2.10.1 (wir1p): Oberschlesien.

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Die Kabinette Wirth I und II (1921/22). Band 1Bild 146III-105Bild 183-L40010Plak 002-009-026Plak 002-006-067

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Oberschlesien.

Der Herr Reichskanzler macht Mitteilungen über die Verhandlungen mit den Vertretern der Arbeitgeber und Arbeitnehmer Oberschlesiens1. Die Vertreter der Arbeitnehmer hätten sich entschieden auf den Standpunkt gestellt, daß Geld und Lebensmittel unter keinen Umständen nach Oberschlesien gesandt werden dürften. Die Vertreter der Arbeitgeber hätten zunächst eine verschiedene Auffasung zum Ausdruck gebracht, schließlich sich aber dem Standpunkt der Arbeitnehmer einmütig angeschlossen.

1

Die Besprechung mit Vertretern der Arbeitgeber und Arbeitnehmer hatte am 21.5.21 um 9 Uhr in der Rkei stattgefunden; anwesend waren dabei für das Reich: Wirth, Schiffer, Gradnauer, StS Albert und LegR Meyer; für Preußen: Dominicus und StS Göhre; für Oberschlesien sind die Teilnehmer unterschriftlich auf einer gesonderten Anwesenheitsliste genannt. Das von MinR v. Bornstedt verfaßte Protokoll vermerkt: „Die Vertreter der Arbeitgeber teilen mit, daß in den letzten Tagen von privaten Banken Geldmittel zur Auszahlung an die Arbeiter nach Oberschlesien gelangt sind. Nachdem zunächst verschiedene Auffassungen zum Ausdruck gekommen waren, stellen die Arbeitgeber sich schließlich auf den Standpunkt, daß die Sendung von Geld und Lebensmitteln nach Oberschlesien zu inhibieren ist. Die Vertreter der Arbeitnehmer erklären sich entschieden gegen jede Geld- oder Lebensmittelsendung nach Oberschlesien.“ (R 43 I /355 , Bl. 184).

Der deutsche Bevollmächtigte bei der Interalliierten Kommission in Oppeln Graf Praschma2 erklärt, daß seiner Ansicht nach nur die absolute Abschnürung Oberschlesiens den wirtschaftlichen Zusammenbruch Korfantys herbeiführen könnte. Diesen Standpunkt hätten auch die Arbeitnehmer vertreten, die gestern in Oppeln gewesen wären. Irgendeine Garantie dafür, daß Geld- und Lebensmittelsendungen nach Oberschlesien an Ort und Stelle gelangten, sei nicht zu übernehmen, da die einzelnen Bandenführer selbst den Anordnungen des polnischen Oberkommandos nicht mehr gehorchten. Korfanty habe die Leitung[23] nicht mehr mit Sicherheit in der Hand. Graf Praschma belegt seine Ausführungen durch Mitteilungen einer Reihe tatsächlicher Vorgänge3 .

2

Am 12.5.1921 war der bisherige dt. Bevollmächtigte Fürst Hatzfeld zurückgetreten, und Graf Praschma hatte dieses Amt übernommen.

3

Die Note Wirths an den frz. Botschafter Laurent vom 23.5.1921 (s. Dok. Nr. 12, Anm. 1) enthält in ihrem Schlußteil ein Beispiel für die Auswirungen der Insurgententätigkeit.

Der Preußische Minister des Innern Dominicus erklärt im Auftrage der Preußischen Regierung, daß das Preußische Kabinett sich einmütig auf den Standpunkt gestellt habe, die Einführung von Geld und Lebensmitteln nach Oberschlesien zu unterlassen. Derselbe Standpunkt würde von den beiden Oberpräsidenten und dem Regierungspräsidenten in Breslau vertreten.

Staatssekretär Stieler verliest einen Bericht der Eisenbahndirektion Breslau, aus dem hervorgeht, daß ein großer Andrang von Freiwilligen nach Oberschlesien stattfinde.

 

Reichswehrminister Dr. Geßler stellt fest, daß Oberst von Schwartzkoppen4 die Anweisung erhalten habe, die weitere Zuführung von Freiwilligen zu verhindern.

4
 

Oberst a. D. v. Schwartzkoppen war der militärische Leiter einer die „Zentrale“ genannten geheimen Selbstschutzorganisation, die durch den Zentrumsabg. Dr. Spieker geleitet wurde und in Breslau ihren Sitz hatte (s. Hoefer: Oberschlesien, S. 83 und 113).

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