2.34.1 (mu21p): Auswärtige Lage.

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Kabinett Müller II. Band 1 Hermann Müller Bild 102-11412„Blutmai“ 1929 Bild 102-07709Montage  von Gegnern des Young-Planes Bild 102-07184Zweite Reparationskonferenz in Den Haag Bild 102-08968

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Auswärtige Lage.

Der Reichskanzler berichtete zunächst über Verlauf und Ergebnis der Genfer Verhandlungen.

Anschließend gab Staatssekretär Dr. von Schubert eine Schilderung der Ereignisse nach Abreise des Reichskanzlers in der Vollversammlung und im Völkerbundsrat.

[139] Ministerpräsident Dr. Held (Bayern) gab seiner Befriedigung darüber Ausdruck, daß die Fragen der Räumung und Entwaffnung mit solcher Entschiedenheit in Genf öffentlich behandelt worden seien3. Die Fassung des Communiqués der sechs Mächte bezeichnete er als nicht besonders glücklich. Er bat, das Augenmerk der deutschen Außenpolitik insbesondere darauf zu richten, daß durch eine etwaige Räumung der zweiten Zone nicht für die dritte Zone ein verschlechterter Zustand eintrete4.

3

Nach Abschluß der Länderkonferenz berichtete von Haniel aus Bayern, daß die Unzufriedenheit mit den Genfer Ergebnissen überwiege; in der Presse herrsche mit Ausnahme der sozialdemokratischen „Münchener Post“ große Mißstimmung (4. 10.; R 43 I /2252 , Bl. 212 f.).

4

Vgl. Anm. 20 zu Dok. Nr. 18.

Gegen die Conciliations-Kommission, selbst bis zum Jahre 1935, äußerte Ministerpräsident Held lebhafte Bedenken. Die Bilateralität sei nur fiktiv, da Frankreich keinen Rüstungsbeschränkungen unterliege, auch biete eine solche Kommission bedenkliche Erleichterungen für die Werkspionage.

In der Reparationsfrage sprach sich der bayerische Ministerpräsident gegen jede Teillösung aus. Zusammenfassend erklärte sich der bayerische Ministerpräsident mit der Führung der deutschen Außenpolitik während der Genfer Verhandlungen einverstanden.

Der preußische Ministerpräsident bezeichnete die Genfer Verhandlungen als unverkennbaren Fortschritt hinsichtlich der Klärung der politischen Probleme, wenn auch das praktische Ergebnis enttäuschend sei. Die Räumung der zweiten Zone bezeichnete Ministerpräsident Braun als wertlos.

Staatsminister Dr. Remmele erklärte für die badische Staatsregierung das Einverständnis mit der Verhandlungsführung in Genf. Er bat um Mitteilung darüber, ob die Einheitlichkeit der Delegation, insbesondere auch unter den parlamentarischen Delegierten, gewährleistet gewesen sei5.

5

Nach Plancks handschriftlichem Protokoll (s. o. Anm. 2) nahm Remmele hierbei auf eine Meldung der „Frankfurter Zeitung“ Bezug.

Der Reichsminister für die besetzten Gebiete6 erläuterte des näheren die Frage der Conciliations-Kommission. Er bezeichnete eine Kommission, die nur auf das besetzte Gebiet und auf das Jahr 1935 beschränkt bleibe, als unbedenklich und jedenfalls als Vorteil gegenüber der Besatzung durch Truppen.

6

Mit den Geschäften des RMbesGeb. war der RVM beauftragt.

Staatspräsident Adelung gab ebenfalls der Befriedigung der hessischen Staatsregierung über den Verlauf der Verhandlungen Ausdruck.

Abschließend erklärte der Reichskanzler daß Deutschland keinerlei neue Bindungen in Genf auf sich genommen habe. Hinsichtlich der Conciliations-Kommission sei es immerhin ein Fortschritt, daß durch diesen Vorschlag der Gedanke der élements stables im Rheinland aufgegeben worden sei7.

7

Das bezieht sich wahrscheinlich auf den Beschluß des Völkerbunds vom 11.12.26 zu Investigationen in Deutschland, in dem es u. a. hieß: „Es besteht Einverständnis darüber, daß die Bestimmungen des Art. 213 des Friedensvertrags mit Deutschland über die Investigationen auf die entmilitarisierte Rheinlandzone in gleicher Weise wie auf die übrigen Teile Deutschlands anwendbar sind; diese Bestimmungen sehen für diese Zone ebensowenig wie für andere Gebiete die Einrichtung einer besonderen Kontrolle durch ständige und dauernde lokale Elemente vor. In der entmilitarisierten Rheinlandzone können derartige besondere, nicht in Art. 213 vorgesehene Elemente nur durch ein Abkommen zwischen den beteiligten Regierungen eingerichtet werden“ (F. Berber, Versailles I, S. 1061).

[140] Der Reichskanzler stellte fest, daß in der Delegation keine Meinungsverschiedenheiten oder Unzuträglichkeiten aufgetreten seien, die der Durchführung der deutschen Politik nachteilig gewesen seien8.

8

Bereits in der Pressekonferenz am 18. 9. hatte der RK erklärt, daß Meldungen der ausländischen Presse falsch seien, in denen behauptet werde, MinDir. Gaus habe ihn „bestimmen wollen, die französischen Sicherheitswünsche anzunehmen“. Diese Behauptungen seien „völlig aus der Luft gegriffen“. Gaus habe als Leiter der Rechtsabteilung des AA die französische Auffassung zu prüfen gehabt, habe aber „nicht den geringsten Versuch gemacht“, den RK „zur Aufgabe“ seines „Standpunktes zu bringen“ (R 43 I /502 , Bl. 69-84, hier: Bl. 77). Im Auswärtigen Ausschuß erklärte der RK, nachdem er Breitscheid verteidigt hatte (s. Anm. 2 zu Dok. Nr. 29): „Daß verschiedene Auffassungen in der Delegation vorhanden sind, ist eigentlich selbstverständlich und nicht schädlich, sondern nützlich. Die Fragen sollen doch diskutiert werden. Aber eine andere Frage ist es, was der Delegationsführer vertreten will. Je nach dessen Entscheidung ist die Sache erledigt. Ebenso lächerlich ist der Vorwurf, der mir gemacht worden ist, ich hätte mich im entscheidenden Moment nicht von den parlamentarischen Mitgliedern der Delegation beraten lassen, sondern mich den Beamtenmitgliedern angeschlossen. Ich bin nicht aus so weichem Material. Ich entscheide für mich schon, was ich machen kann“ (R 43 I /502 , Bl. 2-43, hier: Bl. 11).

Die Sitzung wurde hierauf geschlossen9.

9

Am 10. 10. notierte Koch-Weser wahrscheinlich im Rückblick auf diese Besprechung: „MinPräs. als Gremium für Außenpolitik. Wie klein sind diese MinPräsidenten! Stammtischreden. Niemand hat Lust, auf sie zu hören, niemand hört auf sie. Aber sie kommen sich wichtig vor“ (BA: Nachlaß Koch-Weser  38).

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