2.108.1 (vpa1p): 1. Außerhalb der Tagesordnung: Diskontsenkung der Reichsbank.

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1. Außerhalb der Tagesordnung: Diskontsenkung der Reichsbank.

Der Reichskanzler warf die Frage auf, wie die Senkung des Reichsbankdiskonts technisch herbeigeführt werden solle, nachdem sich der Generalrat für eine Senkung ausgesprochen hat2.

2

Eine Senkung des Reichsbankdiskonts (z. Z. 5% gemäß Beschluß des Zentralausschusses der Rbk vom 27.4.32, Sitzungsprotokoll in R 43 I /641 , Bl. 193) war von RbkPräs. Luther schon Anfang Juli 1932 in Aussicht genommen worden (vgl. Dok. Nr. 51, P. 3). Dieser Absicht hatte das Rbk-Direktorium in seiner Sitzung vom 1.8.32 grundsätzlich zugestimmt (Schreiben Luthers an RWiM vom gleichen Tage in R 43 I /637 , Bl. 242–247).

Der Reichsminister der Finanzen führte dazu aus, die Reichsregierung sei noch an die Bestimmungen des Haager Abkommens gebunden. Sie müsse noch die Zustimmung der BIZ erbitten3 oder mit Rücksicht auf diese Bindung den Diskontsatz autonom herabsetzen. Gegen letzten Weg lägen eindringliche Warnungen von verschiedenen Seiten, insbesondere auch von dem englischen Notenbankpräsidenten Norman vor4. Würden diese Warnungen nicht beachtet,[412] so sähe er große Schwierigkeiten bei den demnächst bevorstehenden Verhandlungen wegen der Schuldentilgung mit dem Ausland.

3

Gemeint ist die im Sachverständigenplan vom 7.6.29 (RGBl. 1930 II, S. 45 ) vorgeschriebene Zustimmung der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ, Basel) zur Senkung des Reichsbankdiskonts unter die in § 29 Abs. 3 des Reichsbankgesetzes vom 30.8.24 (RGBl. I, S. 235 ) festgelegte Grenze von 5%. Näheres dazu in Anm. 7 zu Dok. Nr. 51.

4

Norman hatte um den 20.7.32 Siepmann, Mitglied des Direktoriums der Bank von England, zur Erörterung der Diskontsenkungsfrage nach Berlin entsandt. Über eine Besprechung mit diesem am 23. 7. vermerkte Luther u. a.: Siepmann habe mitgeteilt, Norman „sei in Sorge, ob nicht eine Zinssenkung jetzt wirken würde wie ein Schritt zum Verlassen der Goldwährung. Ich habe Siepmann ausführlich dargelegt, daß das Umgekehrte richtig sei. Gerade unsere bisherige Politik, die gleichzeitig zäh und elastisch gewesen sei, habe die Goldwährung geschützt. Wenn wir z. B. heute noch 8% Diskont hätten, so würden aller Wahrscheinlichkeit nach Parallelwährungen oder Ähnliches aus dem Überdruck der Verhältnisse entstanden sein. Die Politik der Reichsbank habe die ganze Zeit darin bestanden, den Diskont so hoch zu halten, daß durch Nichtbenutzung der offenen Kreditlinien kein Schaden für den Devisenstatus entstehe. Auf der anderen Seite, aber in diesem Rahmen, sei der Diskont so niedrig zu halten wie nur möglich. Daraus habe sich eine bestimmte Spannung zu den ausländischen Bankraten, namentlich zu London ergeben. Nachdem jetzt die ausländischen Bankraten und besonders London gesenkt seien, sei die Spanne zu groß geworden, sodaß die Reichsbank, um an ihrem bisherigen System festzuhalten, in naher Zukunft zu einer Diskontsenkung werde schreiten müssen.“ Hinsichtlich des Verfahrens habe Siepmann sodann betont, „der Governor [d. h. Norman] würde es unfair finden, wenn jetzt, nachdem Lausanne abgeschlossen sei, die BIZ vor solche Frage gestellt würde. Ich habe erklärt, daß ich diesen Gesichtspunkt nicht verstände. Umgekehrt sei es für die BIZ, nachdem die Aufhebung des Haager Abkommens bevorstehe und doch von einer Verantwortung der BIZ für den Diskontsatz in Deutschland als solchen nicht die Rede sein könne, m. E. jetzt viel leichter, einem solchen Antrag der deutschen Regierung zuzustimmen. Man müsse nur die ganze Angelegenheit mit leichter Hand behandeln und nicht daraus eine große Sache machen.“ Luther in dem Vermerk hierzu abschließend: „Für den Fall, daß es zu einer Vorlage [der RReg.] an die BIZ kommt, hatte ich Siepmann gesagt, ich dächte in keiner Weise an eine Aufhebung des Paragraphen, der mir vielmehr für den normalen Anwendungsfall, nämlich die steigende Konjunktur, durchaus annehmbar erscheine, sondern ich dächte nur an eine Suspendierung auf Zeit, wegen der obwaltenden besonderen Verhältnisse.“ (NL Luther  345). – Nach der Rückkehr Siepmanns richtete Norman am 28.7.32 ein u. a. wie folgt lautendes Schreiben an Luther: Er müsse betonen, „that, after hearing your technical arguments, I am still not happy about the banking merits of the case. At the same time I recognise that, in present circumstances, the question is essentially political in its implications and possible consequences and this makes me the more anxious about procedure. I not only agree with you that the regular procedure through B. I. S. is preferable; I think it is essential. But if the risk of serious trouble is to be avoided, some careful preparation will be nessessary. If you think it inevitable that the question should be formally raised before long, I would recommend you to consult with Mr. McGarrah [Präs. der BIZ, vgl. unten Anm. 5] privately without delay. He could then communicate with me and with individual Directors of the B. I. S. and decide whether it would be necessary to call a special meeting of the Board. In the meantime I hope I may have your permission to approach my own Government on the subject.“ (Abschrift in R 43 I /637 , Bl. 248–249).

