2.179.5 (wir1p): 5. Streikgefahr von Seiten der Eisenbahnarbeiter in den Direktionen Köln, Essen und Elberfeld.

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5. Streikgefahr von Seiten der Eisenbahnarbeiter in den Direktionen Köln, Essen und Elberfeld8.

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Der Punkt war aufgrund folgenden Schreibens des RVM vom 28.12.21 auf die TO gekommen: „In den letzten Tagen haben zwischen mir bzw. meinen Vertretern und Großorganisationen der Eisenbahner Verhandlungen über die Frage einer allgemeinen Vorschußzahlung, einer allgemeinen Lohnerhöhung und beschleunigter Revision der Überteuerungszuschüsse zur Angleichung an die Löhne der Privatindustrie stattgefunden. Heute erhalte ich aus den Direktionsbezirken Köln, Essen und Elberfeld Nachrichten über Streikgefahr, die unmittelbar bevorstehe. Ich halte es für notwendig, daß in der heutigen Kabinettssitzung die Angelegenheit zur Erörterung gestellt wird. Ich bitte mir zu gestatten, Ministerialdirektor Hitzler und als Referenten den Ministerialrat Dr. Roser mit hinzuziehen zu dürfen.“ (R 43 I /2123 , Bl. 20 f., 26-28, hier: Bl. 21; dort auch Berichte des StKom. Weismann vom 24.12.21, 29.12.21, 30.12.21 über die Streiklage).

Seitens des Reichsverkehrsministeriums berichtete Ministerialrat Roser ausführlich über die Streiklage. Streikgefahr bestehe zur Zeit in Köln, Elberfeld und Essen. Zum Teil habe der Streik bereits begonnen.

[494] Der Reichsverkehrsminister vertrat entschieden den Standpunkt, daß die Reichsregierung hier fest bleiben müsse. Im übrigen glaube er, daß ein allgemeiner Streik nicht zu befürchten sei; die Gewerkschaften hätten den Streik nicht proklamiert, sondern es handle sich um einen wilden Streik.

Der Reichspostminister betonte, daß es hier kein Nachgeben der Regierung geben könne, da sonst die Ansprüche der Arbeiter ins Uferlose wachsen würden.

Der Reichsfinanzminister wandte sich entschieden gegen die Meldung des „Vorwärts“ in der Abendausgabe des 28. Dezember, wonach die Unruhe unter den Eisenbahnern auf die scharfe Absage des Reichsfinanzministeriums an den Beamtenbund zurückzuführen sei. Diese Notiz widerspreche vollkommen den Tatsachen, die ja dem Kabinett bekannt seien9.

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In der Chefbesprechung vom 17.12.21 P. 2 war beschlossen worden, den Forderungen der Beamtenschaft auf Auszahlung eines Vorschusses auf die für Januar zu erwartende Gehaltserhöhung in einzelnen Fällen bis zur Zahlung eines Gehalts entgegenzukommen, wenn eine Notlage der Beamten nachzuweisen sei (R 43 I /1048 , Bl. 68 f.). In Übereinstimmung mit diesem Beschluß hatte der RVM – wie er in seinem Schreiben vom 23.12.21 an den StSRkei berichtete – den Beamtenvertretern bekanntgegeben: „Wie schon wiederholt betont hat die jetzige Maßnahme nicht den Charakter der den Beamten auf eine bereits in Aussicht genommene Besoldungsaufbesserung gewährten Abschlagszahlung. Sie ist vielmehr, wie auch im Vorjahre lediglich die Vorauszahlung eines Gehaltsteils vor dem Fälligkeitszeitpunkt, diesmal beschränkt auf die teuersten Orte und auf die Beamten, die, wie die Verheirateten, naturgemäß unter den jetzigen Lebensverhältnissen am meisten leiden, und dazu bestimmt, diesen Beamten noch vor dem Weihnachtsfeste bare Geldmittel in die Hand zu geben. Diese Maßnahme beruht auf einem Beschluß der Reichsregierung, und hat aus zwingenden, auch in den außenpolitischen Verhältnissen begründeten Erwägungen auf den Kreis des engsten Bedürfnisses beschränkt werden müssen. Ich halte mich nicht für ermächtigt und halte es auch für politisch untunlich, einseitig in der Reichsverkehrsverwaltung über den Rahmen der durch Beschluß der Reichsregierung gezogen worden ist, hinauszugehen und dadurch den Anstoß zu einer unvermeidlichen Ausdehnung der Maßnahme zu geben.“ Ähnlich waren auch die Abordnungen des Deutschen Eisenbahner-Verbandes (ADGB), der Gewerkschaft deutscher Eisenbahner (Christliche Gewerkschaft) und des Allgemeinen Eisenbahner-Verbandes (Deutscher Gewerkschaftsring, Hirsch-Duncker) beschieden worden (R 43 I /2563 , Bl. 246 f.).

Das Kabinett trat dem Standpunkt des Reichsverkehrsministers bei.

Vizekanzler Bauer wies darauf hin, daß der Streik gleichzeitig einen Tarifbruch darstelle, auf dessen Folgen die Streikenden durch das Reichsverkehrsministerium besonders hinzuweisen sein dürften.

Hierauf wurde die Besprechung geschlossen.

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