig-Gruppe dem Reich gegenüber vertraglich noch für eine gewisse Zeit gebunden, keinen Verkauf von ihrer Seite an das Ausland vorzunehmen. Diese Bindung bedeute praktisch nicht viel, da nicht verhütet werden könne, daß Herr von Lustig seinen Besitz schon heute in der Weise fest an das Ausland veräußere, daß der Verkauf erst nach Ablauf der Bindung effektuiert werde. Das einzige, was das Reich jetzt noch mit der vertraglichen Bindung erreichen könne, sei die Erzielung eines günstigen Preises für seinen Aktienbesitz. Der Börsenkurs der Emelka-Aktien betrage zur Zeit 75,–. Es sei auch bekannt, daß Herr von Lustig beim Weiterverkauf[809] seiner Aktien und derjenigen des Reichs nach England nur einen Kurs von 133 bekomme. Das Angebot von 140 sei daher wirtschaftlich günstig.

Ein weiterer triftiger Grund, der für die Veräußerung spreche, sei auch der, daß die Emelka für ihren rationellen Fortbestand bedeutende Kapitalien aufnehmen müsse. Die neueste Entwicklung in der Filmindustrie, insbesondere die durch den Tonfilm bedingten Umwälzungen, zwängen zu großen neuen Investierungen. In Deutschland könne die Emelka die erforderlichen Kapitalien nicht bekommen und sei daher zur Rückständigkeit und damit zur Entwertung verurteilt, wenn sie sich nicht an das kapitalkräftigere Ausland verschreibe.

Der Reichswirtschaftsminister erklärte, das Kabinett müsse drei Fragen entscheiden:

a) Soll überhaupt verkauft werden?

b) Ist der Preis angemessen?

c) Kann der Verkauf politisch verantwortet werden?

Nach seiner Meinung habe die Reichsregierung hinsichtlich der ersten Frage volle Handlungsfreiheit, nachdem der Reichstag es abgelehnt habe, den für eine wirkliche Ausnutzung des Reichsbesitzes notwendigen Zukauf zu genehmigen.

Den von Lustig gebotenen Preis halte er für angemessen angesichts des geringen Börsenkurses und der Tatsache, daß von Lustig selbst den Reichsanteil zu einem niedrigeren Preis weitergeben müsse, wie er selbst dafür zahlen müsse.

Bei Beurteilung der Frage der politischen Vertretbarkeit eines Verkaufs müssen allerdings bedenklich erscheinen, daß man eine Überfremdung durch die Veräußerung gerade von Reichsbesitz mit verschulde. Diese Bedenken müßten jedoch mit in Kauf genommen werden, da die Reichsregierung sich, so wie die Dinge lägen, in einer Zwangslage befinde.

Der Reichsminister des Innern erklärte, daß er politische Bedenken gegen den Verkauf nicht sähe, nachdem der Haushaltsausschuß durch seine frühere Entscheidung die Pläne der Reichsregierung auf Verhütung einer Überfremdung unmöglich gemacht habe7.

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Severings Einstellung war von der Absicht bestimmt, einen Verkauf an die Ufa zu verhindern, siehe Mein Lebensweg II, S. 210 f.

Der Reichsminister für die besetzten Gebiete erklärte, für ihn sei in erster Linie bestimmend, daß die Emelka auf größeren Kapitalzufluß angewiesen sei, den sie in Deutschland nicht bekommen könnte, und daß bei Nichtveräußerung der Aktien an das Ausland eine Entwertung des Reichsbesitzes die Folge sein würde. Er bat, besonders festzustellen, daß gerade diese Gefahr der Entwertung bei der Entscheidung des Reichskabinetts ausschlaggebend ins Gewicht gefallen sei.

Der Reichspostminister warf die Frage auf, ob nicht inländische Käufer gefunden werden könnten.

Der Reichsminister der Finanzen antwortete, daß im Inlande nur an einen Erwerb durch die Ufa – Geheimrat Hugenberg – gedacht werden könne. Eine etwaige Veräußerung an diese Stelle werde der Reichsregierung sicherlich[810] größere Vorwürfe einbringen als ein Verkauf an Herrn von Lustig. Im übrigen sei Herr von Lustig bereit, beim Weiterverkauf der Aktien nach England zur Bedingung zu machen, daß zum mindesten für die Dauer der Laufzeit seines eine Überfremdung verbietenden Vertrages mit der Reichsregierung Vorstand und Aufsichtsrat der Emelka in der Mehrheit aus deutschen Staatsangehörigen zu bestehen habe.

Das Reichskabinett erklärte sich auf Grund des Ergebnisses der Aussprache mit dem Vorschlage des Reichsministers der Finanzen auf Veräußerung der 500 000 M Aktien der Emelka an Herrn von Lustig zum Kurse von 140 einverstanden. Beim Verkauf soll Herr von Lustig die Verpflichtung auferlegt werden, bei einem Weiterverkauf seines Aktienpakets die Bedingung auszumachen, daß mindestens für die Dauer der Laufzeit des Pool-Vertrages mit dem Reich Vorstand und Aufsichtsrat der Emelka in der Mehrheit aus Deutschen zusammengesetzt sein müsse8.

8

v. Lustig trat in Verhandlungen mit der Fox-Film-Corporation ein, die jedoch durch einen Unfall des Präsidenten dieses Unternehmens verzögert wurden (Schreiben des RWiM vom 19. 7.; R 43 I /2449 , gefunden in R 43 I /2499 , Bl. 224). Wegen dieser Verhandlungen brachte die BVP im bayer. LT eine Anfrage ein (Bericht v. Haniels vom 6. 8.; R 43 I /2255 , Bl. 202), auf die die bayer. Regierung am 20. 8. antwortete, das Eindringen ausländischen Kapitals erfolge wegen der Kapitalarmut der deutschen Unternehmer. Eine Übereignung von Aktienbesitz sei staatlich nicht zu verhindern. Das StMin. des Äußeren stehe mit der RReg. in Verbindung, um in der Emelka-Angelegenheit eine Lösung zu finden, die den Interessen Bayerns und des Reichs Rechnung trage. Zum Fortgang siehe Dok. Nr. 289, P. 2.

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