2.87 (vpa1p): Nr. 86 Vermerk des Reichsministers des Innern über eine Ausschußsitzung des Reichsrats am 27. Juli 1932, 10 Uhr

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Nr. 86
Vermerk des Reichsministers des Innern über eine Ausschußsitzung des Reichsrats am 27. Juli 1932, 10 Uhr

R 43 I /2280 , S. 465–467 Abschrift1

1

Vom RIM am 27. 7. an den StSRkei mit der Bitte übersandt, „die Angelegenheit dem Herrn Reichskanzler vorzutragen“ (R 43 I /2280 , S. 463).

[Aktion des Reichs gegen Preußen, Vertretung Preußens im Reichsrat]

Heute vormittag 10 Uhr fand eine Ausschuß-Sitzung des Reichsrats2 statt, an der ich zunächst den Vorsitz übernahm. Vor Eintritt in die Tagesordnung gab Ministerialdirektor Sperr namens der Bayerischen Staatsregierung eine Erklärung ab, in der die Bayerische Regierung sich zu sachlicher Mitarbeit bereit erklärt, sich aber alle Folgerungen aus ihrer grundsätzlichen Stellungnahme zu der Notverordnung des Herrn Reichspräsidenten vom 20. Juli 19323 vorbehält. Dieser Erklärung schlossen sich die Vertreter von Baden, Württemberg, Sachsen, Hessen und Hamburg an. Der Mecklenburgische Vertreter erklärte, daß seine Regierung keine Veranlassung hätte, eine Erklärung abzugeben oder ihre Mitarbeit im Reichsrat in irgendeiner Form einzuschränken.

2

Lt. Schultheß 1932 (S. 131 f.) handelte es sich hierbei um eine Sitzung der vereinigten Ausschüsse des Reichsrats.

3

Zur bayer. Stellungnahme s. Anm. 4 zu Dok. Nr. 72.

[323] Die formulierte Erklärung des Landes Bayern wird dem Reichsratsbüro zugehen und soll im Umdruck verteilt werden4.

4

Die Erklärung, vom RIM am 27. 7. an den StSRkei übersandt, lautete folgendermaßen: „Die Bayerische Staatsregierung hat sich ebenso wie andere Landesregierungen gegen die Rechtsgültigkeit der Einsetzung von Reichskommissaren an Stelle von Landesregierungen ausgesprochen. Welche Schritte die Bayerische Regierung unternommen hat und aus welchen Gründen sie sich hierzu entschlossen hat, darf ich als bekannt voraussetzen. Da die vom Reiche getroffenen Maßnahmen auch die Vertretung Preußens im Reichsrat in ihrer Rechtsgültigkeit gemäß Artikel 63 der Reichsverfassung berühren, muß sich die Bayerische Staatsregierung alles weitere auch in dieser Frage vorbehalten. Nur unter diesem Vorbehalt bin ich ermächtigt, mich an den Verhandlungen des Ausschusses zu beteiligen.“ (R 43 I /2280 , S. 473).

Der Vertreter Preußens, Ministerialdirektor Nobis, gab die vorher mit mir vereinbarte Erklärung der Preußischen Staatsregierung ab, von der der Reichsrat Kenntnis nahm5.

5

Die pr. Erklärung, vom RIM am 27. 7. an StS Planck übermittelt, hatte folgenden Wortlaut: „Die Regelung der derzeitigen preußischen Regierungsverhältnisse beruht auf Reichsrecht, nämlich der Notverordnung des Herrn Reichspräsidenten vom 20. Juli 1932. Sie besteht so lange zu Recht, als nicht eine andere Regelung erfolgt und ist daher auch für den Reichsrat, der ein Organ des Reichs ist, bindend. Ich kann also nicht anerkennen, daß der Reichsrat oder gar irgendein Ausschuß desselben berechtigt sein sollte, die Rechtmäßigkeit einer Maßnahme des Herrn Reichspräsidenten nachzuprüfen. Damit würde er für sich die Aufgabe des Staatsgerichtshofs in Anspruch nehmen und unter Umständen dessen Entscheidung vorgreifen. Ich bitte, daher von einer weiteren Erörterung der Frage hier abzusehen und in die Beratung der heutigen Tagesordnung einzutreten.“ (R 43 I /2280 , S. 469).

In seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Geschäftsführenden Ausschusses und nicht als Vertreter seiner Länder gab Gesandter Boden den Brief des Preußischen Staatsministers Hirtsiefer6 bekannt und regte die Verweisung der Rechtsfrage an den Ausschuß an. Nach der Erklärung Preußens zog Herr Boden diesen Antrag zurück.

6

Es handelt sich um ein Schreiben an die „Stimmführenden Mitglieder des Reichsrats“, in dem Hirtsiefer „namens der preußischen Staatsminister“ um Vertagung der Ausschußberatungen gebeten und weiter erklärt hatte: „Das Land Preußen wird im Reichsrat nach Art. 63 RV – abgesehen von den durch die preußischen Provinzialverwaltungen gestellten Mitglieder – durch die preußischen Staatsminister vertreten. Den preußischen Staatsministern wird zur Zeit dieses Recht von der Reichsregierung streitig gemacht. Wir widersprechen daher einer sachlichen Beratung im Reichsrat, solange nicht der Reichsrat diese Vorfrage jeglicher sachlichen Beratung abschließend erörtert hat.“ (Abschrift ohne Datum in R 43 I /2280 , S. 471). – Vgl. hierzu auch das Schreiben Hirtsiefers vom 30. 7. (Dok. Nr. 92).

Der Vertreter Hessens fragte, ob in dieser Form der Regelung die von mir bei der Ministerpräsidenten-Konferenz in Stuttgart abgegebene Erklärung, die Reichsregierung werde prüfen, wie die Reichsratsfrage zu erledigen wäre7, ihren Abschluß gefunden hätte. Ich habe das bejaht und habe hinzugefügt, daß der Reichskommissar für Preußen sich vorbehalte, die Instruktion der preußischen Stimmen durch die gegenwärtige Preußische Staatsregierung so einzurichten, daß die Rechte und insbesondere die Interessen der übrigen deutschen Länder dadurch nicht beeinträchtigt würden8.

7

Vgl. Dok. Nr. 83.

8

Zur Instruierung der pr. RR-Stimmen s. Dok. Nr. 93.

Nach dieser Erklärung bat ich, in die Tagesordnung einzutreten. Widerspruch erhob sich nicht, so daß ich Herrn Staatssekretär Grieser den Vorsitz übergeben und mich verabschieden konnte.

gez. Frhr. von Gayl

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