1.20.3 (vpa2p): 3. Außenpolitische Mitteilungen.

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3. Außenpolitische Mitteilungen.

In Vertretung des bereits nach Genf abgereisten Reichsministers des Auswärtigen berichtete Staatssekretär von Bülow in großen Zügen über die Deutschland interessierenden Punkte der Tagesordnung der bevorstehenden Völkerbundstagung6:

6

Der Völkerbundsrat tagte vom 23. 9. bis 3. 10., die Völkerbundsversammlung vom 26. 9. bis 17.10.32. Zum Verlauf s. Schultheß 1932, S. 434 f. und 437 f.

a) Wahl von drei neuen Ratsmitgliedern.

Satzungsgemäß scheiden aus dem Rat aus die Staaten Jugoslawien, Polen und ein südamerikanischer Staat. Für den südamerikanischen Staat wird Mexiko neu gewählt werden. Polen kann nur mit ⅔ Mehrheit wiedergewählt werden. Andernfalls muß Polen bis zur Wiederwählbarkeit drei Jahre warten. Deutschland wird sich zwar nicht gegen Polen aussprechen können, die deutschen Bemühungen gehen jedoch dahin, möglichst viele andere Staaten zu Bewerbungen um diesen Ratssitz zu ermuntern, in der Erwartung, daß auf diese Weise die ⅔Mehrheit nicht zustandekommt. Bezüglich der Aussichten für die Wiederwahl Jugoslawiens sollen zunächst dessen Aussichten [!] sondiert werden7.

7

Am 3.10.32 wählte die Völkerbundsversammlung Mexiko an Stelle von Guatemala und die Tschechoslowakei an Stelle von Jugoslawien als nichtständige Mitglieder in den Völkerbundsrat. Polen behielt seinen nichtständigen Ratssitz, es wurde mit 48 von 52 Stimmen wiedergewählt. Vgl. Schultheß 1932, S. 438.

b) Abrüstungsfrage.

Die Abrüstungsfrage gehört im allgemeinen zum Aufgabengebiet der Unterkommission 3 des Völkerbunds. Angesichts der gleichzeitigen Tagung des Büros der Abrüstungskonferenz8 besteht wenig Aussicht, daß sich die Völkerbundstagung mit dem Abrüstungsthema befassen wird. Insbesondere besteht deutscherseits keinerlei Interesse an der Behandlung des Themas, wie denn auch eine Beantwortung der kürzlich eingegangenen englischen Note zur Abrüstungsfrage9 nicht beabsichtigt ist. Wenn in Genf in der Abrüstungsfrage eine Situation[608] entstehen sollte, die eine deutsche Stellungnahme nötig macht, so würde in erster Linie der Ausweg eines Interviews des Reichsministers des Auswärtigen erwogen werden. Eine öffentliche Diskussion des Themas soll nach Möglichkeit vermieden werden.

8

Vgl. Anm 2 du Dok. Nr. 59.

9

Die am 18. 9. in Berlin (gleichzeitig außerdem in Paris, Rom und Washington) übergebene brit. Note nahm mit Bezug auf den vorangegangenen dt.-frz. Notenwechsel (vgl. Dok. Nr. 132, P. 3) zu der von Dtld. aufgeworfenen Gleichberechtigungsfrage folgendermaßen Stellung: 1) Dtld. habe durch seine Argumentation und seinen Entschluß, den weiteren Verhandlungen der Abrüstungskonferenz fernzubleiben, eine internationale Kontroverse heraufbeschworen, die den soeben begonnenen Prozeß der wirtschaftlichen Wiedergesundung Europas empfindlich stören könnte. 2) Dtld. könne aus der Tatsache, daß Abrüstungsvereinbarungen bisher nicht zustande gekommen seien, keinen Rechtsanspruch auf Abschaffung der Entwaffnungsbestimmungen des VV ableiten; diese seien weiterhin bindend und könnten nur durch internationale Vereinbarungen geändert bezw. aufgehoben werden. 3) Bei den bevorstehenden Genfer Abrüstungsverhandlungen müsse erreicht werden „the largest possible reduction and, in the case of lightly armed States, at any rate no material increase. It would indeed be a tragic paradox if the outcome of the first Disarmament Conference was an increase in armaments and the actual rearming of any State.“ (R 43 I /520 , Bl. 2–4, 26–28). Die Note ist gedr. in Documents on British Foreign Policy 1919–1939, Second Series, Vol. IV, Dok. Nr. 92 (hier unter dem Datum des 15. 9.); Auszüge in: Horkenbach 1932, S. 329 f. und Ursachen und Folgen, Bd. VIII, Dok. Nr. 1755. Vgl. auch die kritische Stellungnahme v. Bülows in ADAP, Serie B, Bd. XXI, Dok. Nr. 60.

c) Minderheitsfrage.