Würde andererseits die Entscheidung der BIZ herbeigeführt, so würde Frankreich diesen Schritt dahin auslegen, daß Deutschland sich an den Youngplan noch gebunden halte, während die deutsche Regierung bisher den Standpunkt vertreten habe, daß im Falle der Nichtratifikation des Lausanner Abkommens ein Vakuum einträte. Deswegen würde, falls sich die Regierung entschlösse, die BIZ anzugehen, Voraussetzung sein, daß eine Diskussion über den Antrag nicht stattfände und daß mit seiner Annahme gerechnet werden könne.

In der Aussprache hierüber neigte der Reichskanzler der Auffassung zu, trotz der Bindung den Diskontsatz herabzusenken. Er berichtete, daß der Generalrat die Herabsetzung um 1%, die Leitung der Reichsbank aber nur um ½% ins Auge gefaßt habe.

Der Reichswirtschaftsminister nahm an, daß durch eine Diskontsenkung für die Wirtschaft zwar eine kleine Erleichterung geschaffen werde, daß diese aber nicht ausreichen, sondern zweckmäßig in ein größeres Programm hineingestellt würde. Darüber werde voraussichtlich Einigung mit der Reichsbank erzielt werden.

Bei dieser Sachlage wurde beschlossen, bei den bevorstehenden Besprechungen mit dem Reichsbankpräsidenten auch die Frage der Diskontsenkung zu klären5.

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Aufzeichnungen über diese am 23. 8. in der Rkei abgehaltene Besprechung nicht ermittelt. Aus einem Schreiben Luthers an Papen vom gleichen Tage und einem auf diesem befindlichen Randvermerk Feßlers vom 26. 8. geht hervor, daß in der Besprechung vereinbart wurde: Luther solle beim Verwaltungsrat der BIZ „zur Sprache bringen“, daß die RReg. beabsichtige, den § 29 Abs. 3 des Reichsbankgesetzes (vgl. oben Anm. 3) auf gesetzlichem Wege vorübergehend außer Anwendung zu setzen (R 43 I /637 , Bl. 270). Nachdem die BIZ diesem Vorschlage Mitte September 1932 zugestimmt hatte, konnte die angekündigte VO des RPräs. „über eine Aussetzung der Anwendung des § 29 Abs. 3 des Bankgesetzes“ am 19.9.32 erlassen werden (RGBl. I, S. 445 ). Der Zentralausschuß der Rbk beschloß daraufhin bereits am 21.9.32 die Herabsetzung des Reichsbankdiskonts auf 4% (Sitzungsprotokoll in R 43 I /641 , Bl. 195). – Weitere umfangreiche Materialien (u. a. Aufzeichnungen Luthers über seine Verhandlungen mit McGarrah, Schriftwechsel zwischen RFM und der BIZ) hierzu in R 43 I /637  und NL Luther  344–346. Vgl. auch die detaillierte Darstellung Luthers in: Vor dem Abgrund, S. 278 ff.

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