2.11 (vpa1p): Nr. 11 Aufzeichnung des Ministerialdirektors Zarden über eine Besprechung mit Vertretern der Preußischen Staatsregierung am 7. Juni 1932

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[24] Nr. 11
Aufzeichnung des Ministerialdirektors Zarden über eine Besprechung mit Vertretern der Preußischen Staatsregierung am 7. Juni 19321

1

Lt. Einladungsschreiben der Rkei vom 4. 6. (R 43 I /2289 , Bl. 61) war der Beginn dieser Besprechung für 11 Uhr vorgesehen. – Um alsbaldige Anberaumung einer solchen Besprechung hatte MinPräs. Braun mit Schreiben an den RK vom 3. 6. gebeten und zum Gegenstand dargelegt: „Bei Aufstellung des preußischen Haushaltsplans für das Jahr 1932 war seinerzeit […] ein Fehlbetrag von 100 Mill. RM offen geblieben. Im Laufe der hierüber zwischen der Reichs- und Staatsregierung gepflogenen Erörterungen kam eine Vereinbarung zustande, aufgrund deren die Staatsregierung im Einvernehmen mit der Reichsregierung eine Ausgleichszahlung von 100 Mill. RM in den Haushaltsplan aufnahm; als Gegenleistung sollte Preußen seine Beteiligungen an den Siedlungsfinanzierungsinstituten und den provinziellen Siedlungsgesellschaften auf das Reich übertragen. Der Herr Reichsfinanzminister hat vor etwa 14 Tagen dem Herrn Preußischen Finanzminister mitgeteilt, die Etatisierung der Ausgleichszahlung sei dem Reich nicht möglich, und Preußen könne infolgedessen die vorgesehenen Zahlungen des Reichs während des laufenden Etatjahres nicht erwarten.“ Einen solchen Einnahmeausfall könne Preußen angesichts seiner überaus gespannten Finanzlage jedoch keineswegs ertragen (ebd., Bl. 60–62).

R 43 I /2289 , Bl. 63–66 Durchschrift

[Ablösungszahlung des Reichs an Preußen für die Übertragung der preußischen Anteile an den Siedlungsinstitutionen auf das Reich]

In der Reichskanzlei fand heute eine Besprechung mit Vertretern der Preußischen Staatsregierung über die Frage statt, wie es sich mit der Zahlung der 100 Millionen RM durch das Reich an Preußen für die Übertragung der Siedlungen verhalte.

Von der Reichsregierung waren anwesend:

Reichskanzler von Papen,

Reichsfinanzminister Graf Schwerin von Krosigk,

Reichsinnenminister von Gayl,

Staatssekretär Planck,

Ministerialdirektor Dr. Zarden,

Ministerialrat Vogels;

von Preußen:

Wohlfahrtsminister Hirtsiefer,

Finanzminister Klepper,

Staatssekretär Schleusener.

Minister Hirtsiefer erklärte zunächst, daß der preuss. Ministerpräsident Braun heute auf Urlaub gefahren sei und ihn mit seiner Vertretung beauftragt habe. Für die Preußische Staatsregierung handle es sich darum, zu wissen, ob Preußen die 100 Millionen RM vom Reich für die Siedlungen bekomme, denn darauf sei der preußische Etat aufgebaut.

Finanzminister Klepper erklärte dazu ergänzend, daß zwischen der Reichsregierung und der Preußischen Staatsregierung seit längerer Zeit über die 100 Millionen RM verhandelt worden sei. Der Reichskanzler Dr. Brüning habe[25] bereits im März darauf aufmerksam gemacht, daß wegen der Lage des Reichsetats Schwierigkeiten bestehen können und daß neue Besprechungen erforderlich seien. Reichsfinanzminister Dietrich habe später erklärt, daß er im Etatjahr 1932 die 100 Millionen RM nicht zahlen könne, er, Klepper, habe das dem preußischen Kabinett mitgeteilt. Das Preußische Staatsministerium erbitte nun eine klare Stellungnahme der Reichsregierung, sonst müsse Preußen sich selbst helfen.