Berichterstatter für diese Frage ist der Japaner. Eine öffentliche Diskussion des Gegenstandes wird wahrscheinlich nicht stattfinden. In der Bundesversammlung wird der Herr Reichsminister des Auswärtigen jedoch eine Rede zur Sache halten. Diese Rede wird vor allem darauf abgestellt sein, daß sich die Völkerbundstagungen mindestens alljährlich mit dem Thema eingehend befassen.

d) Reform des Sekretariats.

Diese Frage ist schon seit 2 Jahren in der Schwebe. Ob ihre Erledigung jetzt gelingen wird, erscheint fraglich. Die Lösung hängt stark mit dem bevorstehenden Ausscheiden von Sir Eric Drummond zusammen. Die kleineren Staaten wollen das Vorrecht der größeren Staaten, im Sekretariat durch einen Untergeneralsekretär vertreten zu sein, beseitigen. Auch Deutschland ist grundsätzlich für eine Reform des Sekretariats, will aber auf den Untergeneralsekretär nicht verzichten, solange auch die übrigen Staaten dies nicht tun. Besonders schwierig gestaltet sich die Frage der Nachfolge für Sir Drummond. Es ist starke Stimmung vorhanden, den jetzigen Stellvertreter, den Franzosen Avenol, aufrücken zu lassen. Gegen ihn persönlich bestehen kaum Bedenken. Unerwünscht ist nur, daß er Franzose ist. Besser wäre es daher, einen Neutralen für die Nachfolge zu gewinnen10.

10

Der Völkerbundsrat wählte am 17.10.32 Avenol zum neuen Generalsekretär des Völkerbundes (Horkenbach 1932, S. 347).

e) Chinesisch-japanischer Konflikt.

Dieser Punkt der Tagesordnung wird wahrscheinlich vertagt werden, da die Japaner behaupten, daß die Angelegenheit noch nicht spruchreif sei. Es ist damit zu rechnen, daß zur Erledigung der Angelegenheit für November eine außerordentliche Ratstagung einberufen wird11.

11

Der seit 1931 andauernde japanisch-chinesische Krieg hatte im Laufe des Jahres 1932 zur gewaltsamen Abtrennung der Mandschurei von China und zur Schaffung eines von Japan abhängigen Staates Mandschukuo geführt. Der Völkerbundsrat und die Völkerbundsversammlung behandelten die Angelegenheit ergebnislos auf ihren Sondertagungen vom 21.–25. 11. bezw. 6.–9.12.32. Vgl. dazu Schultheß 1932, S. 435 f. und 438 f.

f) Wirtschaftsfragen.

Fragen von wesentlicher Bedeutung werden nicht zur Erörterung kommen.[609] Auch sonst ist einstweilen nicht damit zu rechnen, daß andere Gegenstände, an denen Deutschland besonders interessiert ist, zur Erörterung kommen werden.

Das Reichskabinett nahm von diesen Mitteilungen ohne besondere Aussprache Kenntnis.

Der Reichswehrminister äußerte sich anschließend kurz zur Abrüstungsfrage. Man begegne in der Öffentlichkeit immer wieder der Behauptung, daß der psychologische Augenblick für den deutschen Vorstoß in der Sache falsch gewählt sei. Darauf müsse man antworten, daß ein günstigerer Augenblick niemals kommen werde. Von seiten der Nationalsozialisten werde insbesondere mit der Behauptung operiert, daß eine Regierung, die nichts hinter sich habe, sich nicht wundern könne, wenn sie in der Sache keine Erfolge habe. Darauf gebe es nur die eine Antwort, daß es niemals eine Regierung geben werde, die nicht berechtigt wäre, gegen den Versailler Vertrag zu kämpfen. Jede Regierung, wie auch immer sie zusammengesetzt sei, habe die Pflicht, die Souveränität Deutschlands wiederherzustellen. Man müsse unterstreichen, daß das Ausland den scharfen Ton gegen Deutschland nur deshalb riskiere, weil Deutschland von ihnen als gleichberechtigt nicht anerkannt werde.

Der Reichskanzler wies auf die soeben erschienene Ausgabe der nationalsozialistischen Zeitung „Der Angriff“ hin, in der mit großer Schlagzeile von einer außenpolitischen Niederlage der Reichsregierung in der Sache gesprochen wird. Er regte an, zu prüfen, ob die Zeitung daraufhin nicht auf Grund der Vorschriften der Verordnung vom 14. Juni 1932 verboten werden könne, weil durch den Artikel der Kampf der Reichsregierung um die Wiederherstellung der deutschen Souveränität untergraben wird12.

12

Nach § 6 dieser NotVO (RGBl. I, S. 297) konnten „periodische Druckschriften“ verboten werden, „wenn in ihnen eine Veröffentlichung enthalten ist, die lebenswichtige Interessen des Staates dadurch gefährdet, daß unwahre oder entstellte Tatsachen behauptet oder verbreitet werden“.

Reichskommissar Bracht übernahm es, die Frage durch die zuständigen preußischen Stellen unverzüglich prüfen zu lassen13.

13

Hierzu nichts weiter ermittelt.

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