1.90 (mu22p): Nr. 346 Vermerk Staatssekretär Pünders vom 11. November 1929 und Aufzeichnung des Reichskanzlers über Unterredungen mit dem Reichsbankpräsidenten am 12. November 1929 betr. die Internationale Bank

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Nr. 346
Vermerk Staatssekretär Pünders vom 11. November 1929 und Aufzeichnung des Reichskanzlers über Unterredungen mit dem Reichsbankpräsidenten am 12. November 1929 betr. die Internationale Bank1

1

Dem maschinenschriftlichen Vermerk des StSRkei ist die undatierte Aufzeichnung des RK handschriftlich angefügt worden.

R 43 I /671 , Bl. 50 f., hier: Bl. 50 f.

Herr Reichsbankpräsident Schacht hat mich heute mittag aus Baden-Baden angerufen und mir in Ergänzung zu seinem vorgestrigen Brief2 folgendes zur Weiterleitung an den Herrn Reichskanzler mitgeteilt:

2

Siehe Dok. Nr. 345.

Die Frage des Sitzes der Internationalen Bank sei jetzt positiv erledigt. Die belgische Gegenaktion sei sang- und klanglos verlaufen und irgendwelche weiteren Schwierigkeiten würden hinsichtlich dieser Frage nicht mehr eintreten.

Anders verhalte es sich hinsichtlich der Treuhandverträge in dem geplanten Bankstatut. Die französische Tendenz gehe stark in die Richtung einer dauernden Politisierung der Bank, und die Franzosen forderten Bindungen für die Zukunft, die keine Bank der Erde annehmen könne. Demgegenüber hätten die amerikanische und die deutsche Delegation erklärt, daß solche Bedingungen geradezu „blödsinnig“ seien, daß sie bis zum äußersten Widerstand leisten und nicht unterschreiben würden, wenn diese hauptsächlich von Frankreich[1135] gemachten Vorschläge in den Treuhandverträgen Aufnahme fänden. Angesichts dieser Sachlage habe man sich am Sonnabendvormittag [9. 11.] in Baden-Baden vertagt, welche Pause die französischen Delegierten zu einer Reise nach Paris benutzt hätten. Heute morgen sei nun einer der französischen Delegierten zurückgekommen und hätte um eine weitere zweitägige Vertagung gebeten, die bewilligt worden sei. Infolgedessen werde den Verhandlungen in Baden-Baden in den nächsten Tagen sowieso nicht Fortgang gegeben werden können, so daß auch er, Schacht, heute abend für zwei Tage nach Berlin fahre. Infolgedessen stünde er dem Herrn Reichskanzler zu einer persönlichen Besprechung für den morgigen Dienstag gerne zur Verfügung3. Herr Präsident Schacht bat aber, keine offizielle Sitzung im weiteren Ministerkreise zu veranstalten, da er es zunächst jedenfalls bei einer Besprechung in der Reichskanzlei bewenden lassen möchte. Falls auf Grund einer solchen Aussprache noch weiteres notwendig sei, könne das ja vom Reichskanzler morgen noch angeregt werden.

3

Am Rand vermerkte der RK: „Ist am Nachmittag um 4 Uhr 30 möglich.“

Ich dankte dem Herrn Präsidenten Schacht für seine Mitteilung und erwiderte, daß zweifelsohne der Herr Reichskanzler ihn am morgigen Dienstag gern empfangen würde. Wir verabredeten daraufhin, daß er morgen vormittag von der Reichskanzlei angerufen werden würde. Präsident Schacht wird etwa ab 9 Uhr vormittags in der Reichsbank zu erreichen sein.

Pünder

[Aufzeichnung des Reichskanzlers:]

Rbankpräs. Schacht gab mir am 12. Nov. 4.30 Uhr einen kurzen Bericht über den günstigen Stand der Verhandlungen der Baden-Badener Kommission (über das Statut der Internat. Bank). Die Details sind in seinen Briefen enthalten. Er kam auch auf seine aktive Mitwirkung in der Haager Schlußkonferenz zurück, unter Betonung, daß er wahrlich kaum politischen Ehrgeiz habe.

Ich erwiderte ihm, daß ich ihm das nie unterstellt hätte. Über die Zusammensetzung der Delegation für die Haager Schlußkonferenz müsse das Kabinett noch beraten. Das würde demnächst geschehen. Wegen der die Internat. Bank betreffenden Fragen würde ich seine aktive Mitarbeit für zweckmäßig halten. Schacht meint, daß er in dieser Frage am Konferenztisch Gelegenheit haben müsse, die Aspirationen der Gegenseite zurückzuweisen4.

4

Siehe Pünders Tagebucheintragung vom 12.11.29, Politik in der Reichskanzlei, S. 23.

Schacht meinte, daß die Haager Konferenz erst im Januar zusammentreten würde, wenn Ende dieser Woche die Kommissionen allesamt fertig würden. Die Regg. solle [?] ihre Finanzreformpläne jetzt bald bekannt geben und den Etat vorlegen. Diese Fragen würden leichter jetzt zu erledigen sein, wenn der Young-Plan noch nicht anzuwenden sei5.

5

Die Verhandlungen in Baden-Baden wurden am 13. 11. abgeschlossen. Folgende Fragen blieben – nach der Aufzeichnung der MinR Berger und Ronde für den RFM – „ausdrücklich offen“: „a) Festlegung des Zahlenschemas in dem endgültigen Protokoll unter Festsetzung der ungeschützten und geschützten Annuität (vgl. Haager Protokoll vom 31.8.29 Anlage I, Londoner Abkommen vom 9.8.24, Unteranlage I Kapitel I, RGBl. II, S. 300 ). b) Festsetzung des Zahlungsdatums der monatlichen Devisenablieferungen unter Ausschaltung der andersweitig geregelten Aufbringung der Reichsmarkzahlungen der RB und der Reichsmark- und Devisenzahlungen für die Dawes-Anleihe (Young-Plan Ziffer 89 und 90). c) Festsetzung der Höhe und Berechnungsart des deutschen Depots nach Ziffer 47 der Anlagen des Young-Plans. d) Feststellung des Wortlauts der deutschen Schuldenbescheinigung – Ziffer 123 der Anlagen des Young-Plans –. e) Regelung der Streitigkeiten zwischen B. I. Z. einerseits und den Regierungen andererseits oder zwischen den Regierungen untereinander über Fragen, die mit dem Grundgesetz, den Statuten oder dem Trust-Agreement zusammenhängen“ (14.11.29; R 43 I /671 , Bl. 74-87, hier: Bl. 74-87).

M[üller]

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