Der Reichsfinanzminister erklärte, daß am 1. März zwischen dem Reichskanzler Dr. Brüning und dem Finanzminister Dietrich, dem Reichsarbeitsminister Stegerwald, dem Staatssekretär Pünder einerseits und dem Preußischen Ministerpräsidenten Braun, Finanzminister Klepper und Staatssekretär Weismann andererseits eine Besprechung über die Zahlung der 100 Millionen RM stattgefunden habe. Über diese Besprechung sei in der Reichskanzlei ein Vermerk angefertigt, den er vorlas2. Es habe aber auch Finanzminister Klepper einen Vermerk gemacht, den er ebenfalls vorlas, und den Staatssekretär Weismann an Staatssekretär Pünder einige Tage nach dem 1. März mit der Bitte um Billigung durch den Reichskanzler Brüning geschickt habe3. Staatssekretär Pünder habe daraufhin erwidert, daß Reichskanzler Brüning den preußischen Vermerk nicht billigen könne, da er in wesentlichen Punkten nicht mit dem übereinstimme, was der Reichskanzler und seine Herren als Ergebnis dieser Besprechung ansähen4.[26] Finanzminister Klepper verlas dann noch einen Brief, den der Preußische Ministerpräsident Braun an den Reichskanzler Brüning geschickt habe5, erklärte dann aber weiter, daß eine Vertiefung dieser Frage zu keinem Ziele führe.

2

Nach dem Vermerk (R 43 I /2289 , Bl. 47–48) hatte RK Brüning in der erwähnten Besprechung u. a. erklärt: Eine endgültige Stellungnahme des Reichskabinetts zu den pr. Wünschen „liege noch nicht vor und könne alsbald auch noch nicht gegeben werden. Für die Reichsregierung stünden die Fragen der Umgestaltung der Sozialversicherung, der Förderung der Siedlung und der Arbeitsbeschaffung etatsrechtlich in einem engen Zusammenhang. Diese Fragen könnten jedoch vor der Reichspräsidentenwahl nicht abschließend geklärt werden. Nur bei Aufstellung eines solchen Gesamtplanes werde es möglich sein, die für Preußen vorgesehenen 100 Millionen in den Reichsetat einzustellen. Er erkläre hiermit aber in Übereinstimmung mit dem Reichsfinanzminister, daß in diesem Gesamtrahmen die für Preußen bestimmten 100 Millionen als Gegengabe für die preußischen Siedlungsanteile vorgesehen seien.“ An diese Erklärung des Kanzlers knüpfte RArbM Stegerwald im Verlauf der Besprechung noch eine weitere Bedingung, indem er ausführte: „Da zu dem Gesamtprogramm eine kraftvollere Ingangbringung der Siedlung gehöre, sei unbedingte Voraussetzung, daß durch die einstweilen noch bei der preußischen Kulturverwaltung liegenden Zuständigkeiten keine bürokratischen Schwierigkeiten in der Durchführung entstehen dürften. Das Verlangen der Überführung der preußischen Kulturverwaltung in die Reichsverwaltung wolle er heute nicht ausdrücklich stellen, sondern sei damit einverstanden, daß während des ersten Jahres zunächst praktische Erfahrungen gesammelt werden müßten. Durch Verhandlungen zwischen Reich und Preußen auf Grund der so gewonnenen Erfahrungen müsse aber sichergestellt werden, daß zum 1. April 1933, spätestens aber zum 1. Oktober 1933, die etwa erforderlich werdende Behördenumorganisation durchgeführt sei.“ Dem habe MinPräs. Braun völlig zugestimmt und abschließend betont, daß, „soweit die Behördenorganisation in Betracht komme, sich der vom Reich betriebenen Siedlung keine Schwierigkeiten in den Weg stellen dürften“.

3

Nach dem Vermerk Kleppers (R 43 I /2289 , Bl. 54–55) war in der Besprechung am 1.3.32 folgendes vereinbart worden: 1) „Die Preußische Staatsregierung liquidiert die Preußische Landesrentenbank in der Weise, daß die Aktiven und Passiven auf die Deutsche Siedlungsbank übertragen werden. Gleichzeitig erwirbt die Reichsregierung die preußische Beteiligung an der Deutschen Siedlungsbank und an den Siedlungsgesellschaften.“ 2) Als Gegenleistung werde die RReg. 100 Mio RM im „Laufe des preußischen Rechnungsjahres 1932/33“ zahlen, davon 50 Mio RM nach Möglichkeit schon vor dem 30.4.32. 3) „Der in früheren Verhandlungen erörterte Wunsch der Reichsregierung, die preußischen Siedlungsbehörden (Landeskulturbehörden) ganz oder teilweise zu übernehmen, oder ihnen den Charakter einer Auftragsverwaltung zu geben, wird zurückgestellt.“ – Der Vermerk Kleppers wurde von Pünder in einem Schreiben an StS Schäffer vom 5.3.32 als preußischer „Erpressungsversuch“ bezeichnet (ebd., Bl. 59).

4

Schreiben Pünders an StS Weismann vom 5.3.32 in R 43 I /2289 , Bl. 58.

5

Nicht ermittelt.

Der Reichsfinanzminister bemerkte, daß ursprünglich in Aussicht genommen war, Preußen bis zum 1. Juli 50 Millionen RM zu geben; dann habe sich Preußen aus eigener Kraft helfen sollen. Bei den späteren Beratungen über den Reichsetat habe sich aber dann ergeben, daß selbst die 50 Millionen RM, geschweige denn 100 Millionen RM, nicht flüssig gemacht werden können. Daraufhin habe Anfang Mai zwischen dem Finanzminister Dietrich und dem Finanzminister Klepper eine Besprechung stattgefunden, über die Finanzminister Dietrich einen Vermerk dahin gemacht habe, daß er sich mit dem Preußischen Finanzminister geeinigt habe, daß das Reich die 100 Millionen RM in 5 Jahresraten a 20 Millionen RM, beginnend ab 1.4.1933, zahlen solle6. Finanzminister Klepper machte hierzu die Zwischenbemerkung, daß der Vorbehalt der Billigung der Kabinette vorgesehen sei.

6

Nicht ermittelt.

Das wurde vom Reichsfinanzminister zugegeben, der dann aber erklärte, daß Preußen nun selbst Maßnahmen treffen müßte, um seinen Etat in Ordnung zu bringen.

Minister Hirtsiefer meinte, daß dann aber das Preußische Kabinett sich nicht dazu bereitfinden werde, die Siedlungen jetzt schon abzutreten, wenn es erst in ferner Zeit die 100 Millionen RM bekomme. Die Preußische Regierung habe sich zu diesem Schritt, ein wertvolles Objekt abzugeben, nur unter dem Drucke der Geldnot entschlossen.

Der Reichsfinanzminister betonte, daß der Weg der Übertragung der Siedlungen nur gewählt sei, um nicht den Eindruck zu erwecken, als ob Preußen ein besonderer Vorteil zugewendet werden solle, und um die Rückwirkung auf andere Länder zu vermeiden. Die Siedlungen mögen in absehbarer Zeit einmal ganz viel wert werden, zur Zeit seien sie aber nicht allzu hoch zu bewerten.

Der Reichskanzler stellte daraufhin die Frage, ob Preußen nunmehr aus eigenen Kräften seinen Verpflichtungen nachkommen könne.

Minister Hirtsiefer bejahte diese Frage, erklärte aber nochmals, daß sich das Preußische Kabinett erst noch einmal überzeugen wolle, ob es nicht doch die 100 Millionen RM vom Reich bekomme.

Nachdem dann der Reichsfinanzminister erklärt hatte, daß die jetzige Reichsregierung nicht über die Zusage des Ministers Dietrich hinausgehen könne, weil die Etatlage des Reiches sich eher noch weiter erschweren werde, gab Finanzminister Klepper die Erklärung ab, daß nunmehr Preußen sofort seine eigenen Maßnahmen zur Finanzierung des Etats treffen werde, und daß diese Maßnahmen so sein würden, daß Preußen nicht nur für den Monat Juni, sondern auch für das ganze Etatjahr 1932 kassen- und etatsmäßig in Ordnung sein[27] werde. Die erforderlichen Notverordnungen seien vorbereitet und würden in allerkürzester Zeit erlassen werden7.

7

Am 8. 6. verfügte die PrStReg. durch „Verordnung zur Sicherung des Haushalts“ u. a.: 1) eine Kürzung der Beamtenbezüge um 2½ bzw. 5% (für Ledige und kinderlos Verheiratete) in Form einer Zwangsersparnis, 2) die Einführung einer Schlachtsteuer (Pr. Gesetzsammlung 1932, S. 199). Zur Finanz- und Kassenlage Preußens s. weiter Dok. Nr. 138.

Zarden

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