1.130 (mu22p): Nr. 386 Vermerk über die Fraktionsführerbesprechung beim Reichsernährungsminister betr. der Zolltarifnovelle [am 16. Dezember 1929]

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Nr. 386
Vermerk über die Fraktionsführerbesprechung beim Reichsernährungsminister betr. der Zolltarifnovelle [am 16. Dezember 1929]1

1

Der Vermerk ist undatiert und ungezeichnet und trägt keinerlei Bearbeitungskennzeichen. Eine Einladung an die Fraktionsführer zu einer Besprechung im REMin. am 16. 12. um 11 Uhr war am 14. 12. ergangen (R 43 I /2420 , Bl. 298, hier: Bl. 298).

R 43 I /2420 , Bl. 301 f., hier: Bl. 301 f.

Bei den Verhandlungen der Fraktionsführer im Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft über die landwirtschaftlichen Bestimmungen der Zollnovelle kam es zu keiner Einigung; es wurde aber weitgehende Einigungsbereitschaft erklärt. Beim Wegfall der gleitenden Zölle für Getreide sind die bürgerlichen Parteien bereit, einer Verbraucherschutzklausel zuzustimmen, nach der die Reichsregierung den Zoll mit Zustimmung des Reichsrats- und des Reichstagsausschusses herabzusetzen hat, wenn er bereits eine gewisse Höhe überschreitet.

Dieser Vorschlag wurde bei der Besprechung mit landwirtschaftlichen Sachverständigen der Regierungsparteien wiederholt, die am Nachmittag des 16. Dezember unter dem Vorsitz des Reichsministers für Ernährung und Landwirtschaft stattfand. Frau Toni Sender, die am Morgen die Sozialdemokratie vertreten hatte, war nicht zugegen. Frau Wurm konnte nur Vorschläge entgegennehmen, ohne zu Erklärungen ermächtigt zu sein.

Es wurde vorgeschlagen, daß die Zollherabsetzung erfolgen müsse, wenn Weizen 270 RM und Roggen 240 RM die Tonne notieren. Nach Angabe des Abgeordneten Tantzen würde ein Zoll von 8,50 RM für Weizen und 8,– RM für Roggen ausreichen.

Minister a. D. Hermes wandte sich dagegen. Er hielt es für nötig, den Zoll für Weizen auf 100 RM und für Roggen ebenfalls auf 100 RM festzusetzen, allerdings[1266] unter der Voraussetzung, daß der Roggenzoll bei den Verhandlungen mit Polen gegen entsprechende Zugeständnisse erheblich herabgesetzt werden würde. Eine starke Spanne zwischen dem Weizenzoll und dem Zoll für Roggen hielt er für erforderlich, um zu Umstellungen geeigneten Landes vom Roggenbau auf den Weizenbau anzureizen.

Gegen die Roggenverfütterungsaktion sprach sich Graf Stolberg aus. Er fürchtete, daß sie bei wesentlichen Aufwendungen vergeblich sein werde, weil der Bauer den eigenen Roggen, den er an sich verfüttern wollte, auf den Markt bringt und dafür eosinierten Roggen billig kaufen würde. Der Markt würde also kaum wesentlich entlastet werden.

Der Abgeordnete Tantzen sprach sich gegen die Roggenverfütterung aus.

Minister Hermes hielt die Festsetzung des Gerstenzolls allgemein auf 5 RM für angemessen, wenn der Zoll für Schweine und Schweinefleisch entsprechend gesteigert würde2.

2

Die Einigung der Regierungsparteien über die landwirtschaftlichen Zölle ergab: „Roggen: Wenn es die Entwicklung des Preises erfordert, hat die RReg. die Ermächtigung, den Zoll bis 3,– M herabzusetzen oder bis 9,– M heraufzusetzen. Hierbei hat ein Preis von 230,– M je Tonne als Durchschnitt zu gelten. – Die Einschaltung des RR- und RT-Ausschusses ist weggefallen (um Einschaltung spekulativer Elemente zu vermeiden). Die Notwendigkeit einer Annäherung des Zollsatzes ist jeweils spätestens nach Ablauf einer Frist von 4 Monaten zu prüfen. Die erstmalige Prüfung erfolgt auf Grund der durchschnittlichen Preisentwicklung vom 1. 9. bis 31.12.29. – Weizen: Die Regelung ist in gleicher Weise vorgenommen mit der Maßgabe, daß ein Höchstsatz von 9,50 M, ein niedrigster Satz von 3,50 M und ein Regelsatz von 7,50 RM eingeführt ist. Richtpreis 260,– M.“ Für Hafer sei ein Zollsatz von 7,– und für Braugerste ein Zollsatz von 9,– M festgelegt worden. Weiter heißt es: „Über die Verfütterungsaktion ist keine Einigung erzielt. Die SPD ist für die Regierungsvorlage, die Deutsche Volkspartei geteilt, eine Mehrheit voraussichtlich für den Satz von 2,– M. Zentrum und Bayerische Volkspartei für den Satz von 5,– M für Futtergerste. Nach Meinung von RM Dietrich werden etwa 260 Abgeordnete gegen und 220 für 5,– M stimmen“ (Vermerk Plancks vom 18.12.29 auf Grund einer Mitteilung Feßlers; R 43 I /2425 , Bl. 279, hier: Bl. 279).

Frau Wurm trat, vorbehaltlich der Entschließung der Fraktionen, für die Regierungsvorlage ein, hielt aber die Rindviehzölle für zu hoch.

[Diskussion im handelspolitischen Ausschuß des RT über die Erhöhung der Industriezölle.]3

3

Die Verhandlungen über die Zollnovelle fanden im RT am 16., 19. und 20.12.29 statt; veröffentlicht wurde sie im RGBl. I, S. 227  ff.

